Nancy Faeser muss zugeben: Deutschland hat Probleme mit ...

Jung, männlich, arm, ungebildet und aus muslimisch geprägten Ländern – Nancy Faeser kann das Problem der Migrantenkriminalität nicht mehr relativieren

Nancy Faeser - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Die Zahl der Straftaten in Deutschland ist im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Das hängt massgeblich mit der Zuwanderung zusammen, wie der Kriminalitätsbericht 2023 zeigt. Auch die deutsche Innenministerin musste dies nun widerstrebend einräumen.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung der «Polizeilichen Kriminalitätsstatistik 2023» am Dienstag in Berlin.

Hannibal Hanschke / EPA

Es ist ein Moment mit Symbolkraft für die deutsche Debatte um kriminelle Migranten. Als sie zum wiederholten Mal an der Pressekonferenz am Dienstag in Berlin gefragt wurde, ob die illegale Zuwanderung die Bundesrepublik unsicherer gemacht habe, schüttelte Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Kopf, als könne sie die Frage nicht mehr hören, und schwieg. Ja, sagte daraufhin Michael Stübgen, Vorsitzender der Innenministerkonferenz aus Brandenburg, leise und nickte. Ein deutsches Eingeständnis – es musste von einem Landesinnenminister kommen.

Schon Tage vor der Präsentation am Dienstag waren die wichtigsten Zahlen der Kriminalitätsentwicklung in Deutschland durch die Medien gegangen. Laut ihnen wurden im vergangenen Jahr insgesamt 5,95 Millionen Straftaten durch 2,25 Millionen Tatverdächtige begangen, die höchste Zahl seit sieben Jahren. Vor allem der mit 41 Prozent sehr hohe Anteil von Migranten an der Gesamtzahl der Straftäter sorgte für Aufregung. Die meisten von ihnen sind jung, männlich, arm, ungebildet und stammen aus muslimisch geprägten Ländern.

Mit Spannung war erwartet worden, wie die sozialdemokratische Bundesinnenministerin die Entwicklungen einordnen würde. Faeser, die sich lange Zeit etwa gegen schärfere Grenzkontrollen, um wirksamer gegen illegale Migration vorgehen zu können, gestellt hatte, unternahm am Dienstag gar nicht erst den Versuch, die Zahlen zu beschönigen. Die steigende Migration habe zu mehr Straftaten geführt, diesen Zusammenhang gebe es, räumte sie ein. Im vergangenen Jahr hatte sie das noch nicht getan.

In ihrem Eingangsstatement betonte Faeser zunächst Altbekanntes. Deutschland sei weiterhin eines der sichersten Länder der Welt und verfüge über einen starken Rechtsstaat. Hiernach sprach sie von Entwicklungen, «die wir deutlich benennen müssen»: von einem «nicht hinnehmbaren» generellen Anstieg der Gewaltkriminalität, von 250 000 Opfern versuchter oder vollendeter Gewalt, von mehr als 100 000 Angriffen auf Polizisten, von gestiegener Jugendkriminalität. Erst dann kam sie zu dem Problem, das einen Grossteil der Deutschen bei der Kriminalitätsentwicklung derzeit am meisten mit Sorge erfüllt.

14,5 Prozent mehr «nichtdeutsche Tatverdächtige»

Es ist das Problem der Täter. 2023 habe es im Vergleich zum Vorjahr 14,5 Prozent mehr «nichtdeutsche Tatverdächtige» gegeben. Aus den Zahlen des Bundeskriminalamts geht hervor, dass es sogar 17,8 Prozent waren. Hierbei sind allerdings die Verstösse gegen das Ausländerrecht mit eingerechnet, beispielsweise die illegale Einreise.

Für diesen Anstieg gebe es keinerlei Rechtfertigung und «null Toleranz», sagte Faeser. «Null Toleranz» bedeute für sie, dass kriminelle Migranten Deutschland deutlich schneller verlassen müssten als bisher. «Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen», sagte Faeser und forderte eine «konsequente Abschiebung», mutmasslich wohlwissend, dass dies allzu oft an der Realität scheitert.

Wie aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD hervorgeht, konnten allein im vergangenen Jahr 31 330 Abschiebungen nicht vollzogen werden. Zur Begründung heisst es in sperrigem Bürokratendeutsch, es habe entweder eine «Stornierung des Ersuchens» gegeben oder die «Zuführung» sei nicht erfolgt. Nur 16 430 ausreisepflichtige Migranten seien ausgeschafft worden – von insgesamt 279 000 «vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern».

