Protest in Kassel gegen geplantes K+S-Werk in Australien

29 Tage vor

Der Kasseler Salzhersteller K+S plant ein Werk in Australien, um Meersalz zu gewinnen. Der Standort liegt mitten in einem Biotop, das die Unesco schon als Weltnaturerbe vorgeschlagen hat. Umweltschützer warnen vor Gefahren für Meerestiere und Natur. K+S wehrt sich.

Von Emal Atif, Stefanie Küster und Leander Löwe

Australische Umweltschützer und Experten schlagen Alarm: Das Kasseler Unternehmen K+S plant im Nordwesten Australiens den Bau von Verdunstungsbecken, um Salz aus dem Meer zu gewinnen.

Das Projekt des weltweit größten Salzherstellers soll unter dem Namen "Ashburton Salt" etwa 40 Kilometer südwestlich von Onslow im Norden Westaustraliens entstehen. Durch das Werk könnten laut K+S 4,7 Millionen Tonnen Salz pro Jahr gewonnen werden. Es soll nach den Plänen des Unternehmens 70 Jahre lang Salz liefern und könne den erhöhten Salzbedarf in Asien teilweise decken.

Lebensraum für bedrohte Meerestiere

Die vorgesehene Fläche, so groß wie eine Großstadt, liegt allerdings am Rande des Exmouth Golf, der als ein weitgehend unberührter Lebensraum für viele Arten gilt - darunter Buckelwale, Seekühe und der bedrohte Sägefisch. Die Auswirkungen auf die örtliche Flora und Fauna seien verheerend, warnen australische Umweltschützer.

Inzwischen haben sie ihren Kampf gegen das Projekt bis nach Hessen getragen. Kürzlich ließ die größte Meeresschutzorganisation Australiens, Australian Marine Conservation Society (AMCS), Plakate in Kassel aufhängen, um auf das Vorhaben von K+S aufmerksam zu machen.

Plakatkampagne der australischen Meeresschutzorganisation AMCS gegen K+S-Projekt.

Die Plakate an der Eugen-Richter-Straße und an anderen Orten — gestaltet wie Postkarten aus Australien — forderten K+S auf, von den Plänen für das Salzwerk nahe des Ortes Onslow abzusehen.

"Industrieanlagen an einem solchen Ort fatal"

Andreas Braun, Universität Kassel

"Industrieanlagen an einem solchen Ort wären fatal", warnt auch Andreas Braun, Leiter des Nachhaltigkeitsinstituts an der Universität Kassel. "Wir erleben eine globale Biodiversitätskrise, die wir in der Wissenschaft als sechstes großes Massensterben bezeichnen. Die Aussterberaten liegen um den Faktor Hundert bis Tausend höher als biologisch üblich." Eingriffe in ökologisch sensible Räume und Landnutzungsänderungen seien die Hauptgründe dafür.

Was die Kontroverse weiter verstärkt: Die Fläche der Anlage wurde von der Unesco bereits als Weltnaturerbe empfohlen. Auch die australische Umweltschutzbehörde bewertet den Exmouth Golf als besonders schützenswert. Der Standort grenzt zudem an die bereits zum Weltnaturerbe gehörende Ningaloo-Küste.

K+S: "Umweltauswirkungen minimieren"

K+S sei sich der sensiblen Natur in der Nähe des Projektgebiets bewusst, betont der Konzern auf hr-Anfrage. Den Umweltschutz hält K+S aber für ausreichend gewährleistet. "Wir haben über einen Zeitraum von sieben Jahren intensiv daran gearbeitet, potenzielle Umweltauswirkungen zu identifizieren und zu minimieren", so ein Sprecher.

Die Grundfläche des Projektes sei jetzt deutlich kleiner als ursprünglich vorgesehen. "Zudem wurde der Standort der Anlage nach Norden verlagert, was zu einer minimalen Interaktion mit dem Golf von Exmouth und minimiertem Einfluss auf Oberflächenwasserbewegungen führt", erklärte der Unternehmenssprecher. K+S werde außerdem auf umfangreiche Baggerarbeiten am Meeresboden verzichten, indem speziell gebaute Transshipper, also Maschinen, die Fracht oder Rohstoffe von einem Transportmittel auf ein anderes umladen, eingesetzt würden.

Zweifel an den Umweltversprechen von K+S

Das klingt im ersten Moment nach viel Eigeninitiative. Doch es handele sich um Vorgaben der australischen Umweltbehörden, die K+S ohnehin umsetzen müsse, um durch die Prüfung zu kommen - andernfalls werde das Projekt nicht genehmigt, sagt Paul Gamblin von der Umweltschutzorganisation AMCS.

