Galeria Karstadt Kaufhof: Rettung oder hinausgezögertes Problem?

von Christina Lohner

10.04.2024, 11:27 4 Min.

Alte Bekannte werden die neuen Eigentümer der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Der Handelsexperte Jörg Funder befürchtet eine Verlängerung des Siechtums. Ein tragfähiges Konzept sei von den Investoren nicht zu erwarten

Galeria Karstadt Kaufhof - Figure 1
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Die Unternehmer Richard Baker und Bernd Beetz sollen Medienberichten zufolge über ein Konsortium die insolvente Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen. „Eine skurrile Kombination“, wie Handelsexperte Jörg Funder sagt. Der Experte befürchtet, dass es unter der Regie der beiden weitergeht wie in den vergangenen Jahren, wie er im Gespräch mit ntv.de erklärt – und damit statt einer blühenden Zukunft für die Kaufhäuser eher deren Untergang bevorsteht.

Die neuen Investoren sind alte Bekannte für Galeria. Dem US-Amerikaner Baker gehörte Galeria Kaufhof über die kanadische Handelskette Hudson's Bay Company (HBC) von 2015 bis 2019 schon einmal, bis die Kette von René Benkos Signa-Gruppe übernommen wurde und mit Karstadt fusionierte. Beetz war 2018/19 Kaufhof-Aufsichtsratschef.

Handelsexperte Jörg Funder

© Privat

„Damals ist Baker sang- und klanglos gescheitert“, sagt Funder, der das Institut für Internationales Handels- und Distributionsmanagement der Hochschule Worms leitet. Seine Idee, neue Marken aus dem angloamerikanischen Raum zu etablieren, habe nicht funktioniert. „Die deutschen Kunden kannten sie nicht“, erzählt Funder. „Das hat nur für mehr Komplexität im Warenhaus gesorgt.“

Glauben die Investoren selbst nicht ans Warenhaus?

Der Experte geht davon aus, dass es dem Investor vor allem um die Immobilien ging, die damals noch der Warenhauskette gehörten. Obwohl Baker aus dem Warenhaus-Geschäft kommt, glaubt Funder nicht, dass der Investor deren Geschäftsmodell für zukunftsfähig hält. Beetz wiederum sei vor allem beim Kosmetikunternehmen Coty im Einsatz gewesen und damit Experte für Konsumgüter, nicht für Kaufhäuser.

Funder vermutet, dass die beiden den Zuschlag des Insolvenzverwalters erhielten, weil sie zusagten, mehr Filialen zu übernehmen, als sich langfristig halten lassen. Die kolportierte Zahl von mehr als 60 der 92 verbliebenen Filialen hatte der Experte selbst veranschlagt – allerdings im Jahr 2008. Doch heute, nach der Coronapandemie und mit veränderten Konsumentenfrequenzen in den Innenstädten, sei die Zahl viel zu hoch gegriffen. Während vor gut 15 Jahren noch über 100.000 Einwohner für ein Kaufhaus genügten, seien heute eher 200.000 nötig.

Galeria Karstadt Kaufhof - Figure 2
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Der Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof wird offenbar von einem Konsortium aus dem US-Investor Richard Baker und dem deutschen Unternehmer Bernd Beetz übernommen. Für beide Männer wäre es eine Rückkehr

„Dann sind wir aber nicht mehr bei 60 überlebensfähigen Filialen, sondern eher bei 20“, sagt Funder. „Das klingt nach einer Totgeburt, wenn man 60 Filialen weiterbetreiben will.“ Noch ist das Konzept der Investoren nicht bekannt, der Handelsexperte erwartet aber ein ähnliches Vorgehen wie bei der Karstadt-Übernahme im Jahr 2010 durch den Investor Nicolas Berggruen. „Mir wird heute noch schlecht, weil er in den Medien als sozialer Investor dargestellt wurde“, sagt Funder.

Hohe Zahl von Filialen statt Zukunftskonzept

Auch damals habe es deutlich bessere Konzepte für Karstadt gegeben, trotzdem habe Berggruen den Zuschlag erhalten, weil er die meisten Filialen erhalten wollte. Dabei sei es selbst bei gut laufenden Häusern schwierig, mit dem operativen Geschäft Geld zu verdienen, betont Funder. Denn diese müssen ihrem jeweiligen Ertrag entsprechend eine Umlage für die Kosten der Zentrale bezahlen, sodass etwa aus sieben Prozent Gewinn schnell ein sehr niedriger bis negativer Betrag wird.

