EU Führerschein-Richtlinie: Drohen neue Hammer-Regeln für den ...

21 Sep 2023
Führerschein

2023 soll von der EU eine neue Führerscheinrichtlinie verabschiedet werden. Danach soll der B 196 international gelten und das B-Klasse-Gewichtslimit eingeschränkt steigen. Zuletzt sorgen drastische Forderungen für Aufsehen. Hier alle Infos.

Die EU will 2023 eine neue Führerscheinrichtlinie verabschieden, die Veränderungen beim Pkw-Führerschein und bei der Führerscheinprüfung für Fahranfänger sowie mehr Freiheiten für Zweiradfahrer mit B-196-Schein bringen könnte.

Um die Führerscheinvorgaben für alle Bürger der EU weiter zu vereinheitlichen, überarbeitet die EU derzeit die Führerscheinrichtlinien. Der erste Entwurf der 4. Führerscheinrichtlinie wurde im Mai 2023 vorgelegt und seither auf EU-Ebene diskutiert. Die Vorschläge der Kommission gehen im nächsten Schritt an das Europaparlament und die Mitgliedstaaten zur Beratung. Nicht alle Themen, die im Vorfeld erwartet wurden, finden sich im Entwurf wieder. Dafür wurden neue Themen von der EU aufgegriffen. Bevor die neue Führerscheinrichtlinie allerdings in Deutschland in Kraft tritt, muss sie in nationales Recht überführt werden.

Drohen neue Hammer-Regeln?

Am 18. September verkündete die französische EU-Abgeordnete Karima Delli (Grüne) auf ihrem Account bei X (vormals Twitter), dass sie einen "Berichtsentwurf zur Überarbeitung der Führerscheinregeln in der EU" vorlegen werde, der für diese neuen Führerscheinrichtlinien Anwendung finden solle. Und dieser Entwurf hatte es durchaus in sich. Delli fordert unter anderem rigorose Ablaufzeiten für die Auto-Fahrerlaubnis. Diese solle generell nur noch zehn Jahre lang gelten, bei Autofahrern über 60 nur noch sieben Jahre, ab 70 lediglich noch fünf Jahre und ab 80 Jahren maximal zwei Jahre. Danach müsse die Fahrerlaubnis mit einer Prüfung erneuert werden.

Dellis weitere Ideen sind ebenso spektakulär. So fordert sie eine Beschränkung der Klasse B-Autoführerscheine auf Fahrzeuge mit maximal 1,8 Tonnen Leergewicht, um die Verbreitung schwerer SUV einzubremsen. Nicht berücksichtigt hat sie dabei, dass Elektroautos mit ihren schweren Batterien sehr oft über diesem Limit liegen, selbst ein VW ID.3 wäre dann aus dem Rennen. Ebenso in ihrem Entwurf zu finden: Ein generelles Tempolimit von 90 km/h sowie Nachtfahrverbote für Fahranfänger. Zusätzlich sind verpflichtende Medizinisch-Psychologische Untersuchungen für betagte Autofahrer aufgeführt.

Zwangs-MPU für Rentner?

Was dabei in vielen Medienberichten nicht berücksichtigt wird: Bei Karima Dellis Entwurf handelt es sich eben um genau das: Einen Vorschlag, der zur Diskussion gestellt wird. Dass Sie mit ihren Forderungen letztlich durchkommt, ist sehr unwahrscheinlich. Schon jetzt haben sich zahlreiche Verkehrspolitiker in der EU in Stellung gebracht und ihre Ablehnung solcher Regeln angekündigt. Sogar aus eigenen Reihen bekommt Delli Gegenwind: "Wir als deutsche Grüne haben von Anfang an aus deutscher Sicht starke Bedenken angemeldet", wird die Grünen-Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg zitiert. Deshalb ist jenseits reißerischer Schlagzeilen in der Boulevardpresse Panik fehl am Platz. Nachfolgend stattdessen alle Infos zu den tatsächlich erwartbaren Änderungen.

B 196 wird international, B-Klasse darf eingeschränkt mehr

Führerscheininhaber der Klasse B sollen künftig auch schwerere Fahrzeug bewegen dürfen. Das Gewichtslimit (zulässige Gesamtmasse) soll von derzeit 3,5 Tonnen auf 4,25 Tonnen steigen. Damit dürften Klasse B-Inhaber dann beispielsweise auch größere Wohnmobile bewegen. Allerdings sieht der Entwurf hier Einschränkungen vor. Das angehobene Gewichtslimit soll nur für Fahrzeuge gelten, die mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden. Zudem muss der Führerscheininhaber die Klasse B bereits seit zwei Jahren besitzen.

