Julian Assange: Wie es mit dem Wikileaks-Gründer weitergehen ...
High Court verhandelt über Auslieferung
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Julian Assange kämpft gegen seine Auslieferung in die USA.
Quelle: picture alliance / empics
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Wird Julian Assange an die USA ausgeliefert? Darüber entscheidet der High Court in London. Je nachdem, wie Assanges Berufungsverfahren ausgeht, drohen ihm eine Haft, ein weiterer Besuch im Gericht oder die Freiheit. Fünf Szenarien im Überlick.
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Wenn der High Court in London über Julian Assanges Berufung entscheidet, geht es für den WikiLeaks-Gründer um vieles. Wie seine Anwälte sagen, vielleicht auch um sein Leben. Denn sollte Assange vor dem Gericht scheitern und in die USA ausgewiesen werden, droht ihm eine Haftstrafe von mindestens 175 Jahren. Seine Anwältin Jennifer Robinson warnte vor dem Beginn der Verhandlung, dass Assange sich dann das Leben nehmen könnte.
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Seit 13 Jahren ringen die Gerichte um Julian Assange. Mittlerweile geht es vor allem um eine mögliche Auslieferung in die USA, wo er für 18 Anklagepunkte erneut vor Gericht stehen könnte. Doch wie könnte es eigentlich für den australischen Journalisten weitergehen? Fünf mögliche Szenarien.
1. Julian Assange wird nicht an die USA ausgeliefert2. Julian Assange wird ausgeliefert und klagt vor dem Europäischen Gerichtshof3. Julian Assange wird an die USA ausgeliefert und muss in Haft4. Julian Assange wird ausgeliefert und durch Joe Biden begnadigt5. Julian Assange kehrt nach Australien zurück1. Julian Assange wird nicht an die USA ausgeliefertEs wäre nicht die erste Runde, die Assanges Anwälte vor den britischen Gerichten drehen könnten. Wenn es ihnen gelingt, die Richter am High Court von ihrer Argumentation zu überzeugen, könnte es beispielsweise zu einer weiteren Anhörung kommen. Dann würde Assange erst einmal nicht ausgewiesen werden und die stattgegebenen Argumente erneut angehört.
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Es ist aber unklar, welche das sein könnten. Weist das Gericht einige der Argumente zurück, können sich Assanges Anwälte in einer eventuellen Anhörung nicht weiter darauf berufen. Der Radius für sein Team könnte damit kleiner werden.
In London entscheidet ein Gericht über die Auslieferung von Julian Assange an die USA. Dass man ihn dort nicht als Held betrachtet, ist nachvollziehbar. Aber der Umgang mit dem Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks widerspricht elementaren Menschenrechten, kommentiert Markus Decker.
Und: Dass es zu diesem Fall kommt, ist in Hinblick auf die vergangenen Anhörungen weniger wahrscheinlich. Zwar hatte im Januar 2021 eine britische Bezirksrichterin Assange Auslieferung verboten, Ende des Jahres wurde diese Entscheidung vom High Court gekippt. Zudem unterzeichnete die damalige britische Innenministerin Priri Patel eine Auslieferungsanweisung. Versuche von Assanges Anwälten diese zu stoppen, wurden juristisch zurückgewiesen.
2. Julian Assange wird ausgeliefert und klagt vor dem Europäischen GerichtshofScheitern Assange und sein Team vor dem High Court sind in England alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft. Jedoch könnte es für ihn noch einen Weg über ein anderes Gericht geben, das die Auslieferung blockieren könnte: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Diese Möglichkeit zu nutzen, hatten Assanges Anwälte vor dem Prozess angekündigt.
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Zwar ist Großbritannien nicht mehr Teil der EU, aber als Mitglied des Europarates sind Entscheidungen des EGMR für das Land rechtlich bindend. Aber: Selbst wenn sich der Gerichtshof dem Fall annimmt, könnte es Jahre dauern bis eine Entscheidung fällt.
