Islamischer Staat bekennt sich zu Angriff in Konzerthalle

23 Mär 2024
Anschlag Moskau Konzerthalle

Stand: 23.03.2024 04:19 Uhr

Der "Islamische Staat" hat sich zu dem Angriff auf eine Konzerthalle in Moskau bekannt. Die Dschihadistenmiliz veröffentlichte eine Erklärung im Kurzmitteilungsdienst Telegram. Bei dem Anschlag starben nach Ermittlerangaben mehr als 60 Menschen.

Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) will den Anschlag auf ein Veranstaltungszentrum in Moskau verübt haben. Die Gruppe bekannte sich zu der Tat im Kurzmitteilungsdienst Telegram. Eine offizielle Bestätigung russischer Behörden für diese Behauptung liegt noch nicht vor.

Terrorexperte hält Bekennerschreiben für echt

Der Terrorexperte Peter Neumann vom King's College in London hält das Bekennerschreiben der Terrormiliz zum Anschlag bei Moskau aber für echt. Das schrieb er in einem Post auf X, vormals Twitter. "Die Bekennernachricht lief über alle offiziellen IS-Kanäle. Ich und meine Kollegen können das hundertprozentig bestätigen."

Der aus Deutschland stammende Wissenschaftler warnte vor Falschnachrichten, die auf russischen Telegram-Kanälen kursierten mit der Behauptung, die IS-Mitteilung sei gefälscht. Es gebe "bereits massenweise Fake-News - vermutlich, um das Narrativ zu spinnen, die Ukraine sei für Anschlag verantwortlich", schrieb Neumann.

In den überwiegend muslimischen Republiken im Nordkaukasus kämpften in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Untergrundmilizen gegen die russische Staatsmacht. Tausende Männer kämpften zwischenzeitlich für den "Islamischen Staat" in Syrien und im Irak.

Mehr als 60 Tote in Konzerthalle

Bei dem Anschlag in einer Konzerthalle nahe der russischen Hauptstadt Moskau hatten mindestens drei Personen in Tarnkleidung das Feuer aus automatischen Waffen eröffnet. Laut Ermittlern kamen dabei mehr als 60 Menschen ums Leben.

Das Gesundheitsministerium der Moskauer Region sprach in der Nacht zudem von 145 Menschen, die in Krankenhäuser gebracht worden seien. 60 von ihnen seien in ernstem Zustand. Zuvor war von mehr als 100 Verletzten die Rede gewesen. Die Opferzahl könnte noch steigen. Unter den Verletzten seien auch mindestens acht Kinder, hieß es.

Der Vorfall ereignete sich in der Crocus City Hall während eines Konzertes der russischen Band "Piknik" aus Sankt Petersburg. Die Halle bietet Sitzplätze für Tausende Zuschauer.

Identität der Angreifer unklar

Über die Identität der Angreifer gibt es bislang keine Angaben. Laut der Nachrichtenagentur RIA seien sie vermutlich vorerst entkommen. Die Agentur zitierte einen Sprecher des Untersuchungsausschusses des Landes mit den Worten, es sei noch zu früh, um etwas über das Schicksal der Angreifer zu sagen. Etwa zeitgleich teilte ein russischer Abgeordneter mit, die Nationalgarde werde wieder von der Halle abgezogen. Sie habe das Erdgeschoss, die erste Etage und das unterirdische Parkhaus durchsucht.

Die oberste russische Ermittlungsbehörde prüft einen terroristischen Hintergrund. Es sei eine entsprechende Untersuchung eingeleitet worden. Die Sicherheitsbehörden erklärten, dass es mindestens eine Explosion gegeben habe. Daraufhin sei ein Brand ausgebrochen. Laut der Nachrichtenagentur RIA wurden die oberen Stockwerke des Gebäudes durch das Feuer zerstört. Die Agentur Tass hatte berichtet, das Feuer habe auf etwa ein Drittel des Gebäudes übergegriffen und auf fast das komplette Dach.

