Schweden wird NATO-Mitglied: Glücklich über das Ende der ...

Es war ein überaus glücklicher schwedischer Ministerpräsident, der nach einem langen Tag in Vilnius vor seinem Hotel ankam. Fotos zeigen einen befreit lachenden Ulf Kristersson, umgeben von ebenfalls strahlenden Mitarbeitern. Schweden wird NATO-Mitglied, damit gehen rund 200 Jahre Bündnisfreiheit zu Ende. Kristersson, seit Oktober 2022 im Amt, hat das wichtigste außenpolitische Ziel seiner Regierung umgesetzt und bis zum Ende nicht die Geduld mit den türkischen Verhandlungspartnern verloren. Er sei sehr glücklich, dies sei ein guter Tag für Schweden, sagte Kristersson am Montagabend.

Julian Staib

Politischer Korrespondent für Norddeutschland und Skandinavien mit Sitz in Hamburg.

Mit der Zustimmung Erdogans geht für Schweden mehr als ein Jahr des immer wieder bangen Wartens zu Ende. Nach dem Antrag auf NATO-Mitgliedschaft im Mai 2022 war man in Stockholm von einem raschen Beitritt ausgegangen, stattdessen wurde die schwedische Regierung immer wieder getrieben vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dessen oftmals unerfüllbaren Forderungen. So hatte Erdogan zwischenzeitlich unter anderem die Auslieferung von rund 130 „Terroristen“ mit angeblichen Bezügen zur PKK oder Gülen-Bewegung verlangt, von denen viele aber schwedische Staatsbürger sind. Von „Basarverhandlungen“ war in Stockholm die Rede. Man sah sich allein im Ringen mit einem erratischen Verhandlungspartner.

Der Inhalt des „Sicherheitspakets“ scheint diffus

Schweden war der Türkei weit entgegengekommen, hatte im Rahmen eines trilateralen Memorandums, das auch Finnland unterzeichnet hat, Zugeständnisse gemacht. Es hat etwa ein Verbot der Waffenexporte an die Türkei aufgehoben, die Auslieferung von Personen geprüft und die eigene Terrorgesetzgebung verschärft – auf Grundlage dessen wurde kürzlich auch ein Mann mit angeblichen PKK-Bezügen an die Türkei ausgeliefert. Doch all das reichte lange nicht. Erdogan erhob immer wieder neue Forderungen, zeigte sich erbost nach wiederholten Koranverbrennungen in Schweden.

Vor dem Treffen am Montag in Vilnius hatte sich die schwedische Regierung in dem Prozess zurückgenommen, wohl auch aufgrund der Einsicht, diesen nicht mehr selbst beeinflussen zu können. Von einer Rolle als „interessierter Beobachter“ war in schwedischen Medien die Rede. Vergangene Woche war Kristersson nach Washington gereist, wo ihm Präsident Joe Biden versichert hatte, Schwedens NATO-Mitgliedschaft voll und ganz zu unterstützen. Der Druck der Amerikaner dürfte Erdogan zum „Schwitzen“ und am Ende zum Einlenken gebracht haben, lautet nun die schwedische Lesart.

Die am Montagabend bekannt gewordenen Zugeständnisse Schwedens dienen demnach vor allem der Gesichtswahrung Erdogans. Denn der Inhalt des nun zwischen Schweden und der Türkei vereinbarten „Sicherheitspakts“ zum Kampf gegen Terrorismus scheint recht diffus. Laut NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird dafür nun eine „Road Map“ erarbeitet. Jährlich soll es Ministertreffen und Arbeitsgruppen geben, auch verspricht Schweden, kurdische Organisationen wie die Terrororganisation PKK nicht zu unterstützen. Inhaltlich neu ist das alles aber nicht. Stoltenberg hatte am Montagabend auf die Frage, was zur Veränderung der Meinung der Verhandlungspartner geführt habe, geantwortet, darum gehe es gar nicht, die nun erzielte Einigung baue auf die Vereinbarung auf, die man vor einem Jahr unterzeichnet habe.

Schwedens Ministerpräsident Kristersson betonte denn auch, dass sein Land keine weiteren Verpflichtungen eingegangen sei, sondern lediglich die volle Erfüllung des beim NATO-Gipfel im Vorjahr mit der Türkei und Finnland beschlossenen Abkommens zugesagt habe.

Unklar ist, wann genau Schweden nun NATO-Mitglied wird. Davor müssen dem noch das türkische und das ungarische Parlament zustimmen. Er wolle nicht darüber spekulieren, wie schnell die Ratifizierung dauern werde, sagte Kristersson am Dienstagmorgen und verwies auf die „parlamentarischen Routinen“ in der Türkei. „Aber jeder erwartet eine schnelle Ratifizierung.“ In schwedischen Zeitungen hieß es dazu am Dienstag, eine Ratifizierung könne auch noch in dieser Woche erfolgen. Schließlich sei es Erdogan, der die Türkei regiere.

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