Julian Assange: Wie lief der erste Tag der Anhörung über die ...

21 Feb 2024

Proteste vor Entscheidung in London

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Julian Assange - Figure 1
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Demonstranten fordern vor dem Londoner High Court die Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange.

Quelle: Getty Images

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Seit Jahren schon dauert das juristische Tauziehen um die von der US-Justiz geforderte Auslieferung des Wikileaks-Gründers aus Großbritannien an. Nun könnte es ganz schnell gehen.

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London. „Lasst Julian Assange frei“, rufen Dutzende Demonstranten vor dem historischen Gerichts­gebäude im Zentrum Londons. In den Händen halten sie Plakate mit dem Konterfei des wohl berühmtesten Gefangenen der Welt. Julian Assanges Frau Stella hält eine Rede. Sie hoffe, dass nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt, ruft sie den Menschen zu. Auch der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn spricht sich vor Ort für die Freilassung des Wikileaks-Gründers aus. Kamilla, eine Aktivistin, ist extra aus Polen nach London gereist. „Wenn man nicht die Wahrheit sagen darf, ist das keine Demokratie“, sagt die 51-Jährige.

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Es ist eine entscheidende Anhörung, die am Dienstag vor dem Londoner High Court in der britischen Metropole begann und auf zwei Tage angesetzt ist. Das Gericht soll entscheiden, ob Assange in Großbritannien weitere Rechtsmittel gegen eine Auslieferung an die USA einlegen kann. Dabei kommen sowohl Assanges Anwälte als auch die US-Staatsanwälte zu Wort. Wenn alle Gründe für eine weitere Berufung abgelehnt werden, könnte er umgehend an die USA ausgeliefert werden, wo ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen.

Julian Assange - Figure 2
Foto RND

Stella Assange, Ehefrau von Julian Assange, spricht vor den Royal Courts of Justice.

Quelle: Alberto Pezzali/AP/dpa

Das Urteil könnte schon am Mittwoch fallen

Aktivisten, die sich für den Wikileaks-Gründer einsetzen, sprachen vom „Tag X“ und vom „Anfang vom Ende“ des Falls. Die Richter Victoria Sharp und Jeremy Johnson könnten schon am Mittwoch ein Urteil fällen, laut Beobachtern könnten jedoch auch einige Wochen vergehen. Stella Assange befürchtet jedoch, dass ihr Ehemann schon binnen weniger Tage in ein Flugzeug in Richtung USA gesetzt werden könnte, wie sie in der vergangenen Woche vor Journalisten in London sagte. Assange war nicht im Gerichtssaal anwesend, aus gesundheitlichen Gründen, wie es hieß.

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Die Anhörung fand in einem zweifelsohne schönen, aber angesichts des weltweiten Interesses viel zu kleinen Gerichtssaal statt. Überdies gab es bei der Video­übertragung in weitere Räume immer wieder technische Probleme, vor allem mit dem Ton. Assanges Anwalt Ed Fitzgerald, schließlich hörbar, holte weit aus, als er am Dienstag seine Argumente gegen eine Auslieferung Assanges darlegte. Er teilte dem Gericht mit, dass dieser einem „ungerechtfertigten Eingriff in die Meinungs­freiheit“ ausgesetzt sei. Er habe schwere Verbrechen aufgedeckt und werde wegen der üblichen journalistischen Praxis der Beschaffung und Veröffentlichung von Verschluss­sachen angeklagt, „die sowohl wahr sind als auch von offensichtlichem und wichtigem öffentlichen Interesse“ seien.

Washington begründet die Forderung nach Auslieferung des 52-jährigen Australiers mit dem US-Spionage­gesetz. Assange habe ein Verbrechen begangen, indem er gemeinsam mit der mittlerweile verurteilten Whistle­blowerin Chelsea Manning geheime Informationen über Militär­einsätze im Irak und in Afghanistan veröffentlicht habe, darunter das Video mit dem Titel „Collateral Murder“. Es zeigt, wie Soldaten bei einem Einsatz in Bagdad aus einem Kampf­hubschrauber heraus Zivilisten töten. Diese Veröffentlichungen machten Assange vor 14 Jahren schlagartig berühmt, sind aber auch dafür verantwortlich, dass ihm bei einer Auslieferung an die USA eine Haftstrafe droht.

