Champions League der Frauen: „Ich kann das gar nicht fassen“

Wolfsburg-Frauen

Als sie den Moment schildern sollte, den sie vermutlich nie vergessen wird, suchte sie Worte – und fand dann diese: „Ich habe das Ding einfach irgendwie über die Linie geschoben und kann das gar nicht fassen“, sagte Pauline Bremer. In der Fußballmannschaft des VfL Wolfsburg spielt sie eher eine Nebenrolle. An diesem Champions-League-Abend in London aber, als sich das Spiel gegen den FC Arsenal einem Elfmeterschießen näherte, schlüpfte die eingewechselte Offensivspielerin in die Hauptrolle.

Vorlage von Jule Brand, Siegtreffer durch Bremer in der 119. Minute: Finale! Die Wolfsburgerinnen ließen dem 2:2 im Hinspiel einen 3:2-Sieg nach Verlängerung folgen. Die Torschützin nannte die Partie in London eine Achterbahnfahrt, die nun noch eine Extrarunde erfährt – am 3. Juni in Eindhoven: Dort trifft Bremer mit ihrer Mannschaft im Finale auf den FC Barcelona.

Feiner Unterschied zwischen den Teams

Wer weiß, wie die Achterbahnfahrt zu Ende gegangen wäre, wenn Arsenal-Kapitänin Katie McCabe in der zweiten Halbzeit der Verlängerung nicht die Latte, sondern ins Tor getroffen hätte. „Für die Zuschauer“, sagte Wolfsburgs Mittelfeldspielerin Jill Roord, „war das ein überragendes Spiel.“ Und es waren viele Menschen da, die das erleben durften: 60.053 Menschen, so viele wie noch nie bei einem Klubspiel einer Frauenmannschaft in England.

Der feine Unterschied zwischen zwei nahezu gleich starken Mannschaften wurde während der Verlängerung sichtbar. Als immer mehr Spielerinnen aus London von Krämpfen geplagt wurden, hatte der VfL Wolfsburg ein wenig mehr zu bieten, auch weil dort Spielerinnen wie Brand und Bremer eingewechselt werden konnten. Für die Bundesliga ist der Kader fast schon zu gut besetzt. An diesem Montagabend aber erhielt die Vereinsführung in Wolfsburg wieder gute Argumente, warum sie sich so viele Spitzenspielerinnen leistet.

Die Stimmung in der ausverkauften Arena in London ließ sich als begeisternd und selten unfair beschreiben. Der frühen Führung der Engländerinnen durch ein Tor von Stina Blackstenius hatten die Wolfsburgerinnen den Ausgleich von Roord und ein Kopfballtor der unermüdlichen Alexandra Popp folgen lassen, ehe Jennifer Beattie mit dem 2:2 noch eine Verlängerung erzwang. Sich auf dem Platz über Details oder taktische Anweisungen auszutauschen, war vor lauter Applaus und Gejohle kaum möglich.

„Ich persönlich finde es ganz geil, wenn fast das ganze Stadion gegen dich ist“, sagte Popp später. Im Hinspiel hatte die Torjägerin wegen einer Verletzung gefehlt. In London gab sie ihrer Mannschaft Halt und Hoffnung. „Poppi hat die Gabe, ein Spiel auf Mentalitätsebene zu lesen. Sie ist ein wichtiger Faktor und Stabilisator“, sagte VfL-Cheftrainer Tommy Stroot.

Während sich die Spielerinnen nach dem Abpfiff vor allem auf Torschützin Bremer stürzten, um sich für den entscheidenden Treffer zu bedanken, blieb Stroot seinem Ruf als sachlicher Analytiker treu. „Ich habe es genossen, wie die Spielerinnen gejubelt haben. Aber wir haben noch ein Final zu spielen. Und ich bin noch nicht fertig“, sagte der 34-Jährige.

Unter der Regie von Stroot und dank der Grundlagenarbeit des Sportdirektors Ralf Kellermann, der bis 2017 selbst Trainer der Mannschaft war, haben es die „Wölfinnen“ geschafft, sich international weiterzuentwickeln und an Charakter zu gewinnen. Die Art und Weise, mit der die von der TSG Hoffenheim geholte Brand den entscheidenden Fehler von Arsenal erzwang, war durch Mut und Fitness zu erklären. Als die Spielerinnen aus London nicht mehr zulegen konnten, suchten und fanden die aus Wolfsburg die Entscheidung.

Die Furcht vor dem FC Barcelona, an dem die Wolfsburgerinnen im Vorjahr im Halbfinale gescheitert waren, hält sich in Grenzen. Im Gegenteil. Mit Blick auf das Finale in Eindhoven sind forsche Töne zu hören. „Wir sind ein Gegner, der auch Barça wehtun kann“, sagte Trainer Stroot. Und seine Ausnahmekönnerin Popp fügte an: „Ich finde, wir haben unsere ganze Qualität noch gar nicht ausgespielt.“

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