Habeck weist Vorwürfe zu Atomausstieg zurück

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Sondersitzung in Berlin Habeck weist Vorwürfe zu Atomausstieg zurück

Stand: 26.04.2024 11:16 Uhr

Haben Wirtschafts- und Umweltministerium die Öffentlichkeit beim Thema Atomausstieg getäuscht? Ein Medienbericht deutet dies an. Wirtschaftsminister Habeck weist dies entschieden zurück.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat Kritik an der Entscheidungsfindung zum Atomausstieg zurückgewiesen. Habeck sagte vor Beginn einer Sondersitzung des Bundestags-Ausschusses für Klimaschutz und Energie, ein Jahr nach dem Atomausstieg hätten sich alle "Unkenrufe" nicht bewahrheitet. Die Energieversorgung sei komplett gesichert, die Strompreise am Handel seien heruntergegangen. "Wir sind super durch Krise gekommen."

Auslöser der Sondersitzung ist ein Bericht des Magazins "Cicero". Demnach sollen sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg unterdrückt worden sein. Wichtige Informationen hätten Habeck nicht erreicht.

Habeck: Brennelemente laut Betreiber "ausgelutscht"

"Die Unterlagen erzählen eine andere Geschichte, als es kolportiert wurde", sagte Habeck. Sein Ministerium und auch er persönlich seien aktiv auf die Betreiber der letzten Atomkraftwerke zugegangen, um zu prüfen, ob ein längerer Betrieb möglich sei. "Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität." Es seien alle Möglichkeiten ausgelotet worden. "Insofern ist also die Annahme, dass da eine Art Geheimwissen wäre, das mich nicht erreicht hätte, falsch."

Entscheidend sei, dass er in den wirklich relevanten Runden immer die richtigen Fragen stellen konnte. Dies seien die Runden mit den Kraftwerksbetreibern gewesen. "Das ist auch dokumentiert und schriftlich vorlegbar, dass diese auch beantwortet wurden." Im März 2022 hätten die AKW-Betreiber mitgeteilt, dass die Brennelemente "ausgelutscht" gewesen seien.

Habeck versicherte, dem Ausschuss alle Daten zur Verfügung zu stellen. Den Atomausstieg hätten aber schon viele Jahre zuvor Union und FDP beschlossen. Zuletzt sei es nur noch um den Weiterbetrieb von drei Meilern um einige Monate gegangen.

Auch Umweltministerin Steffi Lemke wies vor der Sondersitzung Vorwürfe zurück. Ihr Haus habe intensiv geprüft, ob die Atomkraftwerke länger laufen könnten, sagte die Grünen-Politikerin. Im Ergebnis seien die Laufzeiten verlängert worden. "Mir geht es darum, dass wir die nukleare Sicherheit in unserem Land jederzeit gewährleisten können."

Union: Lemkes Antworten unzureichend

Das Bekanntwerden der Ministeriumsdokumente über die Entscheidung zur AKW-Laufzeitverlängerung hat scharfe Kritik der Union ausgelöst. Nach der Befragung von Lemke im Umweltausschuss kritisierten Politiker der Unionsfraktion deren Antworten als ungenügend. "Wir haben Fragen gestellt. Die Antworten waren unzureichend", sagte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Steffen Bilger (CDU). Die Ministerin habe aber zugesagt, weitere Fragen im Nachgang schriftlich zu beantworten und alle Unterlagen vorzulegen. "Die werden wir uns sehr genau anschauen, daraus unsere Bewertung ableiten, auch was weitere Schritte anbelangt."

Auf die Frage nach einem möglichen Untersuchungsausschuss sagte Bilger: "Es stehen alle Möglichkeiten, die wir als Opposition haben, im Raum." Erstmal wolle man aber die zugesagten Antworten und Unterlagen abwarten. "Und wenn sich daraus Fragen ergeben, dann behalten wir uns ausdrücklich auch weitere Schritte vor."

Umweltministerin Lemke sprach von einer "guten Ausschusssitzung, die der Umweltausschuss heute hier hatte". Sie habe betont, "dass es gut und wichtig ist, wenn im parlamentarischen Raum Transparenz hergestellt wird über das, was gegenwärtig öffentlich diskutiert wird." Lemke bestätigte, dass dem Ausschuss weitere Fragen beantwortet und Unterlagen übermittelt würden. 

Unionspolitiker fordern Untersuchungsausschuss

Vor der Sondersitzung hatte Bilger erklärt, es stehe der Vorwurf im Raum, dass manipuliert, getrickst und getäuscht wurde. Auf der Online-Plattform X forderte er Habeck und Lemke auf, dem Bundestag alle Unterlagen zum Atomausstieg vorzulegen.

Helfrich: "Täuschungsaktion"

Der energiepolitische Sprecher der CDU/CDU-Fraktion, Mark Helfrich, sprach in der "Bild"-Zeitung von einer "Täuschungsaktion". Diese müsse "in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden".

Die Vorsitzende der Unions-Mittelstandsvereinigung MIT, Gitta Connemann, sagte: "Der Rückbau der letzten Kernkraftwerke muss sofort gestoppt werden." Die Öffentlichkeit habe ein Recht auf lückenlose Aufklärung. Mit Blick auf die Sondersitzung des Bundestags-Energieausschusses fügte sie hinzu, wenn Bundeswirtschaftsminister Habeck dort "nicht lückenlos aufklärt, braucht es einen Sonderausschuss wegen Eilbedürftigkeit oder einen Untersuchungsausschuss".

Das Magazin "Cicero" hatte die Herausgabe von Akten zum Atomausstieg erklagt. Es geht um die Jahre 2022 und 2023, die Zeit, als Russlands Krieg gegen die Ukraine begonnen hatte, und Deutschland sich unabhängig von russischem Gas machen musste. Damals wurde diskutiert, die verbleibenden Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen. Laut "Cicero" lassen die Akten den Schluss zu, dass die Bewertungen auf der Fachebene in den Ministerien so geändert wurden, dass es unmöglich erschien, die Kraftwerke länger zu betreiben. 

Mit Informationen von Gabor Halasz, ARD Berlin

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