Das Projekt sieht er als große Gefahr: "Sie sagen, sie können die Umwelteinflüsse managen, aber wir und viele Wissenschaftler denken nicht, dass das in einem Projekt dieser Größe überhaupt möglich ist“, sagte Gamblin dem hr.

Auch Wissenschaftler Braun ist skeptisch. "K+S streitet ja gar nicht ab, dass es Umweltauswirkungen geben wird. Sie wollen sie lediglich minimieren."

Die Frage bleibe, wie groß die Auswirkungen am Ende würden und warum man sich gerade für diesen sensiblen Standort entschieden habe. "Ich kann nur vermuten, dass ökonomisches Kalkül wie geringe Transportkosten und die Nähe zu wichtigen Infrastrukturen eine Rolle spielen", sagt Braun.

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Umweltkritik an K+S in Hessen

K+S wurde in der Vergangenheit auch in Hessen von Umweltorganisationen kritisiert, unter anderem wegen der Salzeinleitung in die Werra. Zuletzt hatten Umweltschützer wegen einer Versalzung der Vegetation rund um den Monte Kali in Neuhof (Fulda) Alarm geschlagen. Der 190 Meter hohe Berg besteht hauptsächlich aus Steinsalz, das dort während des jahrzehntelangen Bergbaus von K+S aufgeschüttet wurde. Nicht nur die Belastung der Vegetatiton, auch die der umliegenden Gewässer habe alarmierend zugenommen, warnte unter anderem der Nabu. K+S versprach, sich dem Problem anzunehmen. Man habe sich aber an alle Vorgaben gehalten. 

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K+S verteidigt Standortwahl

Die australische Umweltschutzbehörde sieht andere Standorte als geeigneter für das Projektvorhaben. K+S hingegen ist anderer Meinung. "Der gewählte Standort mit direktem Zugang zum Meerwasser weist optimale klimatische Bedingungen, Bodenstruktur und Topographie auf", erklärte ein Unternehmenssprecher dem hr. Für eine wirtschaftliche Meersalzproduktion müsse eine Vielzahl an Kriterien erfüllt werden.

Alternative Standorte seien umfassend analysiert worden, "etwa in der Nähe zu etablierten Industriegebieten". Weil dort aber eine ausreichend große Fläche mit den erforderlichen Kriterien gefehlt habe, wäre das Projekt dort nicht realisierbar gewesen.

Tausende Unterschriften gegen Projekt

Die Kritik wird trotzdem lauter. Mehr als 15.000 Menschen haben bereits Petitionen gegen den Bau der Anlage unterzeichnet.

K+S lässt sich davon aber bisher nicht beeindrucken. "Viele Anwohner unterstützen das Projekt. Das sind unter anderem die Einwohner von Onslow, die durch neu geschaffene Arbeitsplätze und eine Stärkung der lokalen Wirtschaft vom Projekt profitieren", so ein Unternehmenssprecher.

Das Projekt solle 150 Arbeitsplätze schaffen und lokale Unternehmen und Dienstleister in den Gemeinden Onslow und Exmouth unterstützen. "Wir hätten uns gewünscht, dass die Menschen, die an der Online-Petition teilgenommen haben, eventuelle Bedenken im Rahmen der Beteiligung im Umweltverfahren beigesteuert hätten." Das Unternehmen sei dennoch permanent dabei, auf Bedenken sachlich und wissenschaftlich einzugehen.

Ähnliches Projekt gestoppt

Die Hoffnung von Umweltschützer Gamblin ist es, das Projekt noch zu stoppen. "Wir sind die Stimme der Tiere, der bedrohten Arten, der Korallenriffe, Mangroven, der Schwammkolonien, der Seegraswiesen. Die haben alle keine Stimme."

Was Gamblin und Braun Hoffnung macht: Das australische Umweltministerium hatte vor rund 15 Jahren ein ähnliches Salzprojekt am selben Standort gestoppt, damals von einem Konkurrenten. "Das heißt, es ist für mich auch durchaus denkbar, dass auch dieses Verfahren abgelehnt wird", so Wissenschaftler Braun."

Die endgültige Entscheidung will der australische Umweltminister Ende des Jahres fällen. Erst dann möchte auch K+S final entscheiden, ob die Salzgewinnungsanlage gebaut wird.

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