Forspoken: Weit entfernt von einem Reinfall - Test zum Action ...

23 Jan 2023

Als die Credits über den Bildschirm flimmerten, ließ mich Forspoken baff zurück. Einerseits war es okay, dass ich nach nicht einmal 20 Stunden Spielzeit das Ende des Action-Rollenspiels gesehen habe. Andererseits wollte ich mehr, unbedingt, wieder zurück nach Athia. Warum das neue Spiel von Square Enix und Luminous Productions mich mit gewissen Cravings zurückließ, ist meinem vielleicht nicht ganz so alltäglichen Spielertyp geschuldet.

Nicht unbedingt Freys Geschichte hat mich krass gepackt, auch wenn sie mich manchmal zu mitleidigen und von Zorn erfüllten Tränen gerührt hat. Denn nicht Frey ist Protagonist, dieses Action-Rollenspiels, sondern Athia! Warum ich das so empfinde, werde ich in diesem ausführlichen Text gerne umfangreich erklären. Nur schon einmal ein Hinweis zum Start: Wer Open-World-Spiele eher weniger mag, weil man ständig von Nebenquests oder einer hakeligen Vehikelsteuerung abgelenkt oder aus der Immersion gerissen wird, beides trifft übrigens auf mich zu, ist bei Forspoken (jetzt kaufen ) goldrichtig.

Der Fisch aus New York

Anmerkung zum Test

Wir haben von Square Enix rund zehn Tage vor Release von Forspoken zwei Keys für die Playstation 5 zum Testen zur Verfügung gestellt bekommen – andere Redaktionen nicht. Wir wissen nicht, warum das so ist und stellen auch keine Mutmaßungen dazu an. In diesem Test geht’s rein ums Spiel und den Spielspaß.

Beginnen wir mit der Story, die sich um Protagonistin Frey entwickelt. Die New Yorkerin Frey, so erfahrt ihr recht früh, ist Waise und schnell auf die schiefe Bahn geraten. Ihre Geschichte startet kurz vor ihrem 21. Geburtstag mit einem Besuch vor einem Gericht. Frey wurde beim Klauen eines Autos erwischt und kommt grade noch so, dank einer gütigen Richterin, mit Sozialhilfestunden davon. Frey wird wenig subtil als abgehärtete und abgeklärte Person dargestellt, bereut offenbar ihre Missetaten, die sie aus der Not heraus begeht, nicht wirklich.

Das wird umso deutlicher, als sie nach dem Gerichtstermin von einer Gang abgefangen wird, die Frey zur Rede stellen will. Wo ist das Auto, dass du für unseren Boss knacken solltest? Beschlagnahmt. Holst du es zurück? Nö, nicht wirklich. Wir machen dich kalt! Versucht's doch.

Und sofort gibt's eine wilde Jagd durch die schmalen Gassen von Hell's Kitchen, während der ihr versucht, Frey in Sicherheit zu bringen. Ob das nötig wäre? Nicht unbedingt, denn obwohl Frey einige Blessuren einsteckt, teilt sie genauso kräftig aus. Das Leben auf der Straße ist ein hartes, und Frey ist hart. Das wird euch zu Beginn gleich mit dem Holzhammer eingetrichtert.

Ein weiteres Zeichen dafür, dass mit Frey nicht zu spaßen ist, ist ihr Versteck, in der ihr recht zügig landet. Es handelt sich um ein leerstehendes Haus. Immerhin gibt's darin Strom, eine Katze namens Homer ... und eine Reisetasche voller Moneten, mit denen sich Frey am nächsten Morgen absetzen will. Warum sie nicht sofort aufbrechen will, fragt ihr euch. Ich kann euch leider keine Antwort geben, ich habe es selbst nicht verstanden. Der Fluchtweg aus einer hoffnungslosen Welt? Frey ist hart, ihr Leben noch härter, doch bevor ihre Bude abfackelt, hat sie einen elaborierten Plan geschmiedet. Der Fluchtweg aus einer hoffnungslosen Welt? Frey ist hart, ihr Leben noch härter, doch bevor ihre Bude abfackelt, hat sie einen elaborierten Plan geschmiedet. Quelle: buffed

