Führerschein: Grüne wenden sich gegen französische Parteifreunde

21 Sep 2023

Die deutschen Grünen haben sich deutlich von Vorschlägen der französischen grünen EU-Abgeordneten Karima Delli zur EU-Führerscheinrichtlinie distanziert, nachdem diese sowohl aus der Bundesregierung als auch von der Opposition scharf kritisiert wurden.

Führerschein - Figure 1
Foto EURACTIV Germany

Delli, die Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments, schlug wesentliche Änderungen am Vorschlag der EU-Kommission für eine aktualisierte Führerscheinrichtlinie vor. Die EU-Mitgliedstaaten sollten demnach verpflichtet werden, spezielle Regeln für Fahranfänger, SUVs und ältere Fahrer einzuführen.

„Vorschläge wie ein Nachtfahrverbot für junge Autofahrer oder ein Extraführerschein für SUV gehen komplett an der Realität der Leute vorbei und sind Unsinn“, sagte Grünen-Bundesvorsitzender Omid Nouripour der Augsburger Allgemeinen am Donnerstag (21. September).

„Dieser Käse ist nicht die Position der deutschen Grünen, auch nicht die der deutschen Grünen im Europaparlament“, fügte er hinzu.

Delli hatte unter anderem vorgeschlagen, eine neue Führerscheinklasse „B+“ für Autos mit einem Gewicht von mehr als 1,8 Tonnen einzuführen, zu der Fahranfänger keinen Zugang haben sollen. Die Standard-Führerscheinklasse B würde dagegen nur für Fahrzeuge unter diesem Gewicht gelten.

Delli schlug außerdem vor, den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, nächtliches Fahren für Fahranfänger zu beschränken – dies wäre für die Mitgliedstaaten allerdings nicht verpflichtend.

Die deutsche grüne EU-Abgeordnete Anna Deparnay-Gruneberg erklärte gegenüber Euractiv: „Es ist aus unserer Sicht problematisch, die Mängel, die wir gewiss bei Sicherheitsstandards und in der Klimapolitik sehen, über die Führerscheinrichtlinie beheben zu wollen“.

„Wir als deutsche Grüne haben von Anfang an aus unserer Sicht starke Bedenken angemeldet“, fügte sie hinzu.

Zuvor waren die Vorschläge in Deutschland im gesamten politischen Spektrum auf scharfe Kritik gestoßen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP/Renew Europe) schrieb auf X (ehemals Twitter), er lehne „die Änderungsanträge der Berichterstatterin im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments zur Reform der Führerscheinrichtlinie entschieden ab“.

CDU und CSU (EVP), die die Grünen in den laufenden Wahlkämpfen in Bayern und Hessen zu ihrem Hauptgegner erklärt haben, verurteilten die Vorschläge ebenfalls scharf.

„Die neuesten Vorschläge zur EU-Führerscheinrichtlinie aus Brüssel machen in dramatischer Weise deutlich, wie weit sich mancher grüne Politiker in seinem Elfenbeinturm von den Problemen und Bedürfnissen der normalen Leute entfernt hat“, so Thomas Bareiß, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU im Deutschen Bundestag, in einer Erklärung.

„Die Vorschläge der französischen Abgeordneten Karima Delli sind lebensfern und stellen einzelne Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht“, fügte er hinzu.

Bei der Vorstellung der Vorschläge in einer Sitzung des Verkehrsausschusses des EU-Parlaments am Montag (18. September) räumte Delli ein, dass sie einen „weitreichenden, ehrgeizigen Text“ vorgelegt habe, der aber notwendig sei, um die Zahl der Verkehrstoten zu reduzieren.

„Es steht viel auf dem Spiel – wir sprechen hier über Verkehrssicherheit“, sagte sie. Letztes Jahr seien 20.000 Menschen auf den Straßen der EU getötet worden. „Wir reden hier nicht nur über kalte, simple Statistiken, sondern über immensen Schmerz“, sagte Delli.

„SUVs sind zunehmend in Unfälle verwickelt. Mehr als leichte Fahrzeuge. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Fußgänger getötet werden, ist doppelt so hoch“, fügte sie hinzu.

Medizinische Tests für ältere Fahrer

Die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen an der Führerscheinrichtlinie, die im März als Teil eines „Verkehrssicherheitspakets“ vorgelegt wurden, stießen in Deutschland und Österreich von Anfang an auf scharfe Kritik.

In ihrem ursprünglichen Vorschlag wollte die EU-Kommission eine verpflichtende medizinische Selbstbeurteilung für alle einführen, die einen neuen Führerschein oder die Erneuerung eines bestehenden Führerscheins beantragen. Für Fahrer, die älter als 70 Jahre sind, sollte eine zusätzliche Verpflichtung bestehen, ihren Führerschein alle fünf Jahre zu erneuern.

Delli hat nun vorgeschlagen, die Option der Selbstbeurteilung anstelle einer ärztlichen Untersuchung zu streichen und die Gültigkeit für Fahrer über 80 Jahre auf zwei Jahre zu begrenzen.

Das Bundesverkehrsministerium schrieb dazu auf X: „Der Nutzen regelmäßiger Gesundheitsuntersuchungen ohne konkreten Anlass konnte für die Gruppe der Senioren bislang wissenschaftlich nicht bewiesen werden.“

Begleitetes Fahren für 17-Jährige

Ein weiterer Konfliktpunkt ist der Vorschlag der Kommission für eine EU-weite Regelung für Jugendliche, die demnach bereits mit 17 Jahren einen Führerschein erwerben können, sofern sie stets von einem Erwachsenen auf dem Beifahrersitz begleitet werden.

Dies würde sowohl für die Klasse B für Pkw als auch für die Klasse C für Lkw bis 7,5 Tonnen gelten – ein Schritt, der auch dazu dienen soll, jungen Menschen Karrieremöglichkeiten als Lkw-Fahrer zu eröffnen.

Das EU-Straßengüterverkehrsgewerbe leidet derzeit unter einem gravierenden Mangel an Fahrern. Branchenvertreter fordern die Abgeordneten auf, die Altersgrenzen für den Beruf zu senken, um die Lücke an Arbeitskräften zu schließen.

Während Delli eine vollständige Streichung der entsprechenden Artikel in den Vorschlägen vorschlug, schrieb das Bundesverkehrsministerium: „Das begleitete Fahren ist ein echtes Erfolgsmodell und soll künftig EU-weit möglich sein“.

In Deutschland ist das begleitete Fahren bereits ab 17 Jahren möglich, allerdings nur für die Führerscheinklasse B.

Andere EU-Staaten warnten jedoch vor der Einführung eines solchen Systems, insbesondere für Lastkraftwagen. So warnten Vertreter der Niederlande und Portugals in einer ersten Debatte über die Vorschläge im Juni, dass dies ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte.

Die Mitglieder des Verkehrsausschusses haben bis heute Zeit, Änderungsanträge einzureichen. Die Änderungsanträge des Verkehrsausschusses müssen dann vom gesamten Europäischen Parlament gebilligt werden, bevor sie die offizielle Position des Parlaments in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten werden.

[Bearbeitet von Sean Goulding Carroll /Zoran Radosavljevic]

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