Abstimmung in Thüringen: „Ein ganz besonderer politischer ...

Thüringen

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hat die Verabschiedung eines CDU-Gesetzentwurfs mit den Stimmen der AfD im Landtag als dunkelsten Punkt seines parlamentarischen Lebens bezeichnet. Ramelow sagte am Donnerstagabend im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, wenn man den Tag Revue passieren lasse, dann sei dieser „der schwärzeste aller Tage“.

Das Ziel, Familien zu stärken, hätte die CDU auch zusammen mit den Regierungsparteien erreicht können, kritisierte Ramelow. Die Union müsse sich fragen, ob es ihr auf Inhalte ankomme oder ob sie am Ende die Türe öffne, damit die AfD von einer bürgerlichen Mehrheit sprechen könne.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warnte vor den Folgen der Abstimmung für den Parlamentarismus in Deutschland. „Die heutige Abstimmung im Erfurter Landtag war kein Unfall. Die CDU in Thüringen hat sich sehenden Auges darauf eingelassen, eine politische Entscheidung herbeizuführen, die ohne die Stimmen der AfD nicht möglich gewesen wäre“, sagte Kühnert am Donnerstag dem ARD-Hauptstadtstudio.

Das sei eine neue Qualität im deutschen Parlamentarismus, so der SPD-Politiker. „Wenn das in der CDU Schule macht, dann wird der Parlamentarismus nach dem heutigen Tag ein anderer sein. Demokraten dürfen die AfD niemals zum parlamentarischen Zünglein an der Waage machen.“

Auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion griff die CDU an. „Diese Abstimmung war ein ganz besonderer politischer Tabubruch“, sagte Katja Mast der Zeitschrift „Der Spiegel“. „Das ist ein schlimmer Abend. Wir reden von einer Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Höcke-AfD“, sagte Mast weiter.

Weidel: Merz’ Brandmauer ist Geschichte

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz betonte hingegen, es habe keinerlei Absprachen mit der AfD gegeben. Unterstützung bekam er vom Vorsitzenden der Schwesterpartei CSU. Mit Blick auf Merz’ Äußerung vor der Abstimmung, die CDU bringe in mehreren Landtagen eine Senkung der beim Immobilienkauf fälligen Grunderwerbssteuer ein und mache sich dabei nicht von anderen Fraktionen abhängig, sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder im RTL-„Nachtjournal Spezial“: „Ich glaube, da hat er Recht.“ Im übrigen läge es an den anderen demokratischen Parteien, „diese gute Idee einer Steuersenkung zu unterstützen, denn Entlastung für Bürger ist ja nichts Extremes, sondern sinnvoll“.

Die Vorsitzende der AfD, Alice Weidel, erklärte die strikte Abgrenzung der CDU zu ihrer Partei für erledigt. „Merz’ Brandmauer ist Geschichte – und Thüringen erst der Anfang“, schrieb sie am Abend auf der Plattform X (vormals Twitter). „Es wird Zeit, dem demokratischen Willen der Bürger überall in Deutschland zu entsprechen. Deshalb AfD.“

Zuvor hatte die oppositionelle Thüringer CDU im Landtag gegen den Willen der rot-rot-grünen Minderheitskoalition eine Senkung der beim Immobilienkauf fälligen Grundsteuer durchgesetzt, weil neben der FDP auch die AfD zustimmte. Die AfD ist in Thüringen vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft. Die Regierungskoalition hat keine eigene Mehrheit

Lindner sieht Verantwortung allein bei der CDU

FDP-Chef Christian Lindner weist indes eine Mitverantwortung seiner Partei in Thüringen zurück. „Jetzt wollen wir Ursache und Wirkung nicht verwechseln“, sagte der Bundesfinanzminister währende einer Live-Interviewveranstaltung der Zeitung „Augsburger Allgemeine“ in Augsburg. Es sei ein Antrag der CDU-Landtagsfraktion gewesen. „Deshalb ist das jetzt die Verantwortung der CDU.“

Dem guten Anliegen, die Grunderwerbsteuer zu senken, damit Menschen leichter Eigentum erwerben könnten, sei „kein Gefallen getan worden“, sagte Lindner. Und mit Blick auf die Zustimmung der vom Verfassungsschutz des Landes als rechtsextrem eingestuften AfD: „Das halte ich für kein gutes Signal.“

Die Vorsitzende des FDP-Nachwuchses Junge Liberale, Franziska Brandmann, sieht hingegen auch ihre eigene Partei in der Verantwortung, Politik nicht mit Hilfe der AfD zu machen. „Rechtsextreme Parteien dürfen nicht normalisiert werden. Und um das zu verhindern muss immer klar sein: Bürgerliche Politik muss ohne die AfD gemacht werden. Punkt“, sagte Brandmann im ARD-Hauptstadtstudio.

Grünen-Geschäftsführerin wirft CDU Zusammenarbeit mit AfD vor

Die Grünen-Spitze wirft unterdessen die Frage auf, ob man sich auf das Wort von CDU-Chef Friedrich Merz noch verlassen könne. Bundesgeschäftsführerin Emily Büning sagte: „Mit dieser Entscheidung geht die CDU Thüringen einen weiteren Schritt zu einer Normalisierung der gesetzgeberischen Zusammenarbeit mit der vom thüringischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD.“

Dies sei eine „drastische Verschiebung“, die weit über die Landesgrenzen Thüringens hinaus wirke. Merz habe dies ganz offenbar geduldet, obwohl er eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD öffentlich immer wieder ausgeschlossen habe. „Nun muss er sich die Frage gefallen lassen, ob sein Wort noch etwas gilt“, sagte Büning.

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt verteidigt das Vorgehen seiner Partei. „Ich kann nicht gute, wichtige Entscheidungen für den Freistaat, die Entlastung für Familien und der Wirtschaft, davon abhängig machen, dass die Falschen zustimmen könnten“, sagte Voigt nach der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes. Für ihn sei wichtig, dass man mit Inhalten überzeuge. „Ich will deutlich sagen: Die Leute haben die Schnauze voll von diesen parteitaktischen Spielen“, sagte er in der ARD zu der Kritik von Linken, SPD und Grünen. Es sei um eine Entlastung der Menschen gegangen.

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