Konstantin Kuhle: „Die E-Fuels Debatte wird als Glaubenskrieg ...

27 Mär 2023

Deutschland Konstantin Kuhle

„Diese ganze E-Fuels Debatte wird als Glaubenskrieg geführt“

Stand: 04:10 Uhr | Lesedauer: 4 Minuten

Dominik Lippe
Anne Will Anne Will

Konstantin Kuhle (FDP) bei „Anne Will“

Quelle: NDR/Wolfgang Borrs/JM

Trotz der Einigung im Verbrenner-Streit mit der EU reißt die Diskussion über E-Fuels nicht ab: FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle wirbt bei „Anne Will“ für eine ideologiefreie Diskussion. CDU-Politiker Spahn wirft der Bundesregierung vor, Ansehen verspielt zu haben.

„Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral“, erklärte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), nachdem sich die Ampel-Regierung am Freitag mit der EU-Kommission im Verbrennerstreit geeinigt hatte. Auch nach 2035 dürfen Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden – sofern sie treibhausgasneutrale Kraftstoffe wie E-Fuels nutzen.

Wie zukunftsträchtig synthetische Kraftstoffe sind – und welche Rolle sie beim Weg in die Klimaneutralität spielen können, war Thema im ARD-Polittalk „Anne Will“ am Sonntagabend. „Schluss mit Gas, Öl, Diesel und Benzin – Hat die Ampel dafür einen Plan?“ lautete die Frage, über die die Bundestagsabgeordneten Jürgen Trittin (Grüne), Konstantin Kuhle (FDP) und Jens Spahn (CDU) sowie die „Zeit“-Journalistin Petra Pinzler und Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik diskutierten.

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„Ich freue mich, dass ihm das gelungen ist“, lobte der FDP-Politiker Kuhle seinen Parteifreund Wissing zu Beginn der Sendung, der auf Ausnahmen für Fahrzeuge, die mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden, bestanden hatte. Dank der FDP stehe eine „zusätzliche Technologie für den Klimaschutz“ zur Verfügung, zeigte sich Kuhle überzeugt.

Kuhle übte Kritik an der Diskussion um E-Fuels: „Diese ganze E-Fuels-Debatte wird immer als Glaubenskrieg geführt, zwischen denjenigen, die nur E-Mobilität wollen und denjenigen, die angeblich nur E-Fuels wollten.“ Letzteres werde auch der FDP immer unterstellt. „Das stimmt aber gar nicht“, so Kuhle. Zwar sei der Ausbau der Elektro-Mobilität in Deutschland und der Europäischen Union zentral. E-Fuels seien jedoch eine Ergänzung – und würden außerdem für Schiffe, Flugzeuge und die Bestandsflotte mit Verbrennermotoren benötigt.

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Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sieht im Hinblick auf die E-Mobilität „schrecklichen Nachholbedarf“, der schleunigst anzugehen sei. Eine Nachfrage nach E-Fuels gibt es seiner Ansicht nach vor allem bei der Industrie: „Wir brauchen sie für die BASF“, soTrittin. Zufrieden zeigte sich der ehemalige Bundesumweltminister jedoch damit, dass die „Hängepartie“ auf europäischer Ebene beendet worden sei.

Spahn sieht „viel Schaden“ auf der Verfahrensebene

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn widersprach wiederum dieser Darstellung. „Deutschland hat an Ansehen viel verloren durch diese Vorgehensweise“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Auf der Verfahrensebene sei „viel Schaden“ entstanden.

Neben den Parteipolitikern fiel in der Runde auch Lamia Messari-Becker auf, die mehrfach zu Grundsatzreden ansetzte. Die Expertin für Gebäudetechnologie und Bauphysik nannte es einen „Grundfehler“, dass die Energiewende auf Strom fokussiert sei. „Technologieoffenheit ist das, was dieses Land auszeichnet“, so Messari-Becker.

Deutschland benötige für seinen Energiebedarf das zehnfache dessen, was es an Energie produziere. Es sei unmöglich, Gebäude, Industrie und Verkehr nur noch mit Strom zu versorgen, so die Wissenschaftlerin. Diversifizierung könne jedoch Versorgungssicherheit gewährleisten. Im Wärmebereich zählte sie in diesem Zusammenhang Fernwärme, Geothermie oder Wasserstoff aus hauseigenem Fotovoltaik-Strom auf.

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Auf den Vortrag der Ingenieurin reagierte die Runde mit Vergangenheitsbewältigung. Die Frage der Wärmewende sei „viele Jahre unter der Merkel-Regierung verschlafen“ worden, kritisierte die „Zeit“-Journalistin Pinzler. Horst Seehofer (CDU) habe als Wohnungsbauminister „schlicht und einfach nichts getan“.

„Soziale Härten ohne großen Klimaschutz“

Die CDU habe die erneuerbaren Energien „komplett ausgebremst“, bemängelte auch Trittin. Vor allem der ehemalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) habe die „Fotovoltaik-Industrie aus Deutschland vertrieben“, was 100.000 Arbeitsplätze gekostet habe. Ein Vorwurf, den CDU-Politiker Jens Spahn zurückwies. „Wir haben mehr als doppelt so viel erreicht“, wie Trittin als Minister für 2020 „als Ziel und Parole ausgegeben“ habe.

Wissenschaftlerin Messari-Becker veranlassten die Äußerungen zu einem Rundumschlag: „Wir brauchen eine Wärmewende, die hier alle Beteiligten, die am Tisch sitzen, verhindert haben.“ Bereits vor 30 Jahren hätte diese beginnen müssen, kritisierte sie. Doch da dies hinausgezögert worden sei und nun nur die Wärmepumpe propagiert werde, laufe Deutschland auf eine künstliche Verknappung zu – auf „einen Flaschenhals, der uns umbringt“. So entstünden „soziale Härten ohne großen Klimaschutz“.

Um die Folgen abzufedern, plädierte die Wissenschaftlerin für ein langsameres Vorgehen – und richtete einen Appell an die politischen Verantwortlichen: „Mein Problem ist das Tempo. Ich bitte Sie, geben Sie den Menschen einfach mehr Zeit und mehr Optionen, da mitzugehen.“

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