Polizeiruf 110 heute: Ein Kindermord und seine tragischen Folgen
Ein Kindermord, ein verdächtiger Lehrer und ein Mob, der zur Selbstjustiz greift - der Polizeiruf 110 "Der Dicke liebt" glänzt mit seinem Drehbuch und den hervorragenden Darstellern.
Mathelehre Krein (Sascha Nathan, links) ist ein einsamer Mensch, aber ist er auch ein Kindermörder? Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) hat da so seine Zweifel.
MDR/Filmpool/Felix Abraham
Matheunterricht in der vierten Klasse, und Lehrer Krein (Sascha Nathan) kümmert sich besonders liebevoll um Julie, die mit Zahlen eher auf Kriegsfuß steht. Doch wo ist eigentlich Inka? Ihr Platz bleibt leer, und auch für Inka hat Krein sich mit Nachhilfestunden besonders eingesetzt.
Inka Werner wird kurze Zeit später tot in einem Kleingartengebiet in Halle an der Saale gefunden, es gibt Anzeichen sexuellen Missbrauchs. Damit haben sich die Vorahnungen von Kommissar Henry Koitzsch (wie immer eine Klasse für sich: Peter Kurth) bewahrheitet. Er muss mit seinem Partner Michael Lehmann (Peter Schneider) in der "Polizeiruf 110"-Folge "Der Dicke liebt" (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) den Mord an der Grundschülerin aufklären.
Es ist der zweite Fall für das Team; bereits für den ersten hatten Schriftsteller Clemens Meyer und Regisseur Thomas Stuber ein exzellentes Drehbuch mit tragikomischen Einblicken in soziale Milieus abgeliefert. Das ist auch dieses Mal so, der "Polizeiruf" spielt in einer Hochhaussiedlung. Allerdings fehlt jegliche Komik. Sie ist einer bleiernen, manchmal bedrohlichen Schwere gewichen, die sich visuell in fahlen, wie ausgewaschen wirkenden Farben spiegelt. Und Koitzsch bekommt sein Alkoholproblem auch nicht wirklich in den Griff.
Erneut konzentrieren sich Meyer/Stuber auf das Klein-Klein der Polizeiarbeit. Für den Kindermord scheint es zunächst eine einfache Lösung zu geben. Sexualstraftäter werden vernommen, doch auch Krein gerät ins Visier der beiden Ermittler. Denn: Inka hat Hämatome am ganzen Körper, der Täter müsse "mindestens 100 Kilo" gewogen haben, mutmaßt der Pathologe. Lehrer Krein ist stark übergewichtig. Doch ist er der Typ, der einen Mord begeht?
Der "Polizeiruf" lässt das lange in der Schwebe, zeigt den Lehrer, dem das Drehbuch keinen Vornamen gönnt, als vereinsamten Menschen, der in einer Kuscheltierhölle wohnt. Aber eben auch als einen, der gerne kleine Mädchen halbnackt beim Planschen fotografiert. Die Szene, in der er Koitzsch sein Herz ausschüttet, ist eine der stärksten des Films; Sascha Nathan spielt das mit dem Schmerz eines verängstigten Teddybären. Die Szenen, in denen ein Mob vorgeblich hochanständiger Nachbarn ihn bedroht und verprügelt, sind fast nicht auszuhalten in ihrer Grausamkeit. Doch auch die Auflösung, die sich fast beiläufig ergibt, lässt einem ob ihrer Rohheit den Atem stocken. Unbedingt sehenswert.
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