ARD-Sonntagskrimi: Der Rostock-»Polizeiruf« im Schnellcheck

17 Dez 2023

Das Szenario:

Wenn der Schönheitschirurg selbst unters Messer kommt. In seinem Luxusapartment liegt tot mit Stichwunden am Arm und Zigarettenabdrücken im Gesicht ein Beauty-Doc, der für seinen Frauenhass bekannt war. Bei ihren Untersuchungen stoßen Profilerin König (Anneke Kim Sarnau) und Kollegin Böwe (Lina Beckmann) auf eine Familie, deren Tochter vor 15 Jahren verschwunden ist. Die Ermittlerinnen wühlen in der Vergangenheit der Familie – und müssen sich zum Teil selbst der eigenen Biografie stellen. Denn König trifft unvorbereitet ihren Vater wieder, den sie viele Jahrzehnte nicht gesehen hat.

Polizeiruf 110 - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

Der Clou:

Frauen im Fokus. Sarnau und Böwe entwickeln im dritten gemeinsamen Fall seit dem Abgang des von Charly Hübner verkörperten Kommissar Bukow eine starke Dynamik. Die Männer sind hier nur pittoresk drapierte Leichen oder Stichwortgeber, die mit ihrer Sidekickrolle nicht zurechtkommen. Allerdings geht die Konstruktion des doppelten Cold Case – vermisstes mögliches Missbrauchsopfer, verdrängte Geschichte der Kommissarin – nicht wirklich auf.

Szene mit Anneke Kim Sarnau: »Bist du die Pizza?«

Foto: Christine Schroeder / NDR

Der Song:

»Be a Hoe/Break a Hoe« von Shirin David feat. Kitty Kat . Der rabiate Hiphop-Track (»Breit gebaut, braun gebrannt, ich fick deine Hantelbank«) läuft, als König bei ihren Untersuchungen ein Abbruchhaus mit Kiffern aufsucht. »Bist du die Pizza?«, krakeelt die hungrige Meute, weil sie die Kommissarin für die gute Lieferando-Fee hält. Die zeigt, dass sie eher der böse Cop ist.

Das Bild:

Ledermännchen an Hundeleine. Kommissarin Böwe, inzwischen Teamleiterin in Rostock, befragt den Türsteher eines SM-Klubs, während eine Domina ihren dem Anlass gemäß verschnürten Sub durch den Eingang lenkt. Auf Einladung des Türstehers (»Eine Polizistin hatten wir schon lange nicht mehr hier«) geht Böwe für ein Getränk an die Bar – und bleibt offenbar die ganze Nacht. Im Büro ext sie am nächsten Morgen eine Selters.

Der Dialog:

Kripo-Handlanger Thiesler nervt Kommissariatsleiter Röder, weil er anstelle von Böwe selbst gern das Ermittlungsteam anführen würde. Die Figur Böwe ist im »Polizeiruf« verwandt mit ihrem Vorgänger Bukow – und Böwe-Darstellerin Beckmann ist im richtigen Leben verheiratet mit dem Bukow-Darsteller Hübner. Das folgende Zwiegespräch kann also auch als selbstironischer Kommentar auf die Besetzungspolitik bei der Krimireihe gelesen werden:

Thiesler: »Du hast die Böwe hergeholt, weil sie Saschas Schwester ist.«

Röder: »Halbschwester.«

Thiesler: »Sind wir ’ne scheiß Erbmonarchie? Bist du dem Typen noch irgendwas schuldig? Dieser ganze Abgang von Herrn Bukow, der stinkt zum Himmel!«

Röder: »Ich kenn Melly ewig, ich kann ihr vertrauen.«

Thiesler: »Und mir nicht, Henning? Nach 15 Jahren? Mir nicht?«

Röder: »Doch.«

Thiesler: »Aber was?«

Röder: »Aber nicht jede gute Nummer 2 ist eine gute Nummer 1.«

Die Bewertung:

6 von 10 Punkten. Der Plot wackelt, aber Sarnau und Beckmann spielen furios. Wer trotzdem noch Charly Hübner beim Rostocker »Polizeiruf« vermisst, schaut im Anschluss in der ARD-Mediathek die Ostwest-Weihnachts-Comedy »Das Fest der Liebe« , wo er einen Klempnermeister aus Meck-Pomm spielt.

Die Analyse:

Lesen Sie bitte hier weiter !

»Polizeiruf 110: Nur Gespenster«, Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste

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