Tarifverhandlungen für Öffentlichen Dienst gescheitert: „Verdi agiert ...

30 Mär 2023
Beschäftigte im öffentlichen Dienst nehmen auf dem Marienplatz an einem Warnstreik teil. Mit Warnstreiks hat die Gewerkschaft in den vergangenen Wochen Druck in den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst gemacht. Jetzt hat Verdi die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Unser Kommentator kritisiert das heftig. © picture alliance/dpa

Verdi hat die Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst für gescheitert erklärt. 8 Prozent und 3.000 Euro seien nicht genug. Unser Autor kritisiert das als schamlos überzogene Haltung

3 Min Lesezeit

Die Inflation macht uns allen zu schaffen. Die Preise sind stark gestiegen. Das merken wir nicht nur anhand unserer Strom- und Gasrechnungen. Das spüren wir auch bei Mieten, dem Einkauf im Supermarkt, bei der Urlaubsbuchung und überall da, wo es gegen Geld etwas zu kaufen gibt.

Daher habe ich großes Verständnis, wenn die Gewerkschaften dafür kämpfen, dass ihre Mitglieder eine ansehnliche Lohn- und Gehaltserhöhung bekommen. Sie müssen ja irgendwie über die Runden kommen. Und dass gerade für die unteren Lohngruppen ein Sockelbetrag viel wichtiger ist als eine prozentuale Steigerung, ist ebenfalls nachvollziehbar.

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Das alles gilt selbstverständlich nicht nur für Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Das gilt auch für die rund 2,5 Millionen in den Kommunen und beim Bund im Öffentlichen Dienst tätigen Menschen. Dass die Gewerkschaft Verdi hier eine gewisse Hartnäckigkeit zeigt, liegt in der Natur der Sache. Verdi will etwas von den Arbeitgebern, was diese nicht abgeben wollen. Mehr Geld eben.

Das alles ist nicht neu, sondern gehört zu Tarifauseinandersetzungen wie das Tor zum Fußball. Die Tarifkämpfe folgen immer einer ganz eigenen Choreographie, bei der am Ende das immer gleiche Schlussbild steht: Arbeitgeber und Gewerkschafter betonen nahezu wortgleich, man habe extrem hart verhandelt, sei bis ans Äußerste des Vertretbaren gegangen und habe sich auf einen gerade noch akzeptablen Kompromiss geeinigt.

Gewerkschafter bleiben bei Maximalforderung

Das Zauberwort hier heißt „Kompromiss“. Das bedeutet meiner Auffassung nach, dass beide Seiten aufeinander zugehen müssen. Das kann ich in der aktuellen Auseinandersetzung nicht erkennen. Auch nach drei Verhandlungsrunden rücken die Gewerkschafter nicht von ihren Maximalforderungen (10,5 Prozent und mindestens 500 Euro im Monat mehr) ab.

Auf der anderen Seite haben die Arbeitgeber ihr Angebot aus dem Februar (5 Prozent Plus zwei Einmalzahlungen von insgesamt 2.500 Euro) jetzt noch einmal deutlich aufgestockt auf: 8 Prozent bei mindestens 300 Euro plus 3.000 Euro Einmalzahlung.

Kein Kompromiss in Sicht

„Nicht überbrückbar“ nannte Verdi-Chef Frank Werneke die Unterschiede zwischen der Gewerkschaftsforderung und dem Angebot der Arbeitgeber. Und da bin ich – ehrlich gesagt – fassungslos.


Um beim Bild einer Brücke zu bleiben: Über eine Brücke sollte man von beiden Seiten aufeinander zugehen. In diesem Fall sind die Arbeitgeber mehr als zwei Drittel des Weges über die Brücke auf Verdi zugegangen. Die Gewerkschafter aber stehen an ihrem Ende der Brücke wie festgewurzelt und sagen: Wir gehen nicht über die Brücke auf euch zu, ihr müsst schon ganz zu uns kommen.

Das ist keine zum Kompromiss bereite Einstellung, das ist dessen halsstarrige, von Realitätsverlust und einem Hauch von Vermessenheit begleitete Verweigerung. Ich bin sicher, dass ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland eine Lohnsteigerung von 8 Prozent plus 3.000 Euro sofort freudig akzeptieren würde. Mehr geht natürlich immer, aber einen so großen „Schluck aus der Pulle“, um im Gewerkschafts-Jargon zu sprechen, bekommt man eben nicht alle Jahre angeboten.

„Verdi hat jedes Maß verloren“

An diesem Punkt die Verhandlungen trotzdem für gescheitert zu erklären, ist daher aus meiner Sicht kein Beweis für gutes Taktieren, sondern für eine schamlos überzogene Forderungshaltung. Verdi hat ganz offensichtlich jedes Maß verloren.

Auch wenn das sicherlich den einfachen Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst – egal, ob Müllwerker, Erzieherin in der Kita, Pflegekraft im Krankenhaus, Feuerwehrmann, Verwaltungssachbearbeiter oder Kanalarbeiter – nicht immer bewusst ist, sollten zwei Dinge auch ihnen klar sein:

1. Sie genießen im Öffentlichen Dienst Privilegien, die sie in der Privatwirtschaft nicht haben. Das gehört mit in die Gesamtrechnung.

2. Jeder einzelne Cent, den Verdi mehr erstreitet, müssen alle Bürgerinnen und Bürgerinnen bezahlen, entweder über Steuern oder über Gebühren. In den Kommunen wird das beispielsweise nahezu zwangsläufig höhere Gebühren etwa für Müllabfuhr, Straßenreinigung und Abwasserbeseitigung ebenso zu Folge haben wie höhere kommunale Steuern, etwa die Grund- und die Hundesteuer. Diese höheren Kosten werden auch Verdi-Mitglieder tragen müssen.

Muskelspielchen auf Kosten aller

Ich halte das Angebot der Arbeitgeber nicht für so inakzeptabel niedrig, als dass es einen vernünftigen Grund gäbe, an dieser Stelle die Verhandlungen abzubrechen. Mir drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass es der Gewerkschaft Verdi in diesem Jahr gar nicht in erster Linie um eine angemessene Gehaltssteigerung geht – die soll und wird sie bekommen, sondern in erster Linie um den Ausbau ihrer eigenen Stärke. Muskelspielchen auf unser aller Kosten.

Das aber ist ein Missbrauch der Rolle, die eine Gewerkschaft spielen sollte.

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