Wieso konnte sich Mafia-Boss Matteo Messina Denaro so lange ...

17 Jan 2023

Publiziert17. Januar 2023, 14:29

Verhaftung nach 30 Jahren «Pizzini» statt Handy – so blieb Mafia-Boss Matteo Messina Denaro unerkannt 

Es dauerte drei Jahrzehnte, bis die italienische Polizei Matteo Messina Denaro auf Sizilien verhaften konnte. Dabei war der untergetauchte Mafia-Boss gar nie weit weg gewesen. 

1 / 8

Obwohl dreissig Jahre lang untergetaucht, war Matteo Messina Denaro ein Mafia-Boss mit Kontakten und finanziellen Ressourcen. 

Obwohl dreissig Jahre lang untergetaucht, war Matteo Messina Denaro ein Mafia-Boss mit Kontakten und finanziellen Ressourcen. 

via REUTERS

Laut Staatsanwaltschaft trug er bei seiner Verhaftung mehrere Luxusaccessoires wie eine 35’000 Franken teure Uhr.

Laut Staatsanwaltschaft trug er bei seiner Verhaftung mehrere Luxusaccessoires wie eine 35’000 Franken teure Uhr.

via REUTERS

Seine Verhaftung fiel fast auf den Tag genau auf den 30. Jahrestag der Festnahme von Totò Riina, der seit den 1970er-Jahren über die sizilianische Mafia geherrscht hatte.

Seine Verhaftung fiel fast auf den Tag genau auf den 30. Jahrestag der Festnahme von Totò Riina, der seit den 1970er-Jahren über die sizilianische Mafia geherrscht hatte.

via REUTERS

Darum gehts

Italiens meistgesuchter Mafioso ist der Polizei ins Netz gegangen – nach dreissig Jahren. 

Matteo Messina Denaro war nach einer Reihe schlimmster Verbrechen 1993 untergetaucht. 

Mehrere Faktoren trugen dazu bei, dass er sich so lange erfolgreich verstecken konnte.

Neben der Loyalität der Einwohner, seinem Reichtum und seinen Kontakten half es auch, dass Denaro eine Mischung zwischen alter und moderner Mafia war. 

Matteo Messina Denaro war eine der letzten Führungsfiguren der Cosa Nostra, die noch auf freiem Fuss sind.  Nun, nach drei Jahrzehnten auf der Flucht, ist Italiens meistgesuchter Mafia-Boss in einer Privatklinik der sizilianischen Hauptstadt Palermo verhaftet worden. 

Wer ist Messina Denaro, bekannt für seinen Reichtum und seine Vorliebe für schnelle Autos und schöne Frauen? Und wie gelang es ihm, sich dreissig Jahre lang zu verstecken? 

Seinen ersten Mord beging Messina Denaro mit 18 Jahren. Er war auch an einem der grausamsten Verbrechen des Corleone-Clans beteiligt: der Entführung und Ermordung des elfjährigen Giuseppe di Matteo, des Sohnes eines Mafioso, der die Mafia an die Staatsanwaltschaft verraten hatte.

Bub angekettet und in Säure aufgelöst

Zwei Jahre lang wurde das Kind an verschiedenen Orten im Westen Siziliens angekettet gefangen gehalten. So sollte Druck auf den Vater ausgeübt werden, seine Aussagen zu widerrufen. Der Bub wurde letztlich erwürgt und sein Körper in Säure aufgelöst.

Zudem war Denaro 1993 in Mafia-Anschläge in Rom, Mailand und Florenz verwickelt, bei denen insgesamt zehn Menschen getötet wurden. Nur kurz zuvor hatte die Cosa Nostra die Anti-Mafia-Richter Falcone und Paolo Borsellino ermordet. Er könne mit den Menschen, die er eigenhändig getötet habe, «einen ganzen Friedhof füllen», prahlte Denaro einst.

Loyalität der Einwohner als Schutz

1993 tauchte er unter – blieb aber auf Sizilien. «Wenn man fragte, wo Matteo Messina Denaro ist, sagten die Leute, er sei entweder tot oder in der Provinz Trapani», sagt Giacomo di Girolamo, Autor einer Biografie über Denaro, dem britischen «Guardian».

«Er gehörte nicht zu den Mafiosi, die ins Ausland gingen, nach Brasilien oder Nordeuropa. Er hatte es nicht nötig, sich einen Bunker zu bauen wie die Köpfe der 'Ndrangheta in Kalabrien. Er war in seinem Territorium geschützt.» Tatsächlich war es vor allem die Loyalität der Einwohner der Stadt Castelvetrano und der Provinz Trapani, die Denaro so lange vor einer Festnahme bewahrte.

«Pizzini» für die Kommunikation

Seit der Jahrtausendwende hatten die Ermittler versucht, Denaro mithilfe von Festnahmen in seinem Umfeld und Beschlagnahmungen zu isolieren. 2015 entdeckten sie, dass er auf moderne Kommunikationsmittel verzichtete, um keine Spuren zu hinterlassen. Stattdessen bediente er sich der uralten Mafia-Methode der «Pizzini» – verschlüsselte Botschaften auf einem kleinen Stück Papier, um seinen Schergen Anweisungen zu geben.

Denaros wichtigste Stärke war jedoch seine Verbindung zur «Grauzone», wo das organisierte Verbrechen mit Politik und Wirtschaft koexistiert. Das zeigt auch sein immenser Reichtum, der aus seinen Investitionen in den Bereichen Energie und Abfall stammte. Dabei war es Denaro gelungen, die lokalen Behörden zu infiltrieren und die Kontrolle über wichtige Bauaufträge zu erlangen. 

Mischung aus alter und neuer Mafia

Der untergetauchte Sizilianer galt als eine Mischung aus der alten und der neuen Mafia. «Wie die alten Mafiosi sieht er die Mafia als einen übergeordneten Staat, an dem nur jene beteiligt sind, die der Ehre würdig sind», so eine ehemalige Richterin und Mitglied der Direzione Nationale Antimafia (DNA), die Denaro seit Jahrzehnten auf den Fersen war. «Er lässt nur diejenigen herein, die ihm nahestehen. Aber er ist auch modern – ein gieriger, rücksichtsloser Geldmacher, der sich auf jedes Geschäft einlässt, das ihm Gewinn bringt.»

Denaro-Biograf Di Girolamo ergänzt: «Er war nicht verheiratet, aber hatte ein Kind mit seiner Partnerin. Das wäre für einen Mafia-Boss alten Stils undenkbar gewesen. Und während die alten Bosse an den Riten und Insignien der Religion hingen, bekannte er sich als Agnostiker, wenn nicht gar als Atheist.»

Im Laufe der Jahre waren Hunderte von Polizisten an der Suche nach Denaro beteiligt. Für sie dürfte es eine riesige Genugtuung sein, dass dieser den Beamten der Anti-Mafia-Polizei in die Hände fiel – in der Klinik La Maddalena, in der er sich wegen eines Dickdarm-Tumors regelmässig behandeln liess. 

Staatspräsident Sergio Mattarella beglückwünschte die Sicherheitskräfte zu ihrem Erfolg. Mattarella ist selbst Sizilianer. Sein Bruder Piersanti war 1980 als damaliger Präsident der Region Sizilien von der Mafia ermordet worden.

Keine News mehr verpassen

Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.

(gux)

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche