FDP plant Aus für Rente mit 63 - SPD empört

FDP Rente mit 63

Schärfere Regeln beim Bürgergeld, die Rente komme noch später - ein Papier der FDP empört die SPD und könnte die Ampel vor eine neue Zerreißprobe stellen. Andere Parteien sehen das Bündnis am Ende.

Die FDP-Spitze will heute ein Konzept für schärfere Regeln beim Bürgergeld und das Aus für die Rente mit 63 auf den Weg bringen. Das Papier sorgt schon vorab für Streit in der Ampel-Koalition - die SPD lehnt die Vorschläge strikt ab.

Generalsekretär Kevin Kühnert griff den Koalitionspartner im „Tagesspiegel“ frontal an: „Die SPD lässt nicht zu, dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird. Grundlage der Ampel-Koalition ist und bleibt der Koalitionsvertrag.“

Das FDP-Präsidium will das Konzept nun beschließen, am kommenden Wochenende soll der Bundesparteitag der Liberalen in Berlin darüber entscheiden. Das zweiseitige Papier sieht unter anderem vor, dass Jobverweigerern künftig 30 Prozent ihrer Leistungen sofort gekürzt werden können.

Weitere Punkte im FDP-Konzept

Bislang ist das nur stufenweise möglich. Zu den zwölf Punkten „zur Beschleunigung der Wirtschaftswende“ zählen auch die Abschaffung der Rente mit 63 Jahren, steuerliche Vorteile für das Leisten von Überstunden und ein Bürokratieabbau auf mehreren Ebenen, unter anderem auch im Bausektor.

Tatsächlich war die Zahl von Bürgergeldempfängern, denen Leistungen wegen der Ablehnung von Arbeitsangeboten gekürzt wurden, im vergangenen Jahr überschaubar. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) gab es von Februar bis Dezember 2023 insgesamt 15.774 Fälle - bei insgesamt rund 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehern, von denen 3,9 Millionen als erwerbsfähig gelten.

Für Januar 2023 liegt keine Differenzierung nach Gründen vor. Insgesamt zählten die Jobcenter im vergangenen Jahr mehr als 226.000 Fälle von Leistungskürzungen. Die meisten (84,5 Prozent) erfolgten demnach, weil die Betroffenen ohne Angabe eines wichtigen Grundes nicht zu Terminen erschienen waren.

Baerbock: FDP-Vorstoß in aktueller Weltlage problematisch

Außenministerin Annalena Baerbock hält die FDP-Vorschläge angesichts der aktuellen Weltlage für problematisch. „Wir sehen, dass diese turbulente Weltlage, gerade auch für Demokratien eine große Herausforderung ist, weil Autokratien ganz gezielt die jetzige, so volatile Situation nutzen, um Demokratien zu destabilisieren“, sagte die Grünen-Politikerin auf die Frage, was sie vom Konzept der FDP-Spitzen für eine Wirtschaftswende halte. „Deswegen brauche es gerade in solchen Momenten, gerade vor der Europawahl, Geschlossenheit zwischen (...) allen demokratischen Akteuren in unseren Gesellschaften.“

Fraktionschef Rolf Mützenich nannte die Forderungen der FDP „ein Überbleibsel aus der Mottenkiste und nicht auf der Höhe der Zeit“. SPD-Chef Lars Klingbeil nannte es richtig, dass man etwas tun müsse, um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu sichern. „Wenn die FDP aber glaubt, dass es der Wirtschaft besser geht, wenn es Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht, dann irrt sie gewaltig“, sagte er „Bild“. 

FDP-Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann verteidigte auf NDR Info das Reformpapier. Es sei ein richtiger Schritt zur richtigen Zeit, sagte sie. „Wenn wir das nicht machen, werden wir auch nicht die Mittel haben, die wiederum für Sicherheit von großer Relevanz sind“, sagte sie. Für die Menschen, die Hilfe benötigten, werde es keine Abstriche geben. Aber das Lohnabstandsgebot müsse gewährleistet sein. Eine wirtschaftliche Wende sei nötig, und dafür diene das Konzept als Signal, weil man die Herausforderungen sonst nicht stemmen könne. Strack-Zimmermann kündigte zugleich an, auf die Koalitionspartner SPD und Grüne zuzugehen.

FDP-Haushalter Karsten Klein forderte eine sofortige Kurswende der Bundesregierung. Zur „Bild“ sagte Klein: „Das Papier muss unmittelbar zu Regierungshandeln führen. Die deutschen Arbeitsplätze haben keine Zeit zu warten. Die Situation erlaubt keinen zeitlichen Verzug. Das sollte jedem klar sein.“

Ampel-Streit: Wagenknecht fordert Neuwahl am 1. September

Angesichts eines drohenden Koalitionsstreits in der Ampel hat die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht Neuwahlen zum 1. September gefordert. „Die Scheidungspapiere der Ampel sind längst unterzeichnet. Aber für ein Trennungsjahr bis Ende 2025 hat das Land keine Zeit“, sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) solle dem Parlament die Vertrauensfrage stellen. „Der Bundestag sollte den Weg für Neuwahlen am 1. September frei machen.“ Wagenknecht warf Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner vor, längst im Wahlkampfmodus zu sein.

Am 1. September werden in Thüringen und Sachsen neue Landtage gewählt. An diesem Tag sollten alle Bürger die Chance erhalten, „den Ampel-Spuk abzuwählen“, forderte Wagenknecht, die im Januar mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), eine eigene Partei gegründet hatte.

Die Union sieht die Koalition mit der Verbreitung des FDP-Papiers ähnlich wie Wagenknecht am Ende. CSU-Chef Markus Söder hatte gegenüber der „Bild am Sonntag“ von einer „Scheidungsurkunde für die Ampel“ gesprochen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte die FDP auf, „sich ehrlich zu machen“. Entweder steige sie aus der Ampel aus – oder setze wichtige Maßnahmen um, sagte Linnemann.

© dpa-infocom, dpa:240422-99-760459/7

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