Anders als bei der Vorstellung des Kriminalitätsberichts 2022, als ihre SPD-Parteigenossin Iris Spranger (Berlin) Vorsitzende der Innenministerkonferenz war, hatte Faeser diesmal einen unbequemen Sitznachbarn. Der brandenburgische Ressortchef Stübgen gehört den Christlichdemokraten an und machte die Bundesregierung für das Kriminalitätsproblem verantwortlich. Sie habe es bisher nicht geschafft, sagte er, einen ausreichenden rechtlichen Rahmen zu schaffen, um kriminelle Einwanderer schneller abschieben zu können. Es gebe zu wenig belastbare Rücknahmeabkommen, und die Liste der sicheren Herkunftsstaaten müsse zwingend erweitert werden. Vor allem Letzteres wird aber vom einen Koalitionspartner der Sozialdemokraten in der Bundesregierung, den Grünen, torpediert, etwa im Fall der Maghreb-Staaten.

Es sind indes vor allem diese Länder des nördlichen Afrika, aus denen eine Vielzahl von Intensiv- und Mehrfachstraftätern kommt. Der ebenfalls an der Pressekonferenz anwesende Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, ging darauf zwar erst auf Nachfrage ein. Dann machte er aber deutlich, dass, gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtzahl der Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber aus Georgien, den Maghreb-Staaten und Ländern in Zentralafrika überproportional häufig schwere Straftaten begingen. Weniger auffällig seien hingegen Afghanen, Syrer und Ukrainer, obwohl sie die deutlich stärksten Migrantengruppen stellten. Lediglich Georgien ist von diesen Ländern bis jetzt als «sicheres Herkunftsland» eingestuft, und dies auch erst seit Dezember vorigen Jahres. In Staaten, die nicht in diese Kategorie fallen, können die deutschen Behörden ausländische Straftäter nicht abschieben.

Immer mehr Straftaten durch Minderjährige

Insgesamt ist bei nahezu allen Formen der Kriminalität, die in die Statistik einfliessen, ein Anstieg zu verzeichnen. So hat etwa die Zahl der Fälle von Gewaltkriminalität um 8,6 Prozent auf 214 000 zugenommen – die höchste Zahl seit 17 Jahren. Darunter sind etwa Mord, Totschlag, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Raub zu verstehen. Mit grossem Abstand (72,2 Prozent) sind es jedoch die Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, die hier zu Buche schlagen. Bei 5,8 Prozent dieser Fälle (8951) handelte es sich gemäss den Angaben des Bundeskriminalamts um «Gewaltdelikte mit Messerangriff» – auch hier gab es einen Anstieg um zirka 800 Fälle im Vergleich zu 2022.

Mehr als zwei Drittel der Gewaltdelikte sind Körperverletzungen

Wie sich die im Jahr 2023 erfassten 214 000 Fälle von Gewaltkriminalität in Deutschland auf die verschiedenen Straftaten aufteilen, in Prozent

Obwohl immer mehr Migranten straffällig werden, stuften Faeser, Stübgen und Münch dies nicht als besorgniserregend ein. Dieses Wort gebrauchten sie vielmehr für den Umstand, dass die Tatverdächtigen immer jünger werden. Von den 2,25 Millionen erfassten Tatverdächtigen seien 104 000 Kinder unter 14 Jahren (4,6 Prozent) und 207 000 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren (9,2 Prozent) gewesen. Im Vergleich zu 2022 sei dies eine Steigerung von 12 beziehungsweise 9,5 Prozent und bedeute auch eine massive Steigerung im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. Der Anstieg, heisst es, sei vor allem auf nichtdeutsche Tatverdächtige zurückzuführen.

Gewaltkriminalität: Wachsender Anteil von Minderjährigen

Anteil von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen an allen Tatverdächtigen bei der Gewaltkriminalität in Deutschland in 2023; in Prozent

Es ist dieser Umstand, den der BKA-Chef Münch in der für ihn typischen kryptischen Weise formulierte, wenn ein Thema hochpolitisch wird. «Ja, wir sehen, dass die Migrationsdynamik einen Effekt hat», sagte er. «Wenn wir an Grenzen der Aufnahmefähigkeit kommen, dann wird es problematisch.» Das beste Mittel dagegen ist laut Faeser eine bessere Integration der Migranten. Noch nie habe es so viele Integrationskurse gegeben wie heute, lobte sie sich. Faeser ist als Innenministerin auch für das Bundesamt für Migration (Bamf) zuständig.

Gewaltkriminalität: Immer mehr nichtdeutsche Minderjährige werden straffällig

Anstieg bei den tatverdächtigen Gruppen zwischen 2022 und 2023; in Prozent

Doch dass dies eine sehr vereinfachte Formel für den Kampf gegen Straffälligkeit bei Migranten ist, zeigte eine weitere Aussage von Münch. Auf Nachfrage räumte er ein, dass Deutsche mit ausländischem Hintergrund vergleichsweise häufiger straffällig würden als übrige Bundesbürger. Viele Ausländer, die etwa im Zuge der Migrationskrise 2015 nach Deutschland kamen, sind inzwischen eingebürgert und gelten als deutsche Staatsbürger. Für sie gilt nicht mehr, was der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Stübgen, sagte: «Es muss klar sein, dass man bei uns keinen Anspruch auf Schutz und Hilfe haben kann, wenn man Straftaten begeht.»

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