Julian Assange - Figure 3
Foto RND
Wikileaks-Gründer Julian Assange will Auslieferung an die USA stoppen

Bei einer Anhörung vor Gericht in London an diesem Dienstag und Mittwoch will sich Julian Assange gegen seine Auslieferung in die USA wehren.

Quelle: dpa

Sollte Assange entführt und getötet werden?

Die Anwälte von Assange baten Richterin Victoria Sharp und Richter Jeremy Johnson darum, Vorwürfen nachzugehen, denen zufolge der US-Auslands­geheimdienst CIA und andere Behörden­vertreter planten, Assange zu entführen oder zu töten, als dieser sich in der ecuadorianischen Botschaft in London befand. Vor seiner Verhaftung im Jahr 2019 hatte er dort sieben Jahre lang versucht, einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen, wo er sich dem Vorwurf der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung ausgesetzt sah.

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Ein untergeordnetes Gericht hatte die Vorwürfe bereits abgewiesen, doch Mark Summers, einer von Assanges Anwälten, sagte am Dienstag, es gebe inzwischen überzeugende Beweise dafür, dass die Pläne real gewesen seien. „Es gab ein Komplott, um Herrn Assange zu entführen, ihn nach Amerika zu überstellen oder ihn schlicht zu ermorden“, erklärte er.

Wenn das Gericht in London entscheidet, dass er keine Berufung mehr einlegen kann, bliebe Assange nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort werde sein Team umgehend eine einstweilige Verfügung beantragen, sollte der Rechtsweg in Großbritannien nach der Entscheidung der Richter ausgeschöpft sein. Allerdings sei zu befürchten, dass die britische Regierung eine solche Verfügung ignorieren würde. „Großbritannien müsste dafür gegen das Völkerrecht und seine Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechts­konvention verstoßen“, sagte Stella Assange.

Julian Assange - Figure 4
Foto RND
Fall Assange: Der Westen verletzt seine eigenen Standards

In London entscheidet ein Gericht über die Auslieferung von Julian Assange an die USA. Dass man ihn dort nicht als Helden betrachtet, ist nachvollziehbar. Aber der Umgang mit dem Gründer der Enthüllungs­plattform Wikileaks widerspricht elementaren Menschen­rechten, kommentiert Markus Decker.

Assanges Anwälte: Bruch des britisch-amerikanischen Auslieferungsabkommens

Ein früheres Urteil aus dem Jahr 2021 hatte die Auslieferung des 52-Jährigen untersagt – wegen der zu erwartenden Haft­bedingungen und seiner psychischen und gesundheitlichen Verfassung. Washington legte Berufung dagegen ein und hatte damit Erfolg. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Zusicherungen, die die USA in der Zwischenzeit gegeben hätten, ausreichten, um die gesundheitlichen Bedenken auszuräumen. 2022 entschied ein Gericht, dass das britische Innen­ministerium über die Abschiebung befinden sollte. Noch im selben Jahr stimmte die damalige britische konservative Innen­ministerin Priti Patel dem Ersuchen der USA zu, woraufhin Assanges Team erneut juristische Schritte einleitete.

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Diesmal fordern seine Anwälte, dass das Gericht neue Argumente abwägt. Sie machen geltend, dass ihrem Mandanten für das Aufdecken von Kriminalität politische Verfolgung drohe und dass es daher einen Bruch des britisch-amerikanischen Auslieferungs­abkommens darstellen würde, ihn über den Atlantik in die USA zu schicken.

Um einer Auslieferung an die USA zu entgehen, hält sich Assange seit 2012 in Großbritannien auf. Seit fast fünf Jahren ist er im Hochsicherheits­gefängnis Belmarsh im Südosten der Hauptstadt untergebracht. Zuvor hatte ihm die ecuadorianische Botschaft in London Unterschlupf gewährt, bis er dieser nach einem Machtwechsel in dem südamerikanischen Land verwiesen wurde. Die Bilder von britischen Polizisten, die ihn damals festnahmen und aus der Botschaft trugen, gingen im Frühjahr 2019 um die Welt.

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