Zum Tod von Frank Stella: Er war der Vater von Hard Edge und ...

Zunächst thematisierte er Nazi-Versatzstücke wie «Arbeit macht frei» oder «Die Fahne hoch!»: Zum Tod von Frank Stella, dem Begründer einer neuen Kunstauffassung

Frank Stella - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Mit seinen malerischen Hybriden erreichte er eine Verschmelzung von Malerei und Skulptur. Nun ist der Vater von Hard Edge und Minimal Art 87-jährig gestorben.

«Man sieht das, was man sieht», so lautete Frank Stellas Diktum.

Pontus Lundahl / Imago

Frank Stellas Kunst wird der Minimal Art, der analytischen Malerei und der Hard Edge zugerechnet. Zeitlebens versuchte er die Möglichkeiten der Malerei in den Raum zu erweitern. Nun ist er im Alter von 87 Jahren in Manhattan gestorben.

Öffentliches Aufsehen erregte Frank Stella durch seine provokante Thematisierung nationalsozialistischer Versatzstücke mit Titeln wie «Arbeit macht frei», dem Eingangsmotto des Konzentrationslagers Auschwitz, oder «Die Fahne hoch!», benannt nach der ersten Strophe des Horst-Wessel-Lieds. «Black Paintings» nannte Stella diese Arbeiten, die Ende der 1950er Jahre entstanden.

Anfang der 1960er Jahre, die Zeit, in der auch der progressiv eingestellte Galerist Leo Castelli auf ihn aufmerksam wurde, begann Stella mit beliebig geformten Bildträgern zu experimentieren, auf denen er regelmässige, nur von Weissräumen unterbrochene Farblinien anordnete. Die strengen Geometrien verstand er als Versuch, nicht nur die europäische Maltradition über Bord zu werfen, sondern sich gleichzeitig auch vom abstrakten Expressionismus zu distanzieren.

Abwendung von der europäischen Tradition

Im vielbeachteten Gespräch mit Bruce Glaser, Kunstpublizist und Hochschullehrer, und Donald Judd bekennt er sich zur Abwendung von der europäischen Tradition, indem er die Kompositionsformeln, die eine Balance der bildnerischen Mittel erreichen, verweigert. Er postuliert stattdessen die authentische Verwendung der Mittel, um die Bildidee ohne jede Verwirrung – weder aufgeladen noch symbolisch konnotiert – zu sehen, und schliesst seine Überlegung mit dem bekannten Diktum: «Man sieht das, was man sieht.»

Stella verstand seine Malerei als ein «specific object», einen Gegenstand, frei von narrativen Elementen. Mit seinen malerischen Hybriden erreichte er eine neuartige Verschmelzung von Malerei und Skulptur, was ihn gleichzeitig zum Begründer einer neuen Kunstauffassung machte.

Mit der Serie «Polish Villages» vollzog Stella 1971 einen Stil- und Technikwechsel. Die Assemblage trat zunehmend in den Vordergrund, wobei die grossformatigen, dreidimensionalen Arbeiten, meist gefertigt aus Holz, Metall und Karton und zusätzlich mit Farbe versehen, nicht nur an architektonische Modelle und Reliefs erinnerten, sondern diese auch früh schon ankündigten.

Während Stella in seinen frühen Jahren die Malerei auf die Konventionen ihrer Definition reduziert hatte, indem er mit einfachen, minimalistischen, geometrischen Mustern arbeitete, stellte er in seinen späteren, «maximalistischen» Jahren die Frage gewissermassen umgekehrt.

William Rubin, einer der besten Kenner des Werkes von Stella, schreibt 1991 im Katalog zur Ausstellung in der Galerie Beyeler: «Wie viel konnte er von den benachbarten bildenden Künsten, der Bildhauerei und der Architektur, übernehmen, um immer noch von Bildern sprechen zu können? Und wie viele der nicht mehr verbindlichen Konventionen der Malerei – wie Gestaltung, räumliche Struktur, schliesslich auch der erzählende Duktus – könnte man wiederverwenden in einer Kunstform, die trotzdem völlig abstrakt bleibt?»

Gestaltung des Axel-Springer-Hauses

Dieser Neuanfang war kein totaler Richtungswechsel, und doch war der Wechsel radikal. Technik und malerische Sprache wandelten sich, die neuen Arbeiten belegen eine fast völlige Abkehr vom früheren geometrischen Stil und eine Hinwendung zu einer neuen, improvisierten und ungezügelten Kurvenfreudigkeit. Anfänglich sind es Metallreliefs in unbemaltem Zustand, später wird er sie bemalen und so die Malerei in den Raum ausweiten, wobei diese Arbeiten nicht nur eine formale, sondern auch eine motivische Nähe zu den Skulpturen John Chamberlains aufweisen.

In den letzten zwanzig Jahren befasste sich Stella mit der architektonischen Umsetzung seiner Werke. Sein Konzept zur Gestaltung einer Kunsthalle in Dresden wurde nicht realisiert, das Foyer des Hamburger Axel-Springer-Hauses hingegen wurde 1996 umgesetzt. Die Architekturprojekte erinnern in ihrer Gestik und Farbigkeit an die Architekturphantasien von Hermann Finsterlin, teilweise auch an Frank Gehry.

2005 hat er auf dem Dachgarten des Museum of Modern Art monumentale Skulpturen gezeigt, welche die früheren Formate deutlich sprengten. In seinen jüngsten Skulpturen hat er sich zunehmend von seiner Malerei, den Collagen und Reliefs entfernt, seine Skulpturen sind voluminös und weisen einen Hang zur Dynamik auf: Affinitäten zu den Arbeiten von Anthony Caro oder den russischen Konstruktivsten Tatlin und Lissitzky sind nicht zu verkennen.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche