Europa-League-Sieger Sevilla: Bono ist der Held, der keiner sein will

FC Sevilla Europa-League

Nachdem Spanien im vergangenen Jahr bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Achtelfinale nach einem Elfmeterschießen gegen Marokko ausgeschieden war, fragten Reporter den damaligen spanischen Trainer Luis Enrique, ob er die Auswahl der Schützen bereut. Dessen Antwort: „Ich würde dieselben Spieler nominieren, aber ich würde Bono rausnehmen und einen anderen Torwart reinstellen.“

Er meinte Yassine Bonou, genannt Bono, den Torhüter Marokkos, der zwei Elfmeter der Spanier gehalten hatte, ein dritter Schuss ging an den Pfosten. Am Mittwoch stand Bono wieder zwischen den Pfosten, diesmal für seinen Verein FC Sevilla im Endspiel der Europa League gegen die AS Rom. Wieder kam es zum Elfmeterschießen, wieder machte sich Bono lang, und wieder gewann sein Team – diesmal 4:1, nachdem es nach der regulären Spielzeit 1:1 gestanden hatte. Der FC Sevilla holte damit zum siebten Mal den Titel der Europa League.

Er lässt die Römer verzweifeln

Schon während der regulären Spielzeit verzweifelten die Römer am 192 Zentimeter großen Keeper, der sich einige Male noch ein wenig länger machte. Trotzdem passt Bono nicht ins Bild vom Schlussmann, der seine Hintermannschaft mit lauten Worten ordnet. In Sevilla ist er vielmehr „el hombre tranquilo“, „der ruhige Mann“, der selten sein Lächeln verliert. Statt vor dem Elfmeterschießen auf Zetteln noch die Lieblingsecken der Schützen der AS Rom zu studieren, nahm er Roms Keeper Rui Patrício wie einen alten Freund in den Arm, begleitete ihn zum Tor. Von Nervosität keine Spur.

Und auch wenn er am Ende für Sevilla zum Matchwinner wurde, entzog er sich doch der ihm von den Medien zugeteilten Heldenrolle. Bescheiden trat er im Fernsehen auf. Seine Rolle sei es, dem Team Sicherheit zu geben, erklärte er und widmete den Erfolg Eltern, Frau und Kindern. Seit José Luis Mendilibar Ende März nach Sevilla kam, spielt Bono nur die internationalen Begegnungen und sitzt in der Liga auf der Bank. Trotzdem sagt der Marokkaner, er würde sich mit dem Trainer gut verstehen. „Meine Aufgabe ist es, meinen Arbeitgeber zufriedenzustellen.“ Dann zog er, eingehüllt in die Fahne Marokkos, zur Siegerehrung.

Gegen den Willen des Vaters

So hat Bono wenig mit all den Stereotypen von Torhütern und auch überschwänglichen Marokkanern gemein, denen die Leidenschaft auf dem Fußballplatz angeblich auch mal im Weg stehen würde. Vielleicht hat dieser Charakter ja damit zu tun, dass er – wie viele des marokkanischen WM-Teams vom vorigen Jahr – nicht in Marokko, sondern in Kanada zur Welt kam, wo der Vater als Physikprofessor tätig war. Erst später ging die Familie zurück nach Casablanca, wo der Sohn schließlich mit dem Fußballspielen begann – gegen den Willen des Vaters, der in dem Hobby keine große Zukunft sah.

Doch Bono wurde Torwart der marokkanischen Auswahl, ging nach Spanien, zunächst zu Atlético Madrid, spielte später in Girona und kam 2019 schließlich nach Sevilla – wo er es gleich zum Stammtorwart schaffte und seinen ersten Europa-League-Titel gewann. Obwohl er mit 31 Jahren jetzt seine erfolgreichste Zeit erlebt, ist es auch seine schwierigste. Während der WM habe er sich „wie in einem Gefängnis gefühlt“, sagte er einmal, alles sei verboten gewesen. Und dann habe Marokko ja noch gegen sein Geburtsland Kanada gespielt. „Wenn du da ein merkwürdiges Tor kassierst, geht das Gerede schon los. Gerade in Marokko. Und dann gegen Spanien.“

Die geschlossene Welt mit dem Team habe in ihm Beklemmungen ausgelöst. „Fußball“, findet Bono, „ist wie ein Geschäft. Da kommen ganz unterschiedliche Leute zusammen, jeder mit anderen Ansichten, mit einer anderen Religion und einer anderen Mentalität. Was einen zusammenhält, ist, gemeinsam Ziele erreichen zu wollen.“ Und das hat Yassine Bonou mit dem FC Sevilla am Mittwoch ja erreicht.

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