Mit dem Holzhammer nach Athia

Es kommt, wie es kommen muss: Die Gang findet heraus, wo sich Freys Safe Space befindet, und steckt die Bude in Brand. Frey, die auf einer abgeranzten Matratze nächtigt, bemerkt den Rauch und muss im Nebenzimmer erst einmal nach Homer sehen, statt dass sie sofort nach dem Sack voll Kohle neben ihrem Lager greift, was literally den Bruchteil einer Sekunde benötigen würde. Also rüber in den anderen Raum, Homer im Küchenschrank finden, umdrehen ... Oh Himmel, nein, das Schlafzimmer mit dem Zaster ist wegen einer Flammenwand unerreichbar! Stellt euch vor, wie ich an dieser Stelle mit den Augen gerollt habe.

Forspoken ist auch ein Katzenspiel: Katzen lassen euch in Cipal Figuren finden, die ihr bei Händlern eintauschen könnt. Die Vertrauten der Tantas treiben sich in den Pilgerstätten herum. Forspoken ist auch ein Katzenspiel: Katzen lassen euch in Cipal Figuren finden, die ihr bei Händlern eintauschen könnt. Die Vertrauten der Tantas treiben sich in den Pilgerstätten herum. Quelle: buffed Frey landet also mittel-, aber immerhin nicht katzenlos auf der Straße und trifft die schwere Entscheidung, Homer der gütigen Richterin zu übergeben, bevor sie hoffnungs- und ziellos zum Holland-Tunnel spaziert. Dort bemerkt sie ein Leuchten, sieht einen merkwürdigen Armreif in einem Gebäude voller Antiquitäten und schaut mal nach. Packt das Ding natürlich an und schwupps! Schon wird Frey nach Athia gesogen.

Eine Welt voller Grausamkeiten

Die Isekai-Geschichte, Frey landet in einer für sie fremden Welt und muss sich dort zurechtfinden, entspinnt sich in Athia. Der merkwürdige Armreif, der sich nicht mehr von Freys Arm entfernen lässt, entpuppt sich als lebendiges Wesen, das ähnlich wie Frey selbst nicht auf den Mund gefallen ist. Mithilfe des Dings, das Frey Reif nennt, verfügt die New Yorkerin über Zauber und lernt, ihre durchaus bereits vorhandenen, Parkour-Skills magisch zu verstärken. Nach einem kurzen Ausflug in einen Bruchteil der freien Spielwelt, der die Entdecker-Gene der Spieler schon mächtig kitzelt, landet Frey in Athias Hauptstadt Cipal und wird in den Knast gesteckt.

In den ersten zwei Stunden, eine halbe davon in New York, eine halbe in Athias Region Junoon und eine Stunde in Cipal, wird euch das Gröbste über die Magie, über Reif, über das zerstörerische Phänomen Bruch, das Land und Lebewesen in Monster verwandelt, sowie über die Geschichte von Athia beigebracht. Ihr trefft die ersten wichtigen Charaktere, beispielsweise Helferin und Heilerin Auden Keen sowie die Ratsmitglieder von Cipal. Und das größte Ziel Freys kristallisiert sich schnell heraus: Einen Weg finden, um nach New York zurückzukehren. Eine Freundschaft fürs Leben: Frey und Auden. Eine Freundschaft fürs Leben: Frey und Auden. Quelle: buffed

Eine Welt in Ketten

Die ersten zwei Stunden fühlen sich träge an. Um die Story um die vier verrückt gewordenen Herrscherinnen Athias, die Tantas, und den Bruch in Gang zu bringen, legen euch die Entwickler nach dem flüchtigen Freiheitsmoment in Junoon erst einmal Ketten an. Auden hilft Frey bei der Flucht aus dem Gefängnisturm. Dabei könnt ihr euch kaum frei bewegen, sondern müsst im Rahmen gescripteter Events mit wenig eigenem Zutun stur hinter der Heilerin herlaufen. Danach rennt ihr in der Stadt erst einmal von Pontius zu Pilatus, um Dinge in Erfahrung zu bringen. Viel Mühe, dabei nicht von Stadtwachen als Knastflüchtling erkennt zu werden, müsst ihr euch nicht geben.

