Thyssenkrupp: Milliardär Kretinsky wird zum Hoffnungsschimmer

Kolumne

Bernd Ziesemer Milliardär Kretinsky – flackernder Hoffnungsschimmer für Thyssenkrupp

Daniel Kretinsky Thyssenkrupp - Figure 1
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer

© Martin Kress

Der Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky befeuert die Aktie von Thyssenkrupp. Aber ein Grund zur Euphorie besteht nicht

Die Ad-hoc-Meldung bestand nur aus fünf kargen Zeilen, wichtige Details fehlen. Und doch reichte sie, um den Aktienkurs von Thyssenkrupp zum Wochenschluss kräftig nach oben zu treiben. Nach monatelangen Verhandlungen steigt der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky nun doch noch bei der angeschlagenen Stahlsparte des Traditionskonzerns ein. Allerdings nur mit einer Minibeteiligung von 20 Prozent und offenbar für so wenig Geld, das man den Kaufpreis schamhaft verschweigt. 

Was den flackernden Hoffnungsschimmer bei den Anlegern auslöst, ist wieder einmal ein Versprechen auf die Zukunft, das noch eingelöst werden muss: Beide Seiten „sprechen“, so die Ad-hoc-Meldung, über eine Aufstockung der Beteiligung auf 50 Prozent. Erst dann könnte man wirklich von einer „strategischen Partnerschaft“ reden, die Thyssenkrupp vorschnell schon jetzt verkündet.

Daniel Kretinsky Thyssenkrupp - Figure 2
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft
Aktie von Thyssenkrupp läuft auf lange Sicht schlecht

Wer über den Kursanstieg in Euphorie verfällt, sollte sich mal die Langfristcharts der Aktie anschauen: Sie hat allein in den vergangenen sechs Monaten ein Viertel ihres Werts verloren, auf Sicht von fünf Jahren sogar über 60 Prozent. Wer jetzt auf eine Trendwende setzt, muss schon sehr mutig sein – vielleicht sogar tollkühn. Offenbar wartet ja auch Kretinsky erst einmal ab, bevor er wirklich ins Boot steigt. Denn seit Monaten war ja von einer sofortigen 50-Prozent-Beteiligung die Rede, die nun erst einmal nicht kommt. Man kann die Zurückhaltung verstehen: Bisher gibt es keine Angaben darüber, wie Thyssenkrupp den geplanten Abbau von Stahlkapazitäten und Personal praktisch organisieren will. 

Gegen den Widerstand der mächtigen Betriebsräte wird es sehr schwer, betriebswirtschaftlich optimale Lösungen wie die eigentlich sinnvolle Schließung des ganzen Standorts im Duisburger Süden durchzusetzen. Die IG Metall sieht den neuen tschechischen Großaktionär sehr skeptisch. Man erwartet von ihm nicht, dass er wirklich Kapital einschießt. Und strategisch bringt er allein das wage Versprechen mit, die künftige Wasserstoffstrategie („grüner Stahl“) mit billigem Strom zu unterstützen. Vom Stahl selbst versteht Kretinsky nichts.

Daniel Kretinsky Thyssenkrupp - Figure 3
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Was ökonomisch sinnvoll wäre, könnte am Widerstand der Belegschaft scheitern. Bei Thyssenkrupp regiert sie so stark mit wie nirgends sonst

Falls am Ende eine 50:50-Partnerschaft in neuer Rechtsform für die Stahlsparte stehen sollte, könnte Thyssenkrupp den größten Problemposten zwar aus der Bilanz beseitigen. Aber der Mutterkonzern wäre die Belastungen damit eben nur zum Teil los. Und müsste zunächst noch einige Milliarden Euro drauflegen, um den Stahl-Bereich eigenständig machen zu können. So oder so steht Thyssenkrupp noch vor einer langen Durststrecke. Und freies Geld gibt es im Konzern kaum noch. Die 17 Milliarden Euro aus dem Notverkauf der hochprofitablen Aufzugssparte sind in nur drei Jahren fast völlig aufgezehrt worden.

Positiv kann man festhalten: Es kommt nun wenigstens Bewegung in die Sache. Unter der früheren Konzernchefin Martina Merz gab es zwar viele Pläne, aber viel zu wenig Taten. Viele Ankündigungen waren nichts anderes als schöne Träume. Ihr Nachfolger Miguel Lopez scheint aus anderem Holz geschnitzt. Der geborene Spanier hat begriffen, dass keine Zeit mehr für ausgefeilte strategische Spielereien bleibt, sondern nur noch den Zwang zu schnellen und brutalen Maßnahmen. Am besten könnte man seine Situation mit einem alten Spruch beschreiben, den Lopez vielleicht noch aus seiner Uni-Zeit in Mannheim kennt: „Du hast keine Chance, aber nutze sie.“

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