Frank-Walter Steinmeier in der Türkei: Auf einen Döner am Bosporus

6 Tage vor

Vor Ort

Türkei-Reise des Bundespräsidenten Am Spieß mit Steinmeier: Auf einen Berliner Döner am Bosporus

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schneidet einen Döner – unter Aufsicht des Berliner Gastronomen Arif Keles bei einem Empfang im Garten der historischen Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Istanbul

© Bernd von Jutrczenka / DPA

In Istanbul würdigt Frank-Walter Steinmeier die Verdienste der einstigen Gastarbeiter. Sie hätten aus Deutschland ein "Land mit Migrationshintergrund" gemacht. Der schwierige Teil der Reise kommt noch.

Von Fatma spricht Frank-Walter Steinmeier als erstes. Fatma, die einst als junge Frau hier auf dem Istanbuler Bahnhof Sirkeci stand, "zwischen ihren zitternden Beinen der Koffer", die wie Hunderttausende andere junge Türkinnen und Türken infolge des Gastarbeiterabkommens aufbrach ins ferne Almanya. Seit diesen Tagen sei dieser Bahnhof "ein Symbol für den Aufbruch ins Unbekannte", für eine Reise an dessen Ende erstmal "Heimweh, Entbehrung und Anstrengung" stand, sagt Steinmeier.

Heimweh und Entbehrung braucht der Bundespräsident auf seiner Türkeireise nicht zu befürchten. Anstrengend dürfte sie dennoch werden. Von einer schwierigen Reise in schwierigen Zeiten war zuvor aus dem Präsidialamt zu hören. Das klingt nach üblichen Floskeln, aber in diesem Fall beschreibt der Satz einfach die Realität. Es hat einen Grund, warum in seinen sieben Amtsjahren bisher immer mehr gegen eine Reise an den Bosporus gesprochen hat als dafür. Und dieser Grund trägt vor allem den Namen des türkischen Präsidenten: Recep Tayyip Erdoğan.

Darum darf, soll und muss gerne als Zeichen verstanden werden, dass der Bundespräsident den ersten Tag in der Türkei nicht in der Hauptstadt Ankara verbringt, sondern in der 16-Millionen-Metropole Istanbul. Das hat mit eben jenem Bahnhof Sirkeci zu tun, mit den deutschen Ein- und vor allem türkischen Auswanderern, die zusammen mit ihren Nachkommen inzwischen fast drei Millionen Menschen sind, die "ins Herz unserer Gesellschaft" gehören, wie Steinmeier sagt.

Steinmeier hat Christian Lindner mitgebracht – und einen Dönerspieß

"Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund" – und genau daran wolle er jetzt, so kurz vor dem 75. Jubiläum des Grundgesetzes erinnern.

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Um das zu untermauern ist er nicht allein in die Türkei gereist. Er hat Aydan Özoğuz dabei, die Vizepräsidentin des Bundestags, und die CDU-Politikerin Serap Güler, den Schauspieler Adnan Maral ("Türkisch für Anfänger"), Mustafa Tonguc, der sich ohne Schulabschluss von der Aushilfe zum Chef von DHL-Express hochgearbeitet hat – und einen 60 Kilo schweren Dönerspieß, der seit Tagen für viel Furore auch in türkischen Medien gesorgt hat. Es sei gerade so, als würde man selbst eine Kiste "Efes" ins Bierland Almanya mitnehmen, hieß es da.

Christian Lindner ist auch mitgekommen. Verreist nach Diktat gewissermaßen, nachdem er in seiner Eigenschaft als FDP-Chef am Wochenende in Berlin den Ampelpartnern einen kleinen Forderungskatalog hinterlassen hat, kümmert er sich nun in seiner Eigenschaft als Finanzminister um türkische Unternehmer, die unter mehrstelligen Inflationsraten leiden.

Apropos Politik. Auch Steinmeier verbindet mit dem Start in Istanbul ein höchst politisches Zeichen. Denn als ersten Politiker des Landes hat der Bundespräsident im historischen Bahnhofsrestaurant den Bürgermeister der Stadt getroffen. Ekrem İmamoğlu, erst im März bei den Kommunalwahlen eindrucksvoll im Amt bestätigt, ist inzwischen der größte Hoffnungsträger nicht nur seiner oppositionellen Partei CHP. Es gibt nicht wenige, die glauben, er könnte bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2028 auch dem Amtsinhaber gefährlich werden.

"Wer Istanbul regiert, der regiert die Türkei."

Den Wink mit Zaunpfahl dürfte Erdoğan auch ohne weitere Erklärung verstanden haben. Der türkische Präsident war in den 90er Jahren selbst vier Jahre lang Oberbürgermeister der Stadt. Aus dieser Zeit stammt sein berühmtes Zitat: "Wer Istanbul regiert, der regiert die Türkei."

Dass dessen Politik nicht alle Türken rundum falsch finden, konnte Steinmeier am Montag bereits selbst erleben. Kaum hatte er das Gespräch mit dem OB von Istanbul beendet, trat hinaus auf den sonnigen, weithin abgesperrten Bahnsteig, als plötzlich laute "Mörder Deutschland"-Rufe erklangen. Etwa zwei Dutzend Hamas-Sympathisanten hatten sich scheinbar spontan an einem benachbarten Gleis versammelt, jetzt riefen sie: "Kindermörder" und "Israel-Verbündeter verschwinde aus der Türkei". Es dauerte lange Minuten, bis türkische Sicherheitskräfte den Trupp zur Seite geräumt hatten.

Womöglich war es ein kleiner Vorgeschmack auf den anstrengenden Teil dieser Reise. Denn nach dem für morgen geplanten Besuch im Erdbebengebiet nahe der südtürkischen Stadt Gaziantep wird Steinmeier am Mittwoch seinen Amtskollegen treffen. Erdoğan, der das Land länger regiert, als Steinmeier das Schloss Bellevue bewohnt, tut dies seit dem gescheiterten Putsch von 2016 höchst autoritär. Er unterdrückt die Presse- und Meinungsfreiheit, behindert die Opposition, lässt Menschenrechtsaktivisten einsperren.

Auch in der Nahost-Krise spielt der türkische Herrscher bisher ein wenig hilfreiche Rolle, er griff Israels Regierung frontal an und stellte sich sonst demonstrativ an die Seite der Hamas. Erst am vergangenen Samstag hat Erdoğan sich in Istanbul mit Hamas-Chef Ismael Hanija getroffen, mit dabei der Außenminister und der Chef des Geheimdienstes.

Es gibt also ein paar Themen, die der Bundespräsident mit seinem türkischen Kollegen zu besprechen hat. Vielleicht wird es nicht ganz so laut wie in Istanbul, aber heftig werden dürfte es schon.

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