Motorrad-Quereinsteiger, die den Weg auf das Zweirad mit dem B-196-Schein geschafft haben, sollen ihre Leichtkrafträder mit bis zu 125 Kubikzentimetern Hubraum künftig auch im Ausland bewegen dürfen. Bisher ist die B-196-Regelung nur national anerkannt.

Änderungen beim Lkw-Führerschein

Diskutiert wird zudem die Herabsetzung des Mindestalters für Lkw- und Busführerscheine. In Deutschland kann die Klasse C für Lkw momentan erst mit 21 Jahren, die Klasse D für Busse erst mit 24 Jahren erworben werden. Die generelle Absenkung des Mindestalters, wie ursprünglich diskutiert, ist allerdings nicht mehr Teil des vorliegenden Entwurfs. Der Entwurf sieht nur noch die Möglichkeit einer Mindestalter-Absenkung im Bereich der öffentlichen Sicherheit, wie zum Beispiel der Feuerwehr vor. Auch ein begleitetes Fahren im Rahmen des Lkw-Führerscheins (C17) soll künftig möglich sein.

Digital-Führerschein geplant

Mit der neuen Führerscheinrichtlinie nimmt die EU ebenfalls beim Thema "Digitaler Führerschein" einen neuen Anlauf. Ziel ist es, dass bei einer Polizeikontrolle oder bei der Autovermietung die entsprechende App auf dem Smartphone reicht. Für die Führerschein-Scheckkarte ist außerdem ein QR-Code anstelle des heutigen Chips angedacht, um ihn fälschungssicherer zu machen.

Neue Regeln für Fahrschüler

Änderungen könnten sich auch für Fahrschüler ergeben. Bislang ist es nicht möglich, theoretische und praktische Führerscheinprüfung in unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten zu absolvieren. Das soll künftig erlaubt sein. Dazu müsste allerdings die bisherige Wohnsitzregelung vereinfacht werden.

Wie der ADAC berichtet, wird außerdem darüber diskutiert, mit der praktischen Ausbildung erst nach erfolgreicher theoretischer Prüfung zu beginnen. Zudem könnte die Fahrprüfung zukünftig zumindest teilweise in Simulatoren abgenommen werden.

Fahrtauglichkeits-Check ab 70

Künftig sollen Autofahrer über 70 möglicherweise alle fünf Jahre ihre Fahrtauglichkeit überprüfen lassen. In einigen EU-Ländern ist das bereits Praxis. Nach dem Entwurf der Richtlinie müssen alle Mitgliedstaaten Führerscheine von Personen, die 70 Jahre alt sind, auf maximal 5 Jahre befristen. So können Verkehrstauglichkeitsüberprüfungen oder Auffrischungskurse in allen Mitgliedstaaten leichter eingeführt werden. Der Führerschein muss dann im Alter regelmäßig umgetauscht werden. Ob und inwieweit das auch in Deutschland umgesetzt wird und wie ein derartiger Check aussehen könnte, ist noch unklar.

Internationale Anerkennung begleitetes Fahren – B17

Eine gute Nachricht für Führerscheinneulinge: Die Rahmenbedingungen für das begleitete Fahren sollen vereinheitlicht und EU-weit anerkannt werden. Fahrten im Rahmen des begleiteten Fahrens über die Landesgrenzen hinweg wären dann möglich. Es soll außerdem eine europaweite, einheitliche Probezeit von 2 Jahren eingeführt werden.

Strafen und Punkte international gültig

Aber auch bei Führerscheinstrafen soll es in der EU einheitlicher zugehen. Die Länge des Führerscheinentzugs (z.B. wegen Alkoholfahrten) soll vereinheitlicht und gegenseitig anerkannt werden. Ein in Italien verhängtes Fahrverbot würde dann auch in Deutschland gelten.

In diesem Zusammenhang werden auch einheitliche Grenzwerte bei Alkohol- und Drogenkonsum angestrebt, die Punktesysteme in den verschiedenen Ländern sollen angeglichen und die Führerscheindaten aller EU-Bürger in einer europaweiten Datenbank gespeichert werden. Das soll Polizeikontrollen erleichtern.

Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die Abstimmung im EU-Parlament bis Ende März stattfindet. Anschließend soll die vierte Führerscheinrichtlinie den EU-Rat und das EU-Parlament passieren. Anschließend sind die einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bei der Umsetzung der neuen Regelungen für Autofahrer gefragt.

Ja, das ist modern!Nein, ist mir zu unsicher!

Die geplante neue EU-Führerscheinrichtline bringt neue Freiheiten für B-Klasse-Inhaber und B-196-Fahrer. Auch der Führerschein könnte endlich digital werden. Allerdings drohen auch Führerscheinsanktionen, die dann international gültig wären. Das wiederum dürfte nicht jedem schmecken. Noch befinden sich alle Vorschläge in der Entwurfsphase, was letztlich tatsächlich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

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