Türkei: Opposition gewinnt Kommunalwahlen in der Türkei

1 Apr 2024

Die oppositionelle CHP hat die Kommunalwahlen in der Türkei laut vorläufigem Ergebnis klar gewonnen. Das Ergebnis könnte auch Folgen für die Präsidentenwahl 2028 haben.

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Foto ZEIT ONLINE

Aktualisiert am 1. April 2024, 6:11 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, isd

Anhänger der CHP feiern den Wahlsieg bei den Kommunalwahlen. © Ilker Eray/​Middle East Images/​AFP/​Getty Images

Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist es eine schwere Niederlage: Nicht seine AKP, sondern die größte Oppositionspartei der Türkei, die CHP, hat laut vorläufigen Ergebnissen die Kommunalwahlen deutlich gewonnen. Vor allem in den Metropolen setzte sie sich durch: In Istanbul erklärte sich der amtierende CHP-Bürgermeister Ekrem İmamoğlu nach Auszählung fast aller Stimmen zum Sieger. Auch in Ankara verkündete der dortige CHP-Bürgermeister Mansur Yavaş den eigenen Sieg bei der Wahl.

Für die islamistisch-konservative AKP Erdoğans ist der Wahlausgang der größte Misserfolg seit Jahrzehnten. Noch bevor das offizielle Wahlergebnis vorlag, räumte der Präsident die Niederlage seiner Partei ein. "Leider haben wir nicht die Ergebnisse erzielt, die wir uns gewünscht haben", sagte Erdoğan am Sitz der AKP in Ankara vor einer ungewöhnlich stillen Menschenmenge. Er werde "die Entscheidung der Nation respektieren".

Mit der Bekanntgabe der endgültigen Ergebnisse wird im Laufe des Montags gerechnet.

Erdoğan hat sein Ziel verfehlt

Erdoğan hatte die Rückeroberung insbesondere Istanbuls für die AKP zum Ziel erklärt und sich persönlich in den Wahlkampf in der größten Stadt des Landes eingeschaltet. Als Kandidaten gegen den amtierenden İmamoğlu ließ er seinen früheren Umweltminister Murat Kurum aufstellen. Den vorläufigen Ergebnissen zufolge besiegte İmamoğlu den Erdoğan-Verbündeten aber deutlich mit 51 zu 39,5 Prozent.    

Nach Bekanntwerden von İmamoğlus Sieg strömten zahlreiche Anhänger zur Stadtverwaltung. Auch vor dem Sitz der CHP in Istanbul versammelte sich eine große Menschenmenge. Anhänger schwenkten türkische Flaggen und zündeten Flaggen an, um das Ergebnis zu feiern. "Morgen ist ein neuer Frühlingstag für unser Land", sagte İmamoğlu.

İmamoğlu hatte bereits die Bürgermeisterwahl 2019 gewonnen – damals zur Überraschung von Beobachtern. Zuvor war die größte Stadt der Türkei 25 Jahre lang von der AKP und ihren Vorgängerparteien regiert worden. Für Erdoğan ist die erneute AKP-Niederlage in Istanbul besonders schmerzhaft – auch, weil er selbst seine politische Karriere dort begonnen hat. In den Neunzigerjahren war er Bürgermeister der Millionenstadt, bevor er 2003 auf nationaler Ebene an die Macht kam – zunächst als Ministerpräsident, ab 2014 dann als Präsident.

Experten halten es für denkbar, dass İmamoğlu Erdoğan und dessen AKP auch auf nationaler Ebene gefährlich werden könnte. Der CHP-Politiker wird als möglicher Kandidat für die nächste Präsidentschaftswahl 2028 gehandelt.

"Die Tür öffnen für ein neues politisches Klima"

Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel wertete das vorläufige Ergebnis der Kommunalwahlen als Zeichen, dass "die Wähler dafür gestimmt haben, das Gesicht der Türkei zu verändern". Er fügte hinzu: "Sie wollen die Tür öffnen für ein neues politisches Klima in unserem Land."

Erfolge feierte die CHP außer in Istanbul und Ankara auch in der drittgrößten Stadt Izmir sowie in Antalya. Fast endgültigen Ergebnissen zufolge liegt die Oppositionspartei auch in einigen Provinzhauptstädten vorn, die lange von der AKP dominiert wurden. Siege verzeichnete die AKP laut den vorläufigen Ergebnissen in mehreren Großstädten in Anatolien, wie Konya oder Erzurum, und an der Schwarzmeerküste. In mehreren großen Städten im kurdisch geprägten Südosten der Türkei erzielte die prokurdische Partei DEM einen komfortablen Vorsprung, darunter in der Großstadt Diyarbakır.

Zu den Kommunalwahlen waren 61 Millionen Menschen in allen 81 Provinzen der Türkei aufgerufen. Der Wahlkampf galt als unfair – ein Großteil der Medien in der Türkei steht unter direkter oder indirekter Kontrolle der Regierung. Bestimmende Themen waren neben der hohen Inflation von offiziell 67 Prozent auch die Erdbebenvorsorge und Infrastrukturprojekte.

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