Italienischer Mafiaboss verhaftet: In der Privatklinik schlugen die ...

16 Jan 2023

Stand: 16.01.2023 17:00 Uhr

Er war an etlichen schweren Gewaltverbrechen beteiligt und 30 Jahre auf der Flucht: Nun ist Italiens meistgesuchter Mann, der sizilianische Mafiaboss Messina Denaro, gefasst worden - in einer Privatklinik in Palermo.

Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom

Freundlicher Auftritt, feines Italienisch, elegante Kleidung, meist trug er ein Seidentuch um den Hals. Der wegen mehrfachen Mordes verurteilte Mafia-Boss habe sich in der Klinik "La Maddalena" in Palermo wie ein Dandy präsentiert, berichten laut italienischen Medien einige aus dem Personal des privaten Krankenhauses.

Jörg Seisselberg

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Niemand habe Verdacht geschöpft bei dem Mann, der einen Personalausweis auf den Namen Andrea Bonafede vorlegte, in Wirklichkeit aber Matteo Messina Denaro heißt - und bis heute morgen 9:35 Uhr der meistgesuchte italienische Mafioso war.

Seit einem Jahr in Klinik wegen Krebs

Dann schlugen die Männer der Antimafia-Spezialeinheit ROS zu und Carabinieri-General Pasquale Angelosanto konnte stolz verkünden: "Sie haben den flüchtigen Matteo Messina Denaro verhaften können im Inneren einer Gesundheitseinrichtung, wo er sich hinbegeben hatte, um sich medizinischer Behandlung zu unterziehen."

Seit einem Jahr hat sich die Behandlung des Mafioso in der Palermitaner Klinik nach den Erkenntnissen der Ermittler hingezogen. An Leberkrebs sei Messina Denaro erkrankt, er habe sich einer Operation und einer Chemotherapie unterzogen. Dass ihn in den vergangenen Monaten niemand im Krankenhaus erkannt hat, ist nicht unplausibel. Das letzte, öffentlich bekannte Foto des Mafia-Bosses stammt vom Anfang der 1990er-Jahre.

Nähe zu Verwandten erleichterte Untertauchen

Bemerkenswert ist, dass der weltweit gesuchte Messina Denaro jetzt in Palermo aufgespürt wurde. Dort und im nur hundert Kilometer entfernten Trapani hatte er jahrelang seine kriminellen Geschäfte betrieben.

Mafia-Experte und Buchautor Enzo Ciconte aber wundert sich nicht, dass die Fahnder den Superboss nun sozusagen vor seiner Haustür verhaften konnten: "Das ist sein Zuhause. Hier sind die Verwandten, die Freunde. Es gibt einen sozialen Kontext, der das Untertauchen erleichtert." Als "normaler flüchtiger Krimineller" wäre er wahrscheinlich im Ausland untergetaucht. Aber ein untergetauchter Mafioso, erklärt Ciconte, "will weiter kommandieren. Um zu kommunizieren, braucht er dafür Menschen, die ihm nahestehen."

Netzwerk seiner Unterstützer wurde ihm zum Verhängnis

30 Jahre lang, die Hälfte seines Lebens, gelang es Messina Denaro auf diese Weise, den Antimafia-Jägerinnen und -Jägern zu entkommen. Schon die beiden anderen wichtigen italienischen Mafiabosse der vergangenen Jahrzehnte, Bernardo Provenzano und Totò Riina, wurden nach langer Flucht in Sizilien verhaftet. Das Netzwerk seiner Unterstützer ist Messina Denaro am Ende zum Verhängnis geworden.

Zur Festnahme kam es nicht aufgrund eines entscheidenden Hinweises, sondern weil die Fahnderinnen und Fahnder, nach dem Vorbild der Verhaftung Provenzanos, über Jahre hartnäckig die Spuren der Angehörigen und Freunde Messina Denaros verfolgten. Spuren, die irgendwann zu einer Privatklinik im Norden Palermos führten. Mehrere, die die Flucht des Mafiabosses unterstützt hatten, waren in den vergangenen Jahren bereits festgenommen worden. Jetzt gab es auch für Messina Denaro selbst kein Entkommen mehr.

Meloni gratulierte den Fahndern

Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella gratulierte den Fahndern zu ihrem Erfolg. Regierungschefin Giorgia Meloni reiste nach Palermo, um den Antimafia-Jägerinnen und -Jägern ihre Anerkennung auszusprechen. Sie sagte, es sei "ein Feiertag für alle anständigen Leute, für die Familien der Opfer der organisierten Kriminalität, für die vielen Männer und Frauen, die im Stillen 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr dem Kampf gegen die Mafia ihr Leben widmen".

Mehr als ein Dutzend schwerer Gewaltverbrechen

Messina Denaro war nach den Erkenntnissen der italienischen Justiz an mehr als einem Dutzend schwerer Gewaltverbrechen beteiligt. Unter anderem an der Ermordung der Staatsanwälte Falcone und Borsellino 1992. Auch am Fall des bei seiner Entführung zwölf Jahre alten Giuseppe Di Matteo soll er Anfang der 1990er-Jahre beteiligt gewesen sein. Der Körper des Jungen, Sohn eines Mafia-Aussteigers, wurde von seinen Peinigern in Säure aufgelöst. Der Fall hatte wegen seiner beispiellosen Brutalität international für Entsetzen gesorgt.

Messina Denaro ist in Abwesenheit bereits mehrfach wegen seiner Taten zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Nach der heutigen Festnahme, gegen die er sich nicht gewehrt haben soll, ist der Mafiaboss zunächst in eine Carabinieri-Kaserne gebracht worden. Danach sollte Messina Denaro in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt werden.

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