Arian wird seit Tagen vermisst: Sein Autismus könnte ihm das Leben ...

12 Tage vor
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Stand: 27.04.2024, 04:49 Uhr

Von: Carmen Mörwald

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Weiterhin suchen hunderte Einsatzkräfte nach dem vermissten Arian. Eine Expertin erklärt, warum seine Erkrankung ihm helfen könnte.

Bremervörde – Auch Tage nach seinem Verschwinden fehlt von dem sechsjährigen Arian jede Spur (Stand: 26. April). Der Junge gilt seit Montagabend (22. April) als vermisst. Seitdem sind mehrere hundert Einsatzkräfte, darunter Polizei, Feuerwehr und Bundeswehr, rund um Bremervörde in Niedersachsen unterwegs, um ihn zu finden. Obwohl sein Autismus nach Aussage eines Vermisstenexperten die Rettungsaktion erschwere, könne es sein, dass die Erkrankung ihm das Leben rettet.

Expertin meldet sich zu Wort: Arian hat durch Autismus vielleicht „bessere Chancen als ein anderes Kind“

Da Arian Autismus hat, kann er sich verbal wohl nicht ausdrücken und reagiert nicht auf Ansprachen. Vermisstenexperte Peter Jamin erklärte im Gespräch mit IPPEN.MEDIA., dass ganz besondere Mittel nötig seien, um das Kind zu finden und dessen Aufmerksamkeit zu erregen. Die Polizei ergriff daher unübliche Maßnahmen, zum Beispiel die Verteilung von Luftballons und Süßigkeiten sowie das Abspielen von Kinderliedern. Bisher blieben diese Bemühungen jedoch erfolglos.

Laut Jutta Bertholdt, Ergotherapeutin mit dem Schwerpunkt Autismus, könnte ausgerechnet Arians Erkrankung ihm allerdings helfen, zu überleben. „Ich denke, er hat vielleicht dadurch, dass er Autist ist, bessere Chancen als ein anderes Kind“, verriet sie im Gespräch mit Bild. „Die Belastung ist für ihn eventuell nicht so groß wie für andere, weil er Hunger und Durst nicht so schlimm wahrnimmt. Der Junge hat vermutlich keine Angst vor dem Wald oder vor der Dunkelheit“, so die Aussage der Expertin.

Was ist Autismus?

Autismus ist eine komplexe und vielgestaltige neurologische Entwicklungsstörung. Häufig bezeichnet man Autismus beziehungsweise Autismus-Spektrum-Störungen auch als Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung, die sich auf die Entwicklung der sozialen Interaktion, der Kommunikation und des Verhaltensrepertoires auswirken.

Quelle: Bundesverband Autismus Deutschland e. V.

Weiter führte Bertholdt aus, dass ihm eher die Gesellschaft Angst mache. Er werde sich vermutlich nicht ekeln und beispielsweise aus Pfützen trinken. „Die Wahrnehmung autistischer Menschen ist eine andere ist als unsere. So nehmen sie alles auf, was sie sehen, hören, riechen, aber in anderer Qualität“, erklärte die Ergotherapeutin der Autismus-Ambulanz der Lebenshilfe Bremervörde/Zeven. „Ihre Eindrücke kommen oft ungefiltert an. Es fällt ihnen sehr schwer, die Stimmung anderer zu verstehen.“

„Es sollte kein großer Jubel ausbrechen“: Expertin mahnt bei Fund von Arian zur Vorsicht

Die Einsatzkräfte spielen mittlerweile auch Tonaufnahmen der Familie ab, um den vermissten Jungen zu finden, wie Bertholdt berichtete. Während der Bruder ihn auffordere, zu ihm zu kommen, um mit ihm zu spielen, gebe die Mutter Arian die Erlaubnis, zu den Suchenden zu gehen. Die Expertin vermutet, dass ein Autist das von allein vermutlich nicht tun würde. Arian spricht zwar nicht, hält zu seinen Bezugspersonen aber Augenkontakt und fragt so quasi um Erlaubnis, schreibt Bild dazu.

Seit Montagabend wird der sechsjährige Arian vermisst. Eine Expertin erklärt, warum sein Autismus ihm helfen könnte, zu überleben.

Seit Montagabend wird der sechsjährige Arian vermisst. Eine Expertin erklärt, warum sein Autismus ihm helfen könnte, zu überleben. © Daniel Bockwoldt/dpa

Wenn der sechsjährige Arian gefunden wird, „sollte kein großer Jubel ausbrechen“, so Bertholdt. „Das würde ihn eher verschrecken. Auch sollte man ihn nicht anfassen. Berührungen sind häufig sehr, sehr angsteinflößend für autistische Menschen. Man sollte sich vorsichtig nähern, einmal seinen Namen sagen und dass man ihn zur Mama bringt.“ Dazu mahnte die Ergotherapeutin, dass die Ansprache immer auf Augenhöhe geschehen solle und man immer direkt sagen müsse, was er tun soll.

Tatsächlich ist es nicht unüblich, dass Kinder mit Autismus von Zuhause weglaufen. Eine Studie von Forschern des Cohen Children Medical Center von New York (CCMC) deutet darauf hin, dass in den USA im Jahr mehr als ein Viertel der Kinder im Schulalter mit Autismus-Spektrum-Störung (ASD) verloren gehen. Besonders häufig geschieht dies demnach auf öffentlichen Plätzen. Die seit Jahren vermisste Rebecca Reusch wurde dagegen im Haus ihres Schwagers das letzte Mal gesehen. (cln)

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