Nachfolger von Christine Lambrecht Wer wird Verteidigungsminister?

15 Jan 2023
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht plant Rücktritt kommende Woche – Debatte um Nachfolge beginnt

Seit Monaten steht sie unter Druck, blieb aber immer standfest. Medienberichten zufolge will Christine Lambrecht nun doch zurücktreten.

15. Januar 2023, 11:43 Uhr•Berlin

Christine Lambrecht (SPD) könnte laut Medienberichten bald von ihrem Amt der Bundesverteidigungsministerin zurücktreten.

Christine Lambrecht (SPD) könnte laut Medienberichten bald von ihrem Amt der Bundesverteidigungsministerin zurücktreten. © Foto: Robert Michael/dpa

Für die Verteidigungsministerin war es ein schweres Jahr: Es herrscht Krieg und dann folgte noch eine Panne nach der nächsten. Schon lange wird in Berlin gemunkelt, dass Christine Lambrecht (SPD) nicht bis Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben wird. Wie mehrere Medien am Wochenende berichteten will Lambrecht in der kommenden Woche ihren Rücktritt verkünden. Sprecher von Bundesregierung und SPD wollten sich zunächst nicht zu den Berichten äußern. Trotzdem hat die Debatte um ihre Nachfolge schon begonnen.

Rücktritt von Lambrecht: Was ist der Grund?

Über die Gründe gibt es keine offiziellen Details, allerdings kann man es sich schon denken. Bei ihrer jüngsten Panne hatte sie ein Video an Silvester gedreht, in dem sie über das schreckliche Kriegsjahr sprach – während die Stadt offenbar im Hintergrund am Feiern war. Im Anschluss hat die CDU ihren Rücktritt gefordert – und auch innerhalb der Koalition war man wohl mit der Ministerin unzufrieden. Das war aber nur der letzte in einer Reihe von Pannen, zudem wurde immer wieder ihre Kompetenz im Amt kritisiert.

Nachfolge von Lambrecht: Wer wird Verteidigungsminister?

Die Frage lautet nun also: Wer könnte auf Lambrecht im Verteidigungsministerium folgen? Da das Ressort in der Koalition der SPD zugeteilt wurde, kommt eigentlich nur jemand aus dieser Partei infrage. Vermutlich wird Olaf Scholz außerdem versuchen, eine Frau als Nachfolgerin auf den Posten zu setzen. Damit würde er seinem Grundsatz treu bleiben, sein Kabinett paritätisch besetzt zu haben.

Eine mögliche Kandidatin für das Ressort wäre Siemtje Möller. Sie gilt als Expertin für Verteidigungsthemen und hat bereits Erfahrung im Verteidigungsausschuss gesammelt. Sie ist aktuell Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium. Der „Bild“ zufolge wird aber als mögliche Kandidatin die Wehrbeauftragte Eva Högl in Betracht gezogen. Sie genießt einen guten Ruf in der Bundeswehr und gilt überparteilich als kompetente Wehrbeauftragte.

Sollte sich der Bundeskanzler von der Parität verabschieden, dann wäre auch SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil eine Option. Als Sohn eines Soldaten genießt er Vertrauen in relevanten Kreisen.

Weitere SPD-Abgeordnete, die mit dem Thema Verteidigungspolitik vertraut sind, sind folgende aktuelle Ausschussmitgliederinnen:

Rebecca SchamberMarja-Liisa VöllersSarah LahrkampGabriela HeinrichKatrin BuddeLuiza Licina-Bode

Möglich wäre es auch, dass Scholz doch außerhalb seiner eigenen Partei nach einer geeigneten Nachfolge sucht. Besonders die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann konnte sich seit dem Ukraine-Krieg als Kompetenz profilieren.