Wie der Zufall so will, ist Audens Vater Robian ein Kogneszent gewesen, einer von Athias am meisten geschätzten Gelehrten. Der hat das Phänomen der Toraner untersucht, das Portal, mit dem Frey nach Athia gekommen ist. Also macht ihr euch als Erstes auf die Suche nach den Notizen Robians. Zur Erinnerung: Frey will ja zurück nach New York. Warum auch immer. Wahrscheinlich aus Gewohnheit. Ihr armseliges, einsames Lebens in Hell's Kitchen bietet ihr offenbar mehr Sicherheit, als die Vorstellung von einem Neustart in Athia.

Drama in 13 Akten

Die Suche nach Robians Notizen und dann alle folgenden Drehungen und Wendungen der Geschichte Forspokens entspinnt sich in 13 Akten, die, wie eingangs erwähnt, im Story-Modus, dem leichtesten Schwierigkeitsgrad, in gerade mal 15 bis 20 Stunden erlebt werden können. Je nachdem, wie viel Zeit ihr zwischendurch mit der Erkundung Athias verbringt. Im mittleren Standard-Schwierigkeitsgrad kann's etwas länger dauern, weil die Kämpfe dann spürbar knackiger ausfallen.

Eine Sache muss ich vorwegsagen: Ich habe die englischen Sprecher gehört und die Texte auf Deutsch gestellt. Ich konnte bis zum Schluss nicht verstehen, warum Spieler der Forspoken-Demo von den Geplänkel-Gesprächen von Frey und Reif genervt waren ... bis ich die Sprachausgabe mal für eine halbe Stunde auf Deutsch gestellt habe. Sorry, aber ja, auf Deutsch sind sie nervig. Immerhin lässt sich in den umfangreichen Menüeinstellungen die Häufigkeit dieser Geplänkel justieren, so wie übrigens superviele weitere Dinge. Darauf komme ich später noch zu sprechen. Die Tantas waren einst die gütigen Beschützerinnen Athias - und verloren mit dem Bruch sämtlichst ihren Verstand. Die Tantas waren einst die gütigen Beschützerinnen Athias - und verloren mit dem Bruch sämtlichst ihren Verstand. Quelle: buffed

Wie sind also die Charaktere von Forspoken? Ich kann es nicht anders sagen: Sie legen eine packende Performance hin. Freys Motivationen sind vielleicht noch am wenigsten nachvollziehbar, doch die Ratsmitglieder Cipals, Auden und ihr Vater Robian und vor allem die Tantas finde ich große Klasse. Obwohl ich vielleicht nicht immer mit Freys Emotionen einverstanden bin, ist den Entwicklern ein Kniff gelungen, den ich bis dato nur aus God of War (2018) kannte. Atreus legt im letzten Viertel, als er versteht, wer er ist, ein so krass verändertes Verhalten an den Tag, dass er wirklich unangenehm wird. Und das passiert während der Story auch mit Frey, als sie sich mit Auden überwirft. Die Schreiber von Luminous haben mir meine "Heldin" extrem unsympathisch werden lassen und ich feiere sie dafür.

Die Story selbst ist jetzt kein Meisterwerk, aber sie ist anschaulich erzählt. Den ersten großen Twist haben die Leute, die das Spiel seit Entstehung verfolgen, schon vorhergesehen, ohne je einen Fuß nach Athia gesetzt zu haben. Und die größte Wendung konnte ich schon nach dem ersten großen Kampf vorhersehen. Nichtsdestotrotz weckt die Geschichte Emotionen und darauf kommt's mir an. Viel wichtiger aber finde ich Athia selbst.

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