Gewaltausbruch im Norden: Polizei im Kosovo zerschlägt ...

25 Sep 2023
Gewaltausbruch im Norden Polizei im Kosovo zerschlägt serbisches Kampfkommando

25.09.2023, 08:51 Uhr Artikel anhören

Kosovo - Figure 1
Foto n-tv NACHRICHTEN

Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden

Seit Monaten nehmen die Spannungen im Kosovo wieder zu. Bei einem Ausbruch der Gewalt werden mehrere Menschen getötet, ein Kloster wird belagert. Nun teilt die kosovarische Polizei mit: Ein serbischer Kampftrupp sei zerschlagen. Der Ministerpräsident des Kosovo spricht von einem "Terrorakt".

Nach schweren Gefechten mit mindestens vier Toten hat die kosovarische Polizei ein im serbisch bevölkerten Norden aktives Kampfkommando weitgehend zerschlagen. Dies teilte der kosovarische Innenminister Xhelal Svecla in Pristina mit.

Der offenbar vom benachbarten Serbien unterstützte Trupp hatte am frühen Sonntagmorgen im Dorf Banjska bei Mitrovica kosovarische Polizisten angegriffen und ein serbisch-orthodoxes Kloster zeitweise unter seine Kontrolle gebracht. Beim ersten bewaffneten Zusammenstoß töteten die Angreifer einen Polizisten und verletzten einen weiteren. Die Gefechte zwischen den irregulären Milizionären und der mit Verstärkungen angerückten Polizei dauerten den ganzen Sonntag über an. Nach kosovarischen und serbischen Angaben wurden drei Angreifer getötet. Ein weiterer kosovarischer Polizist erlitt leichte Verletzungen. Die Polizei nahm zwei bewaffnete Angreifer und vier mutmaßliche Helfer fest. Die Staatsanwaltschaft in Pristina eröffnete gegen sie Verfahren wegen des Verdachts auf terroristische Straftaten.

Wie Innenminister Svecla weiter ausführte, war die Lage in Banjska am Sonntagabend immer noch angespannt. Die Polizei sei dabei, weitere Mitglieder des ursprünglich 30-köpfigen Kommandotrupps ausfindig zu machen und festzunehmen. In der Umgebung des Klosters von Banjska habe die Polizei Waffenlager von enormen Ausmaßen gefunden. Einige der festgenommenen Personen würden der kosovo-serbischen militanten Organisation "Zivilschutz" angehören. Diese wird nach Erkenntnissen kosovarischer Strafverfolger von der serbischen Regierung gelenkt, finanziert und großzügig mit Waffen ausgestattet.

Kosovo - Figure 2
Foto n-tv NACHRICHTEN
Kosovo-Regierung spricht von "Terrorakt"

Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti bezeichnete die Geschehnisse in Banjska als "Terrorakt". "Das organisierte Verbrechen greift mit der politischen, finanziellen und logistischen Unterstützung des offiziellen Belgrads unseren Staat an", sagte er am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Pristina. Die kosovarische Regierung veröffentlichte Bilder, auf denen Männer mit Infanterie-Gefechtswaffen und schusssicheren Westen sowie ein Jeep und ein gepanzertes Transportfahrzeug zu sehen sind.

Der Hergang des Vorfalls lässt auf dessen professionelle Vorbereitung und Lenkung schließen. Offenbar hatte man zuerst eine Streife der Kosovo-Polizei in einen Hinterhalt gelockt. Die Beamten hatten auf einer Brücke zwei Lastwagen ohne Kennzeichen entdeckt, die den Zugang nach Banjska blockierten. Als weitere Polizisten dort eintrafen, eröffneten die Angreifer das Feuer auf sie.

Serbien bezichtigt Kurti

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic behauptete auf einer im Staatsfernsehen übertragenen Pressekonferenz am Sonntagabend in Belgrad, dass allein Kurti Schuld an der blutigen Konfrontation hätte. Er würde die Serben im Kosovo provozieren, und "bedauerlicherweise sind einige Serben auf diese Provokationen hereingefallen". Die Tötung des kosovarischen Polizisten sei "verwerflich", fügte er hinzu. "Niemand braucht so etwas, am wenigsten das serbische Volk." Denjenigen, "die glauben, dass dies Serbien dazu bringen wird, das Kosovo anzuerkennen, sage ich, dass dies nicht nur mich, sondern die ganze Nation gestärkt hat und dass wir die Unabhängigkeit des Kosovo niemals anerkennen werden, selbst wenn ihr uns alle tötet", fügte Vucic hinzu.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell telefonierte am Sonntag mit Kurti und mit Vucic. In den Gesprächen verurteilte er die Aggression gegen die kosovarische Polizei aufs Schärfste, teilte der Auswärtige Dienst der EU in Brüssel mit. Gegenüber Vucic bekräftigte er seine Forderung, dass sich die Angreifer ergeben sollten. Unter der Vermittlung Borrells und des EU-Sonderbeauftragten Miroslav Lajcak verhandeln das Kosovo und Serbien seit mehreren Monaten über eine Normalisierung ihres Verhältnisses. Die Gespräche blieben allerdings bislang ohne Erfolg. Die EU machte zuletzt die kosovarische Seite dafür verantwortlich, weil sie der von der EU und Serbien geforderten Bildung eines Verbandes der serbischen Gemeinden nicht zustimmen will. Pristina sieht darin jedoch den Versuch, die Grundlage für eine spätere Abspaltung des serbischen Nordens zu legen.

Bei den Kampfhandlungen am Sonntag handelte es sich um den schwersten Zwischenfall im angespannten Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien seit Jahren. Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 nach serbischen Kriegsverbrechen an der kosovo-albanischen Zivilbevölkerung mit NATO-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos an, Serbien, Russland, China und fünf EU-Mitgliedsländer tun dies nicht. Belgrad fordert die Rückgabe seiner einstigen Provinz.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten