Mafia-Boss festgenommen: Geschützt von der Familie

Am Tag nach der Verhaftung des Cosa-Nostra-Paten Matteo Messina Denaro in einer Privatklinik in Palermo setzten die Strafverfolger ihre Er­mittlungen am Dienstag fort. Schon am späten Montagabend wurde das Versteck gefunden, in dem der krebskranke Mafiaboss zuletzt gelebt hatte. Dabei handelt es sich um ein unscheinbares zweistöckiges Haus in dem Städtchen Campobello di Mazara in der westsizilianischen Provinz Trapani, das nur sieben Kilometer von Messina Denaros Geburtsort Castelve­trano entfernt liegt. In dem Haus konnten zwar teure Uhren sowie Designerkleidung, aber keine Waffen und auch keine für weitere Ermittlungen relevante Unterlagen sichergestellt werden.

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Matteo Messina Denaro gilt zwar als einer der letzten Vertreter der Mafia­paten „alter Schule“. Er war aber, anders als die berüchtigten „Bosse der Bosse“ Bernardo Provenzano und Totò Riina, die 2016 beziehungsweise 2017 jeweils hochbetagt im Gefängnis starben, nicht verheiratet, sondern hatte wechselnde Partnerinnen. Anders als Provenzano und Riina, die sich als gläubige oder wenigstens als praktizierende Katholiken gaben, bezeichnet sich Messina Denaro als Atheist.

In dem Haus in Campobello di Mazara lebte der 60 Jahre alte Mafioso unter dem falschen Namen Andrea Bonafede, unter welchem er sich seit November 2020 we­gen eines Lebertumors in Palermo hatte behandeln lassen. Den falschen Namen und die falsche Identität samt Personalausweis und Steuernummer hatte sich Messina Denaro vom Neffen des eins­tigen Mafiabosses Nardo Bonafede „ge­liehen“. Nardo Bonafede, der 2020 im Al­ter von 88 Jahren in Haft starb, war Pate des Cosa-Nostra-Clans aus Campobello, der mit dem von Francesco Messina Denaro – dem Vater von Matteo Messina Denaro – geführten Clan aus dem Nachbarort Castelvetrano zu kooperieren pflegte. Matteo Messina Denaros Mutter und Schwester leben bis heute im Haus der Familie in Castelvetrano.

Dass Matteo Messina Denaro offenbar drei Jahrzehnte lang in der unmittelbaren Umgebung seines Geburtsortes leben konnte – und das unter dem falschen Na­men des Neffen eines verurteilten Mafia-Bosses –, macht deutlich, dass die betreffenden Clans in ihren jeweiligen „Stammsitzen“ noch immer über großen Einfluss verfügen. Die Bosse der Mafiaclans können sich darauf verlassen, dass sich die Leute innerhalb wie außerhalb der „Familie“ ans Gesetz der Omertà halten.

Abgehörte Telefongespräche legten die Spur

Nach Medienberichten kamen die Er­mittler Messina Denaro vor allem wegen dessen Tumorerkrankung auf die Schliche. Aus abgehörten Telefongesprächen von Familienmitgliedern des Cosa-Nostra-Bosses wussten die Strafverfolger, dass Messina Denaro an einem Leber­tumor litt. Eine Durchleuchtung des na­tionalen Registers von Patienten mit Le­berkrebs und die Abgleichung von deren Daten mit Alter und Herkunft Messina Denaros ergab, dass es sich bei dem sizilianischen Patienten mit dem Namen Andrea Bonafede um den gesuchten Ma­fiaboss handeln könnte. Am Tag der Operation des Patienten dieses Namens in Palermo vom November 2020 gab es Handysignale des richtigen Andrea Bo­na­fede in Campobello di Mazara. Die Auswertung der Aufnahmen von Überwachungskameras aus dem Ort ergab schließlich, dass der richtige Andrea Bo­nafede zum Zeitpunkt der Operation des Mannes mit diesem (falschen) Namen in Palermo stattdessen in Campobello seinen Hund ausführte. Bisher wird nach Medienberichten gegen den richtigen Andrea Bonafede aus Campobello nicht ermittelt.

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