TV-Doku über umstrittenen Altkanzler: Ein Blick in Gerhard ...

3 Apr 2024
TV-Doku über umstrittenen Altkanzler Ein Blick in Gerhard Schröders Welt

Gerhard Schröder feiert seinen 80. Geburtstag. Ein TV-Team hat den Altkanzler monatelang begleitet. Der Film zeigt einen Mann, der nur eine Wahrheit kennt – seine eigene.

Gerhard Schröder - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

03.04.2024, 10.33 Uhr

Gerhard Schröder, Soyeon Schröder-Kim: »Das sind eben armselige Leute«

Foto: Sven Wettengel / NDR

Ob er sich isoliert fühle, fragt der Reporter Gerhard Schröder gleich zu Beginn des Films. »Überhaupt nicht«, beteuert Schröder. Gut, da sei die Ablehnung durch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, durch einige Parteifunktionäre vielleicht. Die seien aber nicht bedeutend. Und die Bundestagsfraktion, die ihm sein Büro im Bundestag gestrichen hat? »Das sind eben armselige Leute«, sagt Schröder.

Am Sonntag wird Gerhard Schröder 80 Jahre alt. Er war SPD-Vorsitzender, Ministerpräsident in Niedersachsen, von 1998 bis 2005 Bundeskanzler. Nach seiner politischen Karriere wurde Schröder Lobbyist für russische Staatskonzerne. Auch nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine sagte er sich nicht von seinem Freund los, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

In Deutschland und in weiten Teilen der SPD ist er damit zum Paria geworden, zur Unperson. Basisverbände der Partei strengten ein Ausschlussverfahren gegen Schröder an, das im Mai 2023 letztinstanzlich scheiterte.

Der NDR-Reporter Lucas Stratmann hat den Altkanzler mehrere Monate begleitet. Er ist mit ihm auf den Golfplatz gegangen, in die Elbphilharmonie und auf eine China-Reise. Entstanden ist daraus der Film »Außer Dienst? Die Gerhard-Schröder-Story«. Die Doku zeigt in knapp 60 Minuten Schröders Sicht, lässt ihm einigen Raum, ohne dabei unterwürfig zu sein.

Stratmann, der 2021 mit Katharina Schiele eine vielbeachtete Langzeitbeobachtung von Kevin Kühnert lieferte, schafft es, dass Schröder sich selbst entlarvt. Der Sozialdemokrat lebt in seiner eigenen Welt. In einer Welt, in der er immer noch auf dem richtigen Kurs unterwegs ist. Und alle Kritiker die Geisterfahrer sind. Oder in seinen Worten: »armselige Leute«.

Gerhard Schröder - Figure 2
Foto DER SPIEGEL

Er habe sein Leben lang mit Kritik gelebt und sich nie groß beeindrucken lassen, sagt Schröder. »Das ist mein Leben und nicht das anderer.« Er sieht zufrieden aus. Und fit.

Golfer Schröder: Zufrieden und fit

Foto: Lucas Stratmann / NDR

Hin und wieder ertappt man sich dabei, wie dieser Schröder einen in seinen Bann zieht. Ein gewisses Charisma hat er unbestreitbar, auch eine Chuzpe. Schröder ließ sich nie unterkriegen. Weder vom politischen Gegner noch von der eigenen Partei. Dann wiederum lässt er einen fassungslos zurück, wenn er behauptet, in Russland gebe es doch freie Wahlen. Seine Prognose, Putin werde aus dem Land schon eine ordentliche Demokratie machen, sei zwar nicht eingetroffen, gibt Schröder zu. Aber: »Es gibt freie Wahlen, das kann man nicht bestreiten«, behauptet er.

Dass Putin jede ernsthafte Opposition gnadenlos ausschaltet, wischt der Altkanzler vom Tisch, als handele es sich um eine Lappalie.

Willkommen in Schröders Welt. Die bringt einem der Film auch bei einer Reise nach China näher. Ein Wirtschaftsverband hat Schröder drei Tage in die Volksrepublik eingeladen. Er hält Vorträge vor Unternehmen und bekommt eine Ehrendoktorwürde verliehen. Stolz erzählt er von seinem Ehrentitel: Als »alten Freund des chinesischen Volkes« begrüßten die Chinesen ihn.

Kühnert ist für ihn »ein armer Wicht«

Für Außenministerin Annalena Baerbock hat Schröder wiederum nur herablassende Worte übrig. Mit Blick auf die Grünenpolitikerin spricht er von »einer schrecklichen Fehlentwicklung, was da an Porzellan zerschlagen wird«. Er halte es für »überflüssig«, wenn Baerbock den chinesischen Präsidenten Xi Jinping als Diktator bezeichne. Man könne das ja meinen, aber als deutsche Außenministerin sage man so etwas nicht öffentlich, findet Schröder. »Das hat auch mit Professionalität zu tun, und die ist offenkundig im Auswärtigen Amt gegenwärtig eher unterentwickelt.«

Ähnlich abwertend äußert er sich über Kühnert. Der Generalsekretär seiner Partei scheint für Schröder für alles zu stehen, was falsch läuft in dieser komischen Parallelwelt, in der man ihn nicht für einen Helden und aufrechten Sozialdemokraten hält. Auf der Webseite der SPD gibt es die Rubrik »Große Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten« der Geschichte. Schröder taucht dort nicht mehr auf. Als treibende Kraft hinter dieser Entscheidung vermutet er Kühnert. »Ein armer Wicht« sei der, sagt Schröder.

Die SPD hat ihm viel verziehen. Unter der umstrittenen Agenda 2010 und dem Hartz-IV-Trauma hatten Nachfolger an der Parteispitze wie Kurt Beck, Sigmar Gabriel und Andrea Nahles mehr zu leiden als er. Doch mit seiner sturen Treue zu Putin trotz dessen brutalen Angriffskriegs hat Schröder sein Erbe zerstört. In seiner eigenen Welt kommt davon nichts an.

Sendetermine: ARD-Mediathek ab Mittwoch, 3. April; in der ARD läuft der Film am 8. April um 21 Uhr.

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