AfD in Talkshows bei Illner und Miosga: Wer entzaubert Tino ...

Chrupalla

So schlecht war Caren Miosgas Gesprächsführung gar nicht, als sie letzten Sonntag mit Tino Chrupalla redete. Ganz schnell schien es nach der Sendung Einigkeit zu geben: zu zahm, zu freundlich, zu höflich sei die Moderatorin mit dem AfD-Bundessprecher umgegangen. Nachdem Chrupalla nun auch bei Maybrit Illner war, wusste man es besser. Was die Agenturen meldeten, hätten sie auch schon letzten Sonntag melden können: Die Partei werde „klare Konsequenzen“ ziehen, sollten sich die Verdachtsmomente gegen Maximilian Krah und Petr Bystron bestätigen. Bei Miosga, die ihren Gast „als Erwachsenen“ nahm, war Chrupalla sogar noch deutlicher geworden: In diesem Fall gehörten die beiden Spitzenleute für die Europawahl aus der Partei „entfernt“. Miosga ließ es fürs erste dabei bewenden – hätte sie den staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa vorgreifen sollen?

Der eigenen Selbstgefälligkeit erlegen

Chrupalla bekam bei ihr keine Gelegenheit, sich als Opfer zu inszenieren. Genau dies geschah bei Illner. Stereotyp wurde der AfD-Mann in der Runde getriezt, als lägen die Beweise gegen Krah und Bystron schon vor, was bis dahin nicht der Fall war. Der eigenen Selbstgefälligkeit erlegen ritt man auf dem erheblichen Verdacht herum, bevor ein Richter geurteilt hat. So, in dieser frei gewählten Beschränkung der Auseinandersetzung, im Ausblenden der politischen Tiefengrammatik von Krah, Bystron & Co. konnte Chrupalla ein ums andere mal die auftrumpfende Nachlässigkeit seiner Kritiker parieren: mit dem Hinweis auf die Unschuldsvermutung bei gleichzeitiger Ankündigung von Konsequenzen im Beweisfall.

Nur eine Person in der Runde schien Chrupallas Heimspiel zu bemerken: Die Schriftstellerin Juli Zeh, die an anderer Stelle der Sendung von einem „bescheuerten Framing“ sprach, meinte, was nun hängenbleibe, seien ja wohl die beiden Begriffe Unschuldsvermutung und Konsequenzen. Ob nicht die verfehlten Prämissen der AfD-Europapolitik ins Zentrum der Debatte bei Illner gehörten, um die Partei mit einer sachhaltigen Auseinandersetzung zu blamieren?

Aber dafür agierte man zu oberflächlich, auch ein rhetorisch mächtig fuchtelnder Armin Laschet erwies sich nicht als Typus, um Chrupalla zu entzaubern. Der habe ja Zettelchen, auf denen seine dummen Sprüche draufstünden, meinte ein verdutzter Laschet nur, als ihm der AfD-Mann frech vorhielt, er, Laschet, habe ja keine Angst um die Demokratie, sondern vor der Demokratie – also vor den Wählerstimmen. Wo habe ich einen Zettel, sehen Sie Zettel bei mir? Na ja, Sie haben den Zettel eben auswendig gelernt, druckste Laschet. Immerhin, entgegnete Chrupalla, im Gegensatz zu Ihnen.

Wie kommt’s, dass ein AfD-Politiker ungehindert in die rhetorische Trickkiste greift, ob billig oder subtil, nur weil man auch in dieser Runde meint, so jemanden nicht erst nehmen zu müssen?

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