Kostbare Zeit, in der Assange längst in die USA überführt sein könnte. Denn die sogenannte „Individualbeschwerde“, die Assanges Anwälte einreichen könnten, schützt ihn nicht vor einer Auslieferung. Stattdessen müssten sie sich auf Artikel 39 der Verfahrensordnung des EGMR berufen. Dieser besagt, dass bevor das Verfahren entschieden ist, „vorläufige Maßnahmen bezeichnet“ werden können – in Assanges Fall also die Verhinderung der Abschiebung. Der Artikel 39 wird in solchen Fällen häufig zur Rate gezogen. Die rechtlichen Hürden sind dafür aber sehr hoch.
3. Julian Assange wird an die USA ausgeliefert und muss in HaftWenn Assange also vor Gericht in London scheitert und auch das EGMR nicht schnell genug eingreift, wird der Journalist in die USA ausgewiesen. In Großbritannien sind seine rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, das Verfahren wäre abgeschlossen. Beobachterinnen und Unterstützer Assanges fürchten besonders dieses Szenario. Schon länger gibt es Bedenken von Expertinnen und Experten zu dem Umgang mit dem WikiLeaks-Gründer.
Assange gilt als gesundheitlich und psychisch angeschlagen. Seit mehr als vier Jahren sitzt er im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Auslieferungshaft, zuvor verbrachte er sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London – aus Angst vor einer Auslieferung nach Schweden. In dem Land gab es Vorwürfe wegen Sexualdelikten, die mittlerweile fallen gelassen wurden. Die Sorge ist groß, dass Assange aufgrund des Drucks der vergangenen Jahre Suizid begeht oder sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert. In den USA drohen Assange bei Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.
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Wenn die Anhörung scheitert, gibt es Fristen, innerhalb derer er von dem Land abgeschoben wird. Würde Großbritannien ihn sofort ausliefern, würde es einer Entscheidung des EGMR zuvorkommen. Und damit für zukünftige Entscheidungen eventuell an Glaubwürdigkeit einbüßen.
4. Julian Assange wird ausgeliefert und durch Joe Biden begnadigtDer Fall Assange begleitet nicht nur Präsident Biden durch seine gesamte Amtszeit, auch Donald Trump und Barack Obama beschäftigten sich bereits damit. Assange veröffentlichte vor 14 Jahren gemeinsam mit der mittlerweile verurteilten Whistleblowerin Chelsea Manning geheime Informationen über Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan, darunter das Video mit dem Titel „Collateral Murder“. Es zeigt, wie Soldaten bei einem Einsatz in Bagdad aus einem Kampfhubschrauber heraus Zivilisten getötet haben. Dafür soll er unter dem US-Spionagegesetz verurteilt werden – obwohl Assange australischer Staatsbürger ist.
In seiner Regierungszeit hatte sich Barack Obama noch gegen ein Auslieferungsgesuch entschieden. Seine Nachfolger Trump und Biden setzten sich aber beide dafür ein.
Besonders Joe Biden steht dafür in der Kritik. Und er befindet sich in einer Glaubwürdigkeitskrise: Der amtierende US-Präsident fußte nämlich seine Kampagne zur US-Wahl teilweise auf der Unterstützung einer freien Presse. Am Internationalen Tag der Pressefreiheit sagte Biden zudem: „Journalismus ist kein Verbrechen. Es ist elementar für eine freie Gesellschaft.“ Und trotzdem beharrt Biden weiter auf einer Ausweisung und einem Prozess in den USA. Kritiker warfen ihm deshalb Heuchelei vor. Eine Begnadigung durch Präsident Biden gehört also zu den eher unwahrscheinlichen Szenarien.
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Auch Assanges Heimatland Australien mischt sich in den Fall ein. In einer Abstimmung befand sich der Großteil der australischen Parlamentsmitglieder, dass der 52-Jährige in sein Land zurückkehren dürfe – und nicht an die USA ausgeliefert wird. Premierminister Anthony Albanese rief deshalb sowohl die britische als auch die amerikanische Regierung dazu auf, den Fall einzustellen und Assange nach Australien zurückkehren zu lassen. Auch US-Präsident Biden übermittelte er diese Bitte persönlich bei einem Regierungsbesuch. Das Ringen um Assange könnte also weitergehen.