"Letzte Generation": Razzia unter anderem in Hamburg und SH

24 Mai 2023

Stand: 24.05.2023 10:39 Uhr

Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft sind am Morgen gegen Mitglieder der "Letzten Generation" vorgegangen. In sieben Bundesländern durchsuchten sie Räume der Klima-Aktivisten - darunter war jeweils ein Objekt in Hamburg und im Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein.

Insgesamt wurden ab etwa 7 Uhr 15 Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft und das Bayerische Landeskriminalamt heute früh mitteilten. Hintergrund sind den Behörden zufolge zahlreiche Strafanzeigen gegen die "Letzte Generation" seit Mitte des vergangenen Jahres. Der Tatvorwurf gegen die insgesamt sieben Beschuldigten zwischen 22 und 38 Jahren lautet Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Festnahmen gab es bei der Aktion den Angaben zufolge keine.

1,4 Millionen Euro bei Spendenkampagne eingesammelt?

Zentraler Vorwurf gegen die Beschuldigten ist, dass sie eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die "Letzte Generation" organisiert und so mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben sollen. Das Geld sei nach bisherigen Erkenntnissen "überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten" eingesetzt worden. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Wie viel davon beschlagnahmt wurde, teilte die Polizei nicht mit. Ziel der Durchsuchungen sei auch "das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur" gewesen.

Zwei der Verdächtigen sollen zudem im April 2022 versucht haben, die Öl-Pipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren.

AUDIO: "Letzte Generation": Laut LKA Durchsuchungen in sieben Bundesländern (2 Min)

Scharfe Kritik von Klima-Aktivisten

Klimaschutzaktivisten reagierten mit scharfer Kritik. Die Gruppe "Ende Gelände" kritisierte auf Twitter, Razzien gebe es bei denen, "die vor der Klimakrise warnen, und nicht bei denen, die dafür verantwortlich sind". Die "Letzte Generation" selbst fragte auf Twitter, wann Lobbystrukturen durchsucht und "fossile Gelder der Regierung" beschlagnahmt würden.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte die Durchsuchungen. "Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates", sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich ähnlich. Der Rechtsstaat setze ein klares Zeichen gegen diejenigen, die die Demokratie diskreditieren und die Gesellschaft spalten wollten, hieß es in einer Mitteilung. "Aus unserer Sicht erfüllt die Letzte Generation längst die Charakteristika einer kriminellen Vereinigung". Es sei konsequent, genau hinzuschauen, "wo das Geld zur Finanzierung der Straftaten herkommt", schrieb die GdP.

Wer ist die "Letzte Generation"?

Die "Letzte Generation" ist ein Bündnis von Aktivisten aus der Umweltschutzbewegung. Die Gruppe entstand nach einem Klima-Hungerstreik in Berlin im Jahr 2021 und setzt sich vor allem durch Mittel des zivilen Ungehorsams für ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Klimawandel ein. Die derzeitigen Forderungen sind Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr. Bei ihren Protestaktionen blockieren die Aktivisten Straßen und Autobahnen, besetzen Pipelines oder beeinträchtigen den Betrieb von Museen und Sportveranstaltungen. Der Name der Gruppierung soll verdeutlichen, dass die Aktivisten die letzte Generation sei, die entscheidende Maßnahmen gegen einen drohenden Klimakollaps vornehmen könnte. Der Gruppe wird von Kritikern vorgeworfen, mit ihren Protestformen ihrem Anliegen zu schaden und teilweise auch Menschenleben zu gefährden.

170 Beamte durchsuchen insgesamt 15 Objekte

Neben den zwei Räumlichkeiten in Hamburg und Schleswig-Holstein waren weitere Objekte in Hessen (3), Sachsen-Anhalt (1), Sachsen (2), Bayern (3), Berlin (4). Außerdem wurde auf Anweisung der Staatsanwaltschaft die Homepage der Gruppe beschlagnahmt und abgeschaltet, wie ein Polizeisprecher sagte. Zudem wurden Konten beschlagnahmt und Vermögenswerte gesichert.

Laut Polizei waren bundesweit bei den Razzien etwa 170 Beamte im Einsatz. Die Durchsuchungen verliefen ersten Informationen nach friedlich.

Kanzler Scholz: Aktionen der Gruppe "völlig bekloppt"

Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München betonte, dass die heutige Razzia nicht bedeute, dass man die "Letzte Generation" als extremistisch oder terroristisch einstufe. "Wir gehen nach jetzigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt", sagte der Sprecher. Das wolle man gerichtlich prüfen lassen. Das Landgericht Potsdam hatte zuletzt bereits einen Anfangsverdacht gesehen, dass es sich bei der Gruppe um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte.

In dieser Woche äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) extrem kritisch, die Anklebe-Aktionen der "Letzten Generation" nannte er "völlig bekloppt". Für diese Äußerung wurde er von Klimaschützerinnen und Klimaschützern scharf kritisiert.

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Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" haben ihre Hände zusammengeklebt, um eine Straße  zu blockieren. © Bernd Thissen/dpa

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Nachrichten | 24.05.2023 | 09:00 Uhr

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