Investoren wollen mit ihrer Anlage aber Geld verdienen. Deshalb hält Funder es für wahrscheinlich, dass das operative Geschäft von Galeria Karstadt Kaufhof auch in diesem Fall für einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro verkauft wird und die Markenrechte gesondert. „Für die Markenrechte von Karstadt musste Berggruen damals etwa 5 Mio. Euro bezahlen.“

In der Regel kaufe in solchen Fällen eine Gesellschaft die Markenrechte, die an das operative Geschäft verleast werden. Um an die Filialen den Namen Galeria Karstadt Kaufhof schreiben zu dürfen, müsste die Warenhauskette dann zum Beispiel im ersten Jahr einige Millionen Euro bezahlen. „Mit Finanzkonstruktionen lässt sich Geld verdienen, aber das sind keine Investitionen“, kritisiert Funder. Kurzfristige Darlehen würden als Investitionen deklariert, auf die die Unternehmen dann jedoch hohe Zinsen zahlen müssen.

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Das Warenhaus-Konzept hat ausgedient

Wie Baker und Beetz mit dem operativen Geschäft Geld verdienen wollen, kann sich der Branchenkenner kaum vorstellen. Selbst 20 überlebensfähige Filialen würden seiner Einschätzung nach nicht mehr als eigenständiges Warenhaus funktionieren, sondern nur noch durch die Vermietung guter Flächen und Konzessionsmodelle, dass also externe Anbieter gegen Gebühr im Kaufhaus ihre Waren ausstellen. Das eigene Sortiment und der eigene Einkauf würden dann entfallen oder sich auf risikoarme Warengruppen beschränken. Zu solchen Produkten mit niedrigem Warenwert und hohem Umschlagstempo zählen beispielsweise Socken. „Alles andere halte ich für halsbrecherisch“, sagt Funder.

Die Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof sei für Innenstädte positiv, sagt Handelsexpertin Theresa Schleicher. Die Warenhaus-Flächen könnten künftig als Lager genutzt werden, damit eine Art lokales Amazon entstehe

Die Zukunft von Kaufhäusern läge in gutem Service und engagierten Mitarbeitern. „Deren Zahl immer weiter zu senken, war der Todesstoß“, meint Funder. „Investoren haben immer nur an Personen gespart und nicht an einem Konzept gearbeitet.“ Deshalb ist es in seinen Augen auch kein Wunder, dass dem ein oder anderen der verbliebenen 12.800 Mitarbeiter nach zahlreichen Sparrunden die nötige Servicementalität fehlt. „Wenn man jahrelang durchgeschüttelt wird, wird einem irgendwann schwindelig.“

Gut verkaufen lässt sich in Warenhäusern, was woanders nicht zu bekommen ist, also nur wenige Produktkategorien wie Kurz- und Haushaltswaren, vereinzelt auch Wohnaccessoires. „Nur verkauft sich das nicht in dem Maße, dass Sie davon ein großes Warenhaus betreiben können“, stellt Funder klar. Mode mache inzwischen 70 Prozent des dortigen Angebots aus, allerdings fehle dabei der Unterschied zur Konkurrenz. „Da bekommen Sie, was Sie überall sonst auch kaufen können.“

Individuelle Ausrichtung für jeden Standort

Nötig wäre eine individuelle Anpassung des Sortiments an den jeweiligen Standort, erklärt Funder, also mit Blick auf den übrigen Einzelhandel in einer Stadt. Davon ist bei Baker und Beetz nicht auszugehen – in den Augen des Branchenkenners agieren sie eher „glücksrittermäßig“. „Sowohl Baker als auch Beetz waren in der Vergangenheit nicht in der Lage, ein echtes Konzept vorzulegen, sondern haben nur Partikularinteressen umgesetzt, wenn es zum Beispiel um Immobilien ging.“

Zu solchen Geschäftspraktiken zählte etwa auch, als Investor die Immobilien an seine eigenen Warenhäuser zu überhöhten Mieten vermieten. „Benko hat danach im Prinzip das Gleiche gemacht. Es gab kein strategisches Konzept, es ging nicht um das operative Geschäft, sondern nur um die Immobilien.“ Wie viele Filialen nun nach der dritten Pleite erhalten bleiben, hängt auch davon ab, wie stark die überhöhten Mieten sinken.

„Die Mieten werden aber nur ein Fragment sein“, betont Funder. „Viel wichtiger wird es sein, den Konsumenten wieder für das Warenhaus zu begeistern.“ Solange der Kunde mit seinen Füßen abstimme, also entscheidet, ob er im Warenhaus einkauft oder eben nicht, spielten die Mieten nur eine nachgeordnete Rolle. „Wichtig ist es im ersten Schritt, zukunftsfähige Umsätze zu generieren.“ Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof fällt Ende Mai die Gläubigerversammlung.

Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört ebenso wie Capital zu RTL Deutschland.

#Themen Galeria Karstadt Kaufhof Kaufhaus Einzelhandel Signa René Benko
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