Person der Woche: Dieser Islamist führt die Kalifat-Bewegung

19 Tage vor
Person der Woche Dieser Islamist führt die Kalifat-Bewegung

Von Wolfram Weimer 30.04.2024, 08:08 Uhr Artikel anhören

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Hunderte von Islamisten fordern in Hamburg aggressiv die Einführung des Kalifats. Entsetzen macht sich breit. Der Anführer der Bewegung ist ein polizeibekannter Student, will Lehrer werden und veröffentlicht nun ein Video, in dem er Nancy Faeser persönlich angeht.

"Die Zukunft gehört Allah, die Zukunft gehört dem Islam und die Zukunft gehört dem Koran", ruft Joe Adade Boateng und streckt dabei den Zeigefinger nach oben, die Zuhörer jubeln. Boateng ist Anführer der deutschen Kalifats-Bewegung. In Hamburg hatte er Hunderte von Islamisten am Wochenende zu einer Demonstration gegen die deutsche Demokratie versammelt und Deutschland als "Wertediktatur" verunglimpft. Auf Plakaten war zu lesen "Das Kalifat ist die Lösung". Immer wieder wurden die Demonstranten von den Organisatoren zu "Allahu Akbar"-Rufen ("Gott ist groß") aufgefordert.

Joe Adade Boateng nennt sich auch Raheem Boateng und studiert in Hamburg.

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(Foto: picture alliance / ABB)

Die Demonstration schockiert seither die deutsche Öffentlichkeit und ruft in der Politik allerlei Empörung hervor. Bundesminister Bundesjustizminister Marco Buschmann schrieb bei X: "Wem ein Kalifat lieber sein sollte als der Staat des Grundgesetzes, dem steht es frei auszuwandern." Innenministerin Nancy Faeser meint ähnlich: "Wer ein Kalifat will, ist in Deutschland an der falschen Adresse", und auch FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle bringt das Thema Ausweisungen als politische Reaktion ins Spiel: "Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland gefährdet, kann ausgewiesen werden."

Erst israelfeindliche Parolen, dann fliegen Steine

Das Problem im Fall der Kalifats-Akteure ist allerdings: Viele der neuen Radikalislamisten haben einen deutschen Pass. So auch der Anführer der Hamburger Demonstration. Der 25-Jährige heißt Joe Adade Boateng, nennt sich "Raheem", studiert in Hamburg Lehramt. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater stammt aus Ghana.

Auf Youtube erzählt Boateng, er habe erst zum Ende seiner Schulzeit über einen Mitschüler zum Islam gefunden. In seinem Präsentationsvideo sagt er: "Ich hatte vorher nix mit Religion zu tun. War auch nicht wirklich religiös interessiert… Ich hab' dann 'ne komplette Wende gemacht." Heute ist er wortgewaltiger "Pop-Islamist".

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Boateng tritt in Kleidung und Gehabe wie ein Sportstar auf, er produziert regelmäßig Tiktok-Videos und geriert sich als lässiger Jugendprediger. Auf seinem T-Shirt prangt das martialische Logo seiner Organisation "Muslim Interaktiv": die Kaaba in Mekka, das Hochheiligtum der islamischen Welt, inmitten eines Bluttropfens. Er nutzt tagespolitische Anlässe, um seine Gefolgschaft auf die Straße zu bringen. So organisiert er zunächst einen Autokorso zur Solidarität mit den Opfern des Hanauer Attentats, später eine Protest-Demonstration gegen die Koran-Verbrennung in Schweden. Nach Ausbruch des Gaza-Kriegs mobilisiert er zu einer verbotenen Spontankundgebung. Der "Stern" berichtet: "Erst gab es israelfeindliche Parolen, dann flogen Steine und Flaschen auf Polizisten. Im Nachgang stürmte die Polizei im Rahmen einer Razzia zwei Wohnungen von Mitgliedern seiner Gruppierung 'Muslim Interaktiv'."

Antisemitismus und Scharia

Die ist inzwischen vom Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft worden. In einem Video lässt sich Boateng fragen, warum er "Muslim Interaktiv" gegründet habe. Seine Antwort: "Wir haben viele Moscheen. Nur was wir beobachtet haben, wenn wir öffentlich angegriffen werden, wer steht auf?" Es brauche für deutsche Muslime eine Institution für politischen Aktivismus. "Die Umma", also die Gemeinschaft der Muslime, "steht hinter uns", behauptet er. Als Beispiel nennt er seine Kritik an der LGBTQ-Bewegung und an Homosexualität. "Es gab einen Bericht, da wurde gesagt, wir würden Meinungen vertreten, die nicht die Mehrheit der Muslime widerspiegeln, die Muslime seien gar nicht gegen LGBT… Hey Bruder, wenn hier irgendein Muslim geht, hol ihn, frag ihn, was hältst du davon, er wird unseren Standpunkt vertreten."

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Über die Erfolgsaussichten seiner Bewegung kündigt er an: "Das Potenzial in Deutschland ist unglaublich. Es wurde nur noch nie gebündelt." Bei einem der jüngsten Aufmärsche, mitten in der Hamburger Innenstadt, riefen die Teilnehmer "Israel Kindermörder", berichtet der "NDR". Dabei schwenken sie Fahnen von "Muslim Interaktiv".

Die Sicherheitsbehörden sehen "Muslim Interaktiv" eng verbandelt mit der seit 2003 in Deutschland verbotenen Hizb ut-Tahrir (HuT), der "Partei der Befreiung". Sie gilt als gewaltorientiert, ruft zur Tötung von Juden und der Zerstörung Israels auf und fordert die Vereinigung aller Muslime in einem weltweiten Kalifat auf Basis der Scharia. In vielen arabischen Staaten ist HuT inzwischen ebenfalls verboten, aber immer noch aktiv.

Reul fordert Verbot

MI-Anhänger fallen immer häufiger mit provokanten Aktionen auf, so als sie jüngst nach dem Freitagsgebet vor der Hamburger Al-Nour-Moschee extremistische Umsturz-Flyern verbreitet haben. Die Elbmetropole gilt als Hauptsitz der Bewegung. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul hatte schon vor einem halben Jahr von der Kollegin in Berlin ein Vereinsverbot von "Muslim Interaktiv" gefordert. Nancy Faeser prüft den Vorgang nun. Boateng hat ihr darum sein neuestes Video gewidmet. Titel "Unsere Botschaft an die Bundesinnenministerin".

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Im Tonfall juristischer Hochsprache beklagt er eine "Verleumdungskampagne" gegen sich und seinen Verein. Reul verbreite "Angst und Schrecken". Boateng spricht er Faeser direkt an: "Frau Bundesministerin, lassen Sie nicht von der Hetze und der Desinformationskampagne unter Druck setzen und zu einer Entscheidung hinreißen, die zu einem Vertrauensbruch mit der islamischen Community in Deutschland führen wird."

Das Video endet mit der beinahe bedrohlich klingenden Forderung: "Gemäß dem Amtseid, den Sie geleistet haben, erwarten wir, dass Sie ihre Pflichten gewissenhaft erfüllen und sich mit unseren Ideen auseinandersetzen, anstatt sich von Gerüchten über vermeintliche Geheimtreffen und Umsturzpläne treiben zu lassen."

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