Kulturhauptstadt Chemnitz: Was macht die Musikszene so besonders?

4 Jun 2023
Chemnitz
Ohne die Szene keine Band

Das kann auch Maria Costantino von der Band Power Plush bestätigen. "Die Chemnitzer Musik- und Kulturszene ist für uns total wichtig. Ohne diese Szene würde es uns als Band überhaupt nicht geben", betont sie. Sie und Bassistin Anja Jurleit kennen sich aus dem Club Atomino, Gitarristin Svenja Schwalm ist im Weltecho aktiv, genauso wie Schlagzeuger Nino Cutino. "Wir sind hier alle seit Jahren in der Kulturszene und haben viel gemacht und uns darüber auch vernetzt", sagt Costantino. So habe sie unter anderem auch Nina Kummer von der Band Blond kennengelernt, die sie dann auf ihrem eigenen Label Beton Klunker Tonträger veröffentlichten. Man kennt sich halt, man unterstützt sich.

Vernetzung von Musik, Kunst, Kultur

Schließlich haben Blond selbst ähnliche Erfahrungen gemacht. Ihre erste Auftritte hatten sie im Atomino bei den "Mania" genannten Covernächten. Als sie 2020 ihre Debütalbum "Martini Sprite" veröffentlichten, wurden ihnen für die Musikvideos Räume wie Hinterbühne der Oper Chemnitz zur Verfügung gestellt. Auch als Power Plush einen Ort für ihre Release-Show brauchten, fanden sie den schnell im Weltecho. Schon kurz nach ihrer Gründung, als noch kaum jemand die Indiepopsongs der Band kannte, durften sie bei einer Vernissage in der Galerie Borssenanger spielen.

Denn nicht nur Musikerinnen, Musiker und Band sind untereinander vernetzt sondern auch andere Kunst- und Kulturschaffende. Da gibt es zum Beispiel das Künstlerkollektiv Bikini Kommando, das sich selbst als "Autodidakten aus dem Osten" bezeichnet, die auf unterschiedlichste Weise künstlerisch betätigen. "Die Chemnitzer Kulturszene ist da sehr offen. Gerade wenn gesehen wird, dass es Leute gibt, die was machen wollen, dann kriegt man meistens Raum, um was auch immer für ein Projekt umzusetzen", sagt Costantino und fügt direkt an: "Das ist aber mit Eigeninitiative verbunden, daher ist das auch nicht für jede Person etwas. Aber ich persönlich habe da viele positive Erfahrungen gemacht, weil ich mich in vielen Bereichen der Kultur schon ausprobieren durfte."

Sechster Umzug des Atomino

Es ist allerdings nicht so, dass Chemnitz mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren (zum Vergleich Leipzig: 41,7) eine besonders musik- und jugendfreundliche Stadt ist. Das zeigt auch die Geschichte des Atomino. Ein Klub, der seit über 20 Jahren Raum für Konzerte, Tanzpartys, Lesungen und skurrile Formate veranstaltet und in Kraftklub-Songs besungen wird, muss nun bereits zum sechsten Mal umziehen – oft auch wegen Lärmbeschwerden der Anwohnerinnen und Anwohner. Zuletzt war er in der Innenstadt, nun zieht er in eine alte Fabrikhalle im Wirkbau, der nicht mehr ganz so zentral liegt. Wann die Eröffnung stattfindet, steht noch nicht fest. "Unsere Baustelle läuft leider noch immer und ist unberechenbar", sagt Maria Tomasa Llera Pérez. "Wir gehen aber ganz stark davon aus, dass wir im Herbst wieder öffnen können."

Proberäume werden knapp

Das ist auch für die Musikszene der Stadt zu hoffen, denn wenn man in den letzten Monaten in den Konzertkalender der Stadt guckt, passierte für eine 250.000-Einwohner-Stadt in Sachen Pop und Rock eher wenig. Es gibt nur wenige Termine und Orte, wo Musikbegeisterte abends hingehen können. Vielleicht machen deswegen so viele junge Menschen hier selbst Musik? Dabei wird auch die Proberaumsituation zunehmend schwieriger, obwohl es in Chemnitz noch mehr Freiraum und Leerstand gibt als in Dresden und Leipzig. Die Nachfrage ist meist viel höher, als es Räume gibt. Aus diesem Grund wurde die ehemalige Karl-Liebknecht-Schule zum Musikkombinat mit Raum für Musik- und Kunstschaffende sowie Kreativwirtschaftlerinnen und -wirtschaftler umgestaltet. Allerdings sei auch hier mittlerweile jeder Raum mitunter mehrfach belegt, heißt es beim Bandbüro Chemnitz, einem gemeinnütziger Verein der lokalen Kultur- und Musikszene.

Mehr Fördermöglichkeiten gefordert

"Ebenso fehlt es in Sachsen und somit auch in Chemnitz aktuell an ausreichend Fördermöglichkeiten, welche sich explizit an alle Bereiche der Popkultur richten", sagt Alexandra Pagel. Das Ziel von Kreatives Sachsen sei daher, momentan temporäre Förderangebote zu verfestigen und langfristig in einer zentralen Anlaufstelle für Sachsen auszubauen.

Chemnitz ist ein sehr gutes Beispiel für das hohe Potential der Sächsischen Popularmusikszene welche durch eine gute Vernetzung etwas erreichen kann.

Gleichzeitig zeige dies aber laut Pagel auch, dass es eine solche Unterstützung braucht, um das vorhandene Potenzial weiter zu fördern.

Dass Chemnitz 2025 Kulturhautstadt wird, wird auch die Musikszene beeinflussen. Viele neue Projekte entstehen gerade erst – wie zum Beispiel die Stellen des Nachtbürgermeisters, also jemanden, der sich um die Belange aller Menschen kümmert, die mit dem Chemnitzer Nachtleben zu tun haben. Und da gibt es auf jeden Fall einige.

Redaktionelle Bearbeitung: Anneke Selle

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