Abhöraffäre bei der Bundeswehr: Verteidigungsminister Pistorius ...

6 Mär 2024
Abhöraffäre bei der Bundeswehr Verteidigungsminister Pistorius spricht von »individuellem Anwendungsfehler«

Dass Russland eine Taurus-Schalte von Luftwaffenoffizieren abhören konnte, lag laut Verteidigungsminister Boris Pistorius an einem »Datenabfluss« in Singapur. Von dort hatte sich ein Teilnehmer zu der Konferenz zugeschaltet.

Pistorius - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

05.03.2024, 11.58 Uhr

Minister Pistorius

Foto: Tobias Schwarz / AFP

Die russische Abhöraktion bei der internen Besprechung von Luftwaffenoffizieren wurde laut Verteidigungsminister Boris Pistorius durch einen Anwendungsfehler eines Teilnehmers möglich. Pistorius sprach bei einer Pressekonferenz in Berlin über das Zwischenergebnis der internen Prüfung zu dem Vorfall.

»Unsere Kommunikationssysteme wurden nicht kompromittiert«, sagte Pistorius. Dass das Gespräch trotzdem abgehört werden konnte, »geht auf einen individuellen Anwendungsfehler zurück«. Es habe einen Datenabfluss bei einem Teilnehmer in Singapur gegeben. Von dort hatte sich ein Offizier aus seinem Hotelzimmer zugeschaltet. Er war in Asien, um die Singapore Airshow, eine Veranstaltung der Luftfahrtbranche, zu besuchen. In diesem Umfeld und den genutzten Hotels hätten »flächendeckend« gezielte Abhöraktionen russischer Geheimdienste stattgefunden, sagte Pistorius.

Der Offizier wählte sich laut Pistorius über eine »nicht sichere Datenleitung« ein, also per Mobilfunk oder WLAN. Möglich erscheint deshalb, dass die Russen sein Handy abhörten und so bei der internen Besprechung, in die er gegen Mitternacht Ortszeit geschaltet wurde, lauschen und das Meeting sogar aufzeichnen konnten. Pistorius kündigte an, man werde technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, damit sich so ein Vorfall nicht mehr ereigne.

Pistorius schloss indes aus, dass sich unbefugte Personen – etwa ein russischer Spion – in die Schalte einwählen konnten. Zugleich warnte er davor, sich durch derartige russische Aktionen verunsichern zu lassen. Wladimir Putin spiele ein »perfides Spiel«. »Wir werden uns durch diesen hybriden Angriff aus Russland nicht auseinandertreiben lassen.«

Pistorius sagte, es gebe disziplinarische Vorermittlungen gegen die Beteiligten der Konferenz. Nach Abschluss werde entschieden, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. »Persönliche Konsequenzen stehen derzeit nicht auf der Agenda«, sagte er. »Wenn noch Schlimmeres passiert – wovon ich im Augenblick nicht ausgehe –, aber wenn das nicht der Fall ist, werde ich niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern.«

Es werde beispielsweise geprüft, ob es Punkte in dem Gespräch gab, die nicht über die genutzte Plattform hätten erörtert werden dürfen. Die Konferenz fand über den Dienst WebEx statt. Die amerikanische Software ist innerhalb der Truppe und des Ministeriums für Konferenzen über Themen bis zu der Einstufung »Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch« zugelassen. Das ist die niedrigste Geheimhaltungsstufe.

In einer ersten Bewertung kam der Militärische Abschirmdienst (MAD) nach SPIEGEL-Informationen zu dem Ergebnis , dass die Gesprächsinhalte auf dem Audio nicht zwingend eine höhere Einstufung nötig gemacht hätten, da ja teils öffentlich bekannte Informationen ausgetauscht wurden.

Hintergrund ist die Veröffentlichung des Mitschnitts einer Besprechung ranghoher Bundeswehroffiziere, darunter Luftwaffenchef Ingo Gerhartz, durch Russland. Die Offiziere erörterten darin Einsatzszenarien für den Marschflugkörper Taurus, falls Deutschland diesen doch noch an die Ukraine liefern sollte. Bundeskanzler Scholz hat allerdings in den vergangenen Tagen mehrfach gesagt, dass er eine Lieferung des Marschflugkörpers an die Ukraine klar ablehnt . Auch in dem Mitschnitt ist zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung gibt.

Am Montag soll der Verteidigungsausschuss in geheimer Sitzung vom MAD und den weiteren beteiligten Stellen über die Ergebnisse der Ermittlungen zu dem Vorfall unterrichtet werden.

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