Laudatio auf Salman Rushdie: Vom Himmel fallen und überleben

Salman Rushdie

Salman Rushdie umarmt seinen Kollegen und Freund Daniel Kehlmann nach dessen Laudatio in der Frankfurter Paulskirche. Bild: Getty

Seine Phantastik ist kein Eskapismus, sondern ein Verfahren, uns die Menschennatur in ihrer Größe und Schwäche, ihrer Hin­fälligkeit und Ausgesetztheit zu zeigen: Laudatio auf den Friedenspreisträger Salman Rushdie.

Niemand geht zu einer Preisverleihung wegen des Laudators, da braucht man sich keine Illusionen zu machen. Ein Laudator ist ein offiziell bestellter Quälgeist, ein Zeitdieb, dessen Worte man sich anhört, weil er nun mal zur Zeremonie gehört wie ein Schaffner zur Zugfahrt. Sie wären also in jedem Fall und bei jedem Preisträger nicht hier, um mich zu hören, aber unter diesen besonderen Umständen, in Anwesenheit von Salman Rushdie, sind Sie ganz besonders nicht hier, um mich zu hören – und ja, falls Sie noch Zweifel haben, er ist da, er ist wirklich den weiten Weg gekommen, er sitzt unter uns, und ich entschuldige mich dafür, dass ich doch noch ein wenig Ihre Geduld strapazieren muss. Ich verspreche, mich kurz zu halten, auch wenn das nicht so leicht ist, denn über diesen Preisträger gibt es, und auch das überrascht wohl keinen, nicht gerade wenig zu sagen.

„I actually seem to have a mild version of the thing“, schrieb mir Salman am 18. März 2020. „Fever up and down for three days. No cause for alarm.“ Cause for alarm gab es aber durchaus. Im Nach­hinein hat Salman es in einem Essay erzählt: Das Fieber war enorm, das Atmen fiel schwer, und von den in New York völlig überlasteten Krankenhäusern war keine Hilfe zu erwarten. Aber den Nachrichten, die er mir in den quälenden zwei Wochen seiner Covid-Erkrankung schrieb, die voll von Angst, Sorge und Ungewissheit gewesen sein müssen, würde man das nicht anmerken, so gelassen klingen sie, neugierig, fast heiter: „Only thing is to hunker down and tough it out“, heißt es da, und: „On the roller coaster, temperature normal at night but up again in the morning“, und dann wieder: „Just riding it out.“

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