Räumung Lützeraths: Gegenseitige Gewaltvorwürfe

16 Jan 2023
Räumung Lützerath Polizei

Stand: 16.01.2023 02:25 Uhr

Aktivisten berichten von Schlägen auf den Kopf und "lebensgefährlich Verletzten", die Polizei weiß nach eigenen Angaben nichts davon. Beide Seiten werfen sich gegenseitig Gewalt vor. Laut Polizei ist die Räumung von Lützerath inzwischen beendet.

Nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten am Samstag vor dem umkämpften Dorf Lützerath haben sich beide Seiten Gewalttätigkeit vorgeworfen. Es sei eine "hohe zweistellige bis dreistellige Zahl" von Teilnehmern verletzt worden, sagte eine Sprecherin des Sanitäterdienstes der Demonstranten.

Darunter seien viele Schwerverletzte und einige lebensgefährlich verletzte Personen gewesen. Die Verletzungen seien teils durch Pfeffersprays, Schlagstock- und Faustangriffe der Polizisten zustande gekommen. Dabei habe es besonders viele Kopfverletzungen gegeben.

"Systematisch auf den Kopf geschlagen"

"Die Polizei hat also nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch auf den Kopf von Aktivistinnen und Aktivisten geschlagen", sagte die Sprecherin.

Eine Bestätigung gab es dafür nicht. Der Polizei ist nach eigenen Angaben nichts davon bekannt, dass mehrere Teilnehmer lebensgefährlich verletzt worden sein sollen. Ein Demonstrationsteilnehmer sei am Samstag bewusstlos geworden, sagte ein Sprecher der Polizei. Diese Person sei sofort versorgt und dann in einem Rettungswagen abtransportiert worden. Schon in dem Wagen habe sich herausgestellt, dass keine Lebensgefahr bestehe.

Insgesamt wisse die Polizei von zehn Fahrten von Rettungswagen im Zusammenhang mit verletzten Demonstranten. Die Polizei könne auch nicht bestätigen, dass es einen Rettungshubschrauber-Einsatz gegeben habe.

Polizei berichtet von 70 Verletzten

Die Polizei hatte zuvor bereits Vorwürfe der Polizeigewalt zurückgewiesen. Andreas Müller, Sprecher der Polizei, sagte dem WDR: Wer Polizeiketten durchbreche und den Aufforderungen nicht Folge leiste, dem müsse man zunächst unterstellen, ganz bewusst und vorsätzlich die Auseinandersetzungen mit der Polizei gesucht zu haben. Zu dem Vorgehen der Polizei sagte er, "das sind Situationen, die werden wir nach dem Einsatz analysieren und auswerten."

Die Polizei hatte ihrerseits von mehr als 70 verletzten Polizisten gesprochen. Die meisten davon seien am Samstag verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Verletzungen gingen aber nur zum Teil auf Gewalt durch Demonstranten zurück. Teilweise seien die Beamten zum Beispiel auch im schlammigen Boden umgeknickt.

150 Strafverfahren

Seit Mittwoch, dem Beginn der Räumung, seien etwa 150 Strafverfahren wegen Widerstands gegen Polizeibeamte, Körperverletzung und Landfriedensbruchs eingeleitet worden, sagte ein Polizeisprecher. Den Angaben zufolge attackierten einzelne Demonstranten am Samstag auch Einsatzwagen der Polizei und warfen Pyrotechnik in Richtung der Beamten. Der Energiekonzern RWE äußerte sich "entsetzt über die Aggressionen und die Gewalt". Dies habe mit der ansonsten friedlichen Demonstration nichts mehr zu tun.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, sprach ebenfalls von massiven Angriffen eines Teils der Demonstranten auf die Polizei.

Tausende Demonstranten

Am Samstag hatten Tausende im Nachbarort Keyenberg zum größten Teil friedlich demonstriert. Die Polizei sprach von 15.000 Teilnehmern, "Fridays for Future" von mindestens 35.000. Am Rand der Demo versuchten laut Polizei rund 1000 großenteils vermummte "Störer", auf das abgesperrte Gelände von Lützerath zu gelangen.

Abriss geht voran - Räumung beendet

Der Abriss von Lützerath schreitet währenddessen schnell voran. Die meisten Gebäude standen am Sonntag schon nicht mehr. Der Rückbau werde noch acht bis zehn Tage dauern, berichtete die "Rheinische Post" und berief sich auf einen RWE-Sprecher. "Im März oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und abbaggern." Die Polizei hat nach eigenen Angaben inzwischen alle noch verbliebenen Aktivisten aus Baumhäusern und von Bäumen heruntergeholt. Zwei Klimaaktivisten harrten allerdings am Sonntagnachmittag noch immer in einem unterirdischen Tunnel aus. "Es befinden sich keine weiteren Aktivisten in der Ortslage Lützerath", teilte die Polizei am mit.

Aktivisten kündigten weitere Proteste an. Auf einer Pressekonferenz würdigten die Vertreter von "Ende Gelände", "Alle Dörfer bleiben" und "Fridays for Future" am Sonntag die Teilnahme von Zehntausenden Menschen an dem Protest rund um Lützerath als Zeichen der Hoffnung für den Klimaschutz in Deutschland und weltweit. In der kommenden Woche sollen weitere friedliche Aktionen "mit der ganzen Bandbreite des zivilen Ungehorsams" folgen, unter anderem ein Aktionstag am 17. Januar.

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