Waffen und Munition gefunden

Polizei, Nationalgarde, OMON-Spezialtruppen des Innenministeriums und Rettungskräfte waren vor Ort. Ermittler stellten Waffen und Munition in dem Gebäude sicher. Das zeigte ein kurzes Video, dass vom Staatlichen Ermittlungskomitee Russlands am frühen Morgen veröffentlicht wurde.

Zu sehen waren eine Maschinenpistole vom Typ Kalaschnikow und Gurte voller Magazine. Tütenweise sammelten die Ermittler die Hülsen verschossener Patronen ein. Die Opfer des Anschlags seien bis zum Morgen alle aus dem Gebäude gebracht worden, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf einen Korrespondenten am Ort des Geschehens.

"Blutiges terroristisches Attentat"

Das russische Außenministerium nannte den Angriff ein "blutiges terroristisches Attentat". "Die gesamte Weltgemeinschaft muss dieses verabscheuungswürdige Verbrechen verurteilen", schrieb Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa im Onlinedienst Telegram. Der russische Präsident Wladimir Putin wünschte den Verletzten des Anschlags derweil baldige Genesung. Das berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die stellvertretende Ministerpräsidentin Tatjana Golikowa.

Der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin sprach von einer großen Tragödie. Er sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Sobjanin ergänzte, alle Sport-, Kultur- und sonstigen Veranstaltungen in Moskau seien für das Wochenende abgesagt worden.

Reaktionen aus dem Ausland

Das Auswärtige Amt in Berlin kondolierte den Familien der Opfer und sprach von einem "furchtbaren Angriff auf unschuldige Menschen". Die Hintergründe müssten rasch aufgeklärt werden, heißt es in einer Nachricht auf dem Kurznachrichtendienst X.

Auch die Europäische Union reagierte bestürzt auf den Anschlag bei Moskau. Die EU sei angesichts der Berichte über einen Terroranschlag schockiert und entsetzt, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell auf der Plattform X mit. "Die EU verurteilt jegliche Angriffe gegen Zivilisten. Unsere Gedanken sind bei allen betroffenen russischen Bürgern."

UN-Generalsekretär António Guterres sprach den betroffenen Familien und den Menschen in Russland sowie der Regierung sein "tiefes Beileid" aus, wie es in einer Mitteilung hieß. Den Verletzten wünschte Guterres eine rasche Genesung.

Der UN-Sicherheitsrat forderte nach dem "feigen und abscheulichen Terroranschlag" Aufklärung. Täter, Organisatoren, Finanziers und Sponsoren müssten zur Rechenschaft gezogen und vor Gericht gestellt werden. Alle Staaten seien aufgefordert, nach dem Völkerrecht und den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates aktiv mit der Regierung Russlands und anderen zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten.

USA sehen keine Hinweise auf Verwicklung der Ukraine

In Washington sprach der Vertreter des nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, von "furchtbaren Bildern" aus Moskau, die schwer zu ertragen seien. Noch sei es zu früh, über alle Details des Geschehenen zu reden. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass die Ukraine verwickelt sei, so Kirby. Die USA seien mit ihren Gedanken bei den Opfern der furchtbaren bewaffneten Attacke.

Das Weiße Haus teilte mit, die USA hätten die russischen Behörden eigenen Angaben zufolge in diesem Monat vor einem sich möglicherweise gegen "große Versammlungen" richtenden Anschlag gewarnt. Im März habe die US-Regierung Informationen über einen "geplanten Terroranschlag in Moskau" gehabt, der sich möglicherweise gegen "große Versammlungen, einschließlich Konzerte", richtete, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson. Washington habe die Informationen mit den russischen Behörden geteilt. Auch andere westliche Botschaften hatten zuletzt vor Terroranschlägen in Moskau gewarnt. Der Kreml hatte dies als Provokation des Westens bezeichnet.

Der Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, Mychailo Podoljak, erklärte, die Ukraine habe nichts mit den Schüssen in Moskau zu tun. Der Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Andrii Jusow, sagte der Zeitung "Ukrainska Prawda", die Tat sei eine gezielte Provokation russischer Spezialkräfte. Der russische Präsident Putin begehe Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung.

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