Razzia gegen "Reichsbürger" in Reutlingen: Bundesanwaltschaft ...

22 Mär 2023
Reutlingen Reichsbürger-Razzia

Bei einer Razzia gegen einen "Reichsbürger" in Reutlingen wurde ein SEK-Beamter leicht verletzt. Innenminister Strobl warnte vor der Szene und kündigte konsequentes Vorgehen an.

Bei Durchsuchungen im "Reichsbürger"-Milieu ist am Mittwoch ein Polizist in Reutlingen durch einen Schuss leicht verletzt worden. Der Zustand des Beamten eines Spezialeinsatzkommandos ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) stabil. Der mutmaßliche Schütze wurde vorläufig festgenommen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn nun wegen mehrfachen versuchten Mordes. Der Mann habe die Polizisten im Wohnzimmer mit einer großkalibrigen Schusswaffe erwartet, dann sei es zu einem Schusswechsel gekommen, bei dem ein Polizist am Arm getroffen wurde, teilte die Karlsruher Behörde am Mittwochnachmittag mit.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) warnte bei einem Besuch des Tatorts vor der sogenannten Reichsbürger-Szene und kündigte weiteres konsequentes Vorgehen an. "Das sind staatsfeindliche, sehr gefährliche, gewaltbereite Leute, die auch eine hohe Waffenaffinität haben", sagte der CDU-Politiker.

Strobl bestätigte zudem einen Zusammenhang zwischen den bundesweiten Durchsuchungen am Mittwochmorgen und der Razzia im Dezember, bei der mehr als zwei Dutzend Männer und Frauen festgenommen worden waren. Eine sogenannte Besondere Aufbauorganisation (BAO) gehe bundesweit gegen die Szene der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" vor, sagte er. "Im Dezember ist da sozusagen die erste Welle gewesen und heute ist es die zweite Welle mit entsprechenden polizeilichen Maßnahmen."

Einsatzort im Stadtteil Ringelbach weiträumig abgesperrt

Der Einsatz in Reutlingen sei "mit höchster Professionalität" durchgeführt worden, lobte Strobl. Die Beamten hatten die Straßen rund um den Einsatzort im Stadtteil Ringelbach weiträumig abgesperrt. Weder Fahrzeuge noch Fußgängerinnen und Fußgänger kamen durch. In weiten Teilen des Stadtgebiets war die Polizei in Zivilfahrzeugen unterwegs.

Thomas Strobl sagte dem SWR: "Das war ein lebensgefährlicher Einsatz. Gott sei Dank ist der Kollege aber nicht lebensgefährlich verletzt. Das ist immer eine schlimme Sache, wenn ein Polizeibeamter durch eine Schussabgabe verletzt wird."

Mutmaßliche Schütze durfte Waffen besitzen

Laut Polizeipräsidium Reutlingen hatte die Bundesanwaltschaft den Einsatz organisiert. Das SEK wollte im Auftrag des Generalbundesanwalts im Ermittlungsverfahren gegen die sogenannte Gruppe Reuß die Wohnung einer bis dahin unverdächtigen Person in Reutlingen durchsuchen. Der mutmaßliche Schütze - bisher als Zeuge gesehen - soll die Erlaubnis haben, Waffen besitzen zu dürfen.

Anwohner durch Einsatz wegen "Reichsbürger" verunsichert

Laut SWR-Informationen sind viele Anwohnerinnen und Anwohner in dem betroffenen Wohngebiet verunsichert. Zeugen berichteten von mehreren Schüssen. Wie oft tatsächlich geschossen wurde, ist noch unklar.

„Reichsbürger“-Razzia: Polizist durch Schuss verletztAm Mittwochmorgen gab es Durchsuchungen bei "Reichsbürgern" in mehreren Bundesländern. In Reutlingen wurde dabei geschossen. Ein Polizeibeamter des Spezialeinsatzkommandos Baden-Württemberg wurde laut Polizei leicht verletzt. Unser Reporter Harry Röhrle war vor Ort:Posted by SWR Aktuell on Wednesday, March 22, 2023

Anfang Dezember hatte es eine groß angelegte Anti-Terror-Razzia gegen "Reichsbürger" in mehreren Bundesländern, Österreich und Italien gegeben. Damals waren 25 Männer und Frauen festgenommen worden. In diesem Verfahren ermittelte die Bundesanwaltschaft außerdem gegen 30 weitere Menschen. Es hatte immer geheißen, es sei nicht ausgeschlossen, dass im Laufe der Zeit mehr Beschuldigte hinzukommen.

Die neuen Durchsuchungen stehen damit im Zusammenhang. Wie die dpa erfuhr, waren unterschriebene Verschwiegenheitserklärungen, die bei der ersten Razzia entdeckt wurden, ein wichtiger Ausgangspunkt für den Einsatz am Mittwoch. Zu den Unterzeichnern gehörten nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden mehrere Waffenbesitzer.

Fünf weitere Beschuldigte in Deutschland und der Schweiz

Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gibt es nun fünf weitere Beschuldigte. Gegen sie bestehe der Verdacht der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Sie kommen aus Bayern, Niedersachsen, Sachsen und der Schweiz. Daneben wurden die Räumlichkeiten von 14 weiteren Personen durchsucht, die nicht als verdächtig gelten. Unter ihnen sind nach Informationen aus Sicherheitskreisen ein Polizist und ein Angehöriger der Bundeswehr. Weitere Festnahmen gab es laut Bundesanwaltschaft nicht.

"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Auch in Baden-Württemberg ist ihre Szene breit gefächert. Die Zahl der erfassten Anhängerinnen und Anhänger liegt nach Angaben des Landesamts für Verfassungsschutz bei etwa 3.800 - Tendenz steigend. Rund zehn Prozent stuft die Behörde als gewaltorientiert ein. Die Szene besteht überwiegend aus Einzelpersonen, die nicht oder nur lose in Organisationen eingebunden sind.

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