Kabinettsumbildung denkbar: Faeser könnte auch gehen

Allerdings ist auch eine größere Kabinettsumbildung denkbar, wenn auch eher unwahrscheinlich. Nicht nur der Posten von Christine Lambrecht könnte bald frei werden - auch Innenministerin Nancy Faeser (auch SPD) könnte bald zurücktreten. Grund wäre in ihrem Fall, dass sie möglicherweise als Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen in Hessen aufgestellt wird. Damit müsste sie ihr Amt im Innenministerium räumen. Dann hätte Bundeskanzler Scholz gleich zwei wichtige Ämter zu füllen. Auch der einst gefeierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist lange nicht mehr so beliebt wie früher. Bei einer Kabinettsumbildung könnte Scholz die Chance ergreifen, auch hier jemand neues einzusetzen.

Das alles ist aktuell nur Spekulation. Bisher ist aus der Regierung noch nicht einmal der Rücktritt der Ministerin bestätigt.

Die Pannen der Verteidigungsministerin

Seitdem Christine Lambrecht das Verteidigungsressort übernommen hat, gab es Zweifel an ihrer Kompetenz für das Amt. Vor der Bekanntgabe der Minister im Kabinett wurde Lambrecht eher als Kandidatin für das Innenministerium gehandelt. Spätestens als der Krieg in der Ukraine ausbrach, mehrten sich die Stimmen nach einem Wechsel im Ressort. Die Kontroverse begann damit, dass Lieferungen an die Ukraine offenbar viel zu spät ankamen - zum Beispiel die 5000 Helme, die das Ministerium noch im Januar 2022 liefern wollte. Die kamen erst nach Ausbruch des Kriegs an. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bezeichnete Lambrechts zögerliche Haltung im Ukraine-Krieg damals als einen „Witz“.

Als Lambrecht ihr Amt im Dezember 2021 antrat, war ihr bewusst, dass sie eine über viele Jahre zusammengesparte Truppe mit massiven Ausrüstungsmängeln übernahm. Sie versprach, die Verbesserung des Beschaffungswesens bei der Bundeswehr zur Priorität zu machen.

Wie mühsam das sein würde, musste sie erkennen, als wegen des im Februar begonnen Ukraine-Kriegs plötzlich ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro eingerichtet wurde, um die Bundeswehr wieder fit für die Landes- und Bündnisverteidigung zu machen. Es dauerte bis Dezember, bis die ersten der vielen geplanten Rüstungsprojekte auf den Weg gebracht waren.

Es waren aber die persönlichen Auftritte der Ministerin, die ihr besonders viel Häme einholten. Im Frühjahr geriet sie beispielsweise unter Beschuss, weil sie ihren Sohn in einem Bundeshubschrauber nach Sylt in den Urlaub mitfliegen ließ. Wie sich später herausstellte, hatte sie an sich nichts falsch gemacht, und die Kosten für den Flug selbst bezahlt.

Christine Lambrecht sitzt seit 25 Jahren im Bundestag

Auch in der eigenen Partei fragten sich viele, wie einer erfahrenen Politikerin solche Fehler unterlaufen können. Denn Lambrecht ist seit zweieinhalb Jahrzehnten in der Bundespolitik. Nach Juristen-Ausbildung und Arbeit als Anwältin wird sie 1998 erstmals als Abgeordnete in den Bundestag gewählt. Nach der Geburt ihres Sohnes nimmt sie ihn mit zur Arbeit. "Mein Sohn ist im Bundestag groß geworden", erzählte sie einmal der "Zeit". Gewickelt habe sie das Kind auf dem Schreibtisch.

Fünfmal schafft die gebürtige Mannheimerin dann bis 2017 die Wiederwahl, ist mehrere Jahre Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Als Olaf Scholz im März 2018 Finanzminister wird, holt er sie als Parlamentarische Staatssekretärin in sein Ressort.

Im Juni 2019 wird Lambrecht Justizministerin, als die damalige Amtsinhaberin Katarina Barley in die Europapolitik wechselt. Als Juristin ist sie auf dem Posten in ihrem Element. Engagiert kämpft sie gegen Hass und Hetze im Netz und für eine Stärkung von Frauenrechten.

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