Truppenaufmarsch an der Grenze: Kosovo fühlt sich eingekreist ...

1 Okt 2023

Spezialeinheiten der kosovarischen Polizei nahe der Grenze zu Serbien: »Entschlossen, die territoriale Integrität zu schützen«

Kosovo - Figure 1
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Foto: AFP

Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo nimmt womöglich bedrohliche Ausmaße an – oder doch nicht? Die Angaben aus Pristina und Belgrad widersprechen sich.

Im Kosovo ist man wegen Militärbewegungen in Serbien alarmiert. Das Militär rücke in Richtung des Kosovo vor – und zwar »aus drei verschiedenen Richtungen«, wie aus einer Mitteilung der kosovarischen Regierung vom Samstagabend hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur per E-Mail vorliegt. Das Vorrücken diene »einer möglichen militärischen Aggression gegen die Republik Kosovo«.

So nähere sich die serbische Armee aus Richtung Raska in Richtung der Nordgrenze des Kosovo, aus der Region Nis in Richtung der nordöstlichen Grenze und aus der Region Vranje der Ostgrenze, schrieb die Regierung in Pristina weiter. Serbien habe Militär und Polizei in 48 vorgeschobene Operationsbasen entlang der Grenze zum Kosovo geschickt, sowie Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie in Stellung gebracht. Kosovo sei in Abstimmung mit internationalen Partnern »entschlossener denn je, die territoriale Integrität zu schützen«, hieß es in der Erklärung der Regierung.

Kosovo - Figure 2
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Vucic beschwichtigt: »Serbien will keinen Krieg«

Serbiens Präsident Aleksander Vucic dementierte in der »Financial Times«  die Absicht zu einem militärischen Schlag gegen das Kosovo. Er werde vielmehr den Befehl zum Rückzug der Truppen geben, da eine Eskalation für Belgrads EU-Aspirationen »kontraproduktiv« wäre. Serbien werde nicht seine eigenen jahrelangen Bemühungen zerstören. »Serbien will keinen Krieg«, sagte er.

Gestern hatten die USA und Deutschland Serbien vor einer Eskalation gewarnt. Das Auswärtige Amt in Berlin rief die serbische Regierung auf, unverzüglich seine Truppen an der Grenze zu reduzieren. US-Außenminister Antony Blinken telefonierte mit Vucic, der den Aufmarsch starker Truppenteile jedoch bestritt und von »Unwahrheiten« sprach.

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic

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Auslöser der neuen Spannungen war am vergangenen Sonntag der Angriff eines 30-köpfigen, schwer bewaffneten serbischen Kommandotrupps in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica im Nordkosovo auf kosovarische Polizisten. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden .

Der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Milan Radoicic bekannte sich zu diesem Überfall. Er behauptete, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Die Regierung in Pristina hält einen Alleingang Radoicic' für ausgeschlossen.

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als hundert Länder, darunter auch Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.

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