Caspar David Friedrich: Die 10 wichtigsten Kunstwerke

10 Tage vor
Caspar David Friedrich
1. Der Wanderer über dem Nebelmeer

"Der Wanderer über dem Nebelmeer" ist heute wahrscheinlich das bekannteste Bild von Caspar David Friedrich – und das, obwohl es erst spät überhaupt mit ihm in Verbindung gebracht wurde. Es ist erst Mitte des 20. Jahrhunderts im Kunsthandel aufgetaucht und wird Friedrich vor allem deshalb zugeschrieben, weil darin einige Naturstudien von ihm verarbeitet worden sind.

Ein untypisches Werk von Caspar David Friedrich

Generell ist der "Wanderer über dem Nebelmeer" in vielfacher Hinsicht ein untypisches Werk, findet der Kunsthistoriker Johannes Grave. "Es gibt vermutlich kein Bild Friedrichs, in dem derart groß und zentral eine Figur erscheint", sagt er. Obwohl man Grave zufolge aus den überlieferten Schriften von Caspar David Friedrich weiß, dass er den Menschen in seiner Abhängigkeit von Gott gedacht hat, scheint der "Wanderer über dem Nebelmeer" eher eine Erfahrung des Erhabenen zu suchen.

Gleichzeitig lädt das Bild dazu ein, sich mit dem Sehen auseinanderzusetzen, wie Grave erklärt: "Wir stoßen auf jemanden, der sieht, aber wir können nicht sehen, was er sieht. Von daher haben wir gute Gründe, davon auszugehen, dass dieses Bild es auch darauf anlegt, dass wir über das Sehen nachdenken."

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2. Das Eismeer

"Das Eismeer ist auch vom Format her eines der großen, eines der wichtigen Werke", sagt Kunsthistoriker Grave. Es sei aber auch ein ziemlich irritierendes Gemälde, weil es so wirklichkeitsnah wirke.

"Man hat fast das Gefühl, man könnte in die Eislandschaft reingehen", so Grave, "aber wenn man das macht, steht man vor der unausweichlichen Tatsache, dass man hier nicht mehr lange leben wird". Im "Eismeer" sei die Natur so übermächtig, dass es wirklich keinen Ausweg gebe.

Caspar David Friedrich und der Klimawandel

Heutzutage ist das Bild Grave zufolge von besonderem Interesse, weil wir es mit dem Wissen betrachten, dass es einen unumkehrbaren Klimawandel gibt und wir in einer Zeit leben, in der der Mensch tiefgreifend in das System der Erde eingreift. Dadurch könnte die aus dem Gleichgewicht gebrachte Natur so lebensfeindlich werden, wie sie uns im "Eismeer" gegenübertritt.

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3. Huttens Grab

"Huttens Grab" beschreibt Johannes Grave als "ein Bild, das sehr tiefgehend durchdacht worden ist". Es zeigt die Ruine der Sakristei des Klosters auf dem Oybin, in die Friedrich frei erfunden einen Sarkophag, ein Denkmal gestellt hat, auf dessen Stirnseite "Hutten" (gemeint ist Ulrich von Hutten) steht.

Aus älteren Quellen und durch eine Gemäldeuntersuchung wisse man, so Grave, dass auf dem Grabmal noch weitere Namen von Vertretern aus der Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon eingetragen waren. Die Befreiungskriege lagen zu der Zeit, als Caspar David Friedrich das Bild malte, allerdings schon zehn Jahre zurück.

Stichwort: Ulrich von Hutten Ulrich von Hutten war ein Ritter, Dichter und Humanist. Er lebte von 1488 bis 1523 und war ein Zeitgenosse von Reformator Martin Luther.

Ein politisches Programmbild?

Weil auf dem Grab sowohl die Namen von Vertretern der demokratischen als auch der patriotisch-nationalen Bewegung stehen, ist das Bild Grave zufolge immer wieder auch als ein politisches Programmbild verstanden worden. Für die Zeit der Befreiungskriege und darüber hinaus sei das aber nicht untypisch gewesen.

4. Das Große Gehege bei Dresden

"Das Große Gehege" ist nach den Worten von Grave ein sehr bekanntes Bild von Caspar David Friedrich, das vor allem "durch seine visuelle Wirkung fasziniert" und gleichzeitig "eine unglaubliche Ruhe" ausstrahlt. Der leicht gewölbte Vordergrund habe etwas Kugelartiges und erinnere an einen Globus. Auch der Abendhimmel zeige einen bogenförmigen Verlauf.

Malerische Spitzenleistung von Caspar David Friedrich

Obwohl Caspar David Friedrich generell auf sehr hohem Niveau gemalt hat, ist "Das Große Gehege" Grave zufolge "eine Klasse für sich". So sei es zum Beispiel technisch äußerst aufwendig, das warme Gelb auf eine Weise in das Blau des Nachthimmels zu überführen, dass es völlig stufenlos wirke. Insgesamt beschreibt Grave "Das Große Gehege" als ein Bild, das sich "vielleicht am meisten allen Versuchen, darüber zu reden, entzieht".

5. Mönch am Meer

"Der Mönch am Meer ist in vielerlei Hinsicht ein sehr wichtiges Bild, weil es auch ein Karriere-Booster war", sagt Johannes Grave. Mit diesem Bild und der "Abtei im Eichwald" habe sich Caspar David Friedrich 1810 auf der Akademie-Ausstellung erstmals dem Berliner Publikum vorgestellt.

Grave erklärt: "Das Bild hat etwas sehr Provokantes, weil es selbst heute noch, aber vor allem für die Zeit, außerordentlich leer ist".

Gegen alle Konventionen der Landschaftsmalerei

Außerdem verstoße Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" gegen alle Konventionen der damaligen Landschaftsmalerei. Damals ist es Grave zufolge üblich gewesen, dass Landschaften im Bild selbst ein rahmendes Element aufweisen, zum Beispiel einen größeren Baum oder Felsen vorne rechts oder links. Dazu gehörte auch, dass mithilfe von Wegen oder Flüssen ein Eindruck davon vermittelt wird, wie weit einzelne Elemente des Bildes voneinander entfernt sind.

Beim "Mönch am Meer" fehlt das alles. "Hier gibt es nur einen einzigen Indikator für die Größenschätzung, (...) den Mönch", so Grave. "Ansonsten haben wir überhaupt gar keine Orientierung über die Weiten und Größenverhältnisse." Es handele sich um eine räumliche Tiefe, die man nicht messen könne.

6. Kreidefelsen auf Rügen

Das Bild "Kreidefelsen auf Rügen" von Caspar David Friedrich setzt sich Grave zufolge mit dem Sehen auseinander. Konkret gehe es um verschiedene Arten, die Natur zu betrachten. Das werde an den drei Figuren deutlich. Zwei von ihnen, die hockende Frau und der kriechende Mann, schauen in den Abgrund, der stehende Mann blickt stattdessen auf die Meeresoberfläche.

Kritik von Caspar David Friedrich am aufkommenden Tourismus?

"Ich persönlich neige dazu, zu sagen, dass vor allem der kriechende Mann, aber vielleicht auch die Frau eher kritisch gesehen werden. Ich glaube, der Mann wird so unvorteilhaft gezeigt, dass die Darstellung etwas Karikaturenhaftes hat", erklärt Kunsthistoriker Grave. In der Zeit, in der Caspar David Friedrich sein Bild malte, begann der Tourismus auf Rügen. Viele Reisende suchten vor allem die Sensation, indem sie zum Beispiel in den Abgrund der Kreidefelsen schauten.

"Mein Eindruck ist, dass Friedrich mit der Figur rechts sympathisiert, die ganz gelassen dasteht und auf die weite Meeresfläche schaut", so Grave. Diese Meeresfläche sei auch der eigentliche Höhepunkt des Bildes, weil Caspar David Friedrich sie unglaublich nuancenreich gemalt habe.

7. Zwei Männer in Betrachtung des Mondes

Das Gemälde "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" beschreibt Grave als ein Bild, "das sich sehr verbreitet hat und tief in unserem visuellen Gedächtnis verankert ist." Außerdem sei es eines der Werke von Caspar David Friedrich, die politisch gedeutet werden können.

Die im Bild gezeigten Männer tragen nämlich die sogenannte altdeutsche Tracht, die zu dem Zeitpunkt, als Friedrich das Bild malte, verboten wurde. Sie war ein Ausdruck einer freiheitlich-demokratischen, aber auch patriotischen Einstellung.

Gemälde als Inspiration für "Warten auf Godot"

Ein spannender Aspekt aus der Rezeptionsgeschichte: "Zwei Männer in Betrachtung des Mondes" soll Samuel Beckett zu seinem Theaterstück "Warten auf Godot" inspiriert haben. Beckett sah das Gemälde im Februar 1937 bei einem Aufenthalt in Dresden. "Das ist eines dieser Bilder, die im 20. Jahrhundert nochmal ein ganz eigenes Leben entfaltet haben", so Kunsthistoriker Grave.

8. Frau am Fenster

Die "Frau am Fenster" von Caspar David Friedrich beschäftigt sich nach Graves Worten wie der "Wanderer über dem Nebelmeer" mit dem Sehen. Auch hier werde dem Betrachter vor Augen geführt, dass er nicht sehen könne, was die Figur im Bild sieht.

Porträt, Genre-Bild oder Reflexion über das Sehen?

Die "Frau am Fenster" könnte Grave zufolge aber auch ein Porträt sein, weil es ziemlich wahrscheinlich ist, dass es sich um Friedrichs Frau Caroline handelt. An den Fläschchen auf dem Fensterbord könne man gut nachvollziehen, dass das Atelier von Caspar David Friedrich gezeigt wird.

Grave kann sich darüber hinaus vorstellen, dass sich Friedrich von der sogenannten Genremalerei inspirieren lassen hat. Bilder von Frauen, die vom Rücken her gezeigt werden und aus Fenstern schauen, gibt es zum Beispiel auch in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts, etwa bei dem Maler Jacobus Vrel.

Gerade der Umstand, dass Caspar David Friedrichs Bild sowohl Porträt, Genre-Bild als auch eine Reflexion über das Sehen sein könnte, macht es interessant, findet Grave.

9. Die Lebensstufen

Das Bild "Lebensstufen" setzt sich, wie der Titel nahelegt, mit verschiedenen Lebensaltern auseinander. "Es geht vermutlich darum, dass sich einige Menschen auf den Weg machen und andere zurückkommen von der Lebensfahrt", erklärt Grave. Das Besondere: Das Bild zeigt im Vergleich zu anderen Werken von Caspar David Friedrich Menschen in einer familiären, lebhaften Szene.

Deshalb ist Grave zufolge immer wieder angenommen worden, dass "Lebensstufen" Caspar David Friedrich mit seiner Familie zeigt. Das sei zwar nicht auszuschließen, aber letztlich könne es nicht Anspruch des Bildes sein, dass der Betrachter allein über die Identität der Figuren nachdenke, so der Kunsthistoriker. Stattdessen gehe es wohl eher darum, sich mit den Lebensphasen auseinanderzusetzen.

10. "Geheimtipp": Morgennebel im Gebirge

Der "Morgennebel im Gebirge" ist ein weniger bekanntes Gemälde von Caspar David Friedrich, das es Grave zufolge darauf anlegt, dass man ungewöhnlich nah herangeht und es nicht nur aus der üblichen Halbdistanz betrachtet. "Und wenn wir das machen, dann entdecken wir irgendwann auf der obersten Spitze ein sehr kleines Kreuz".

"Ein spannendes Experiment"

Für Kunsthistoriker Grave veranschaulicht das Bild einen Schwebezustand zwischen Sichtbar-Machen und Verbergen. Caspar David Friedrich könnte, so vermutet er, auf diese Weise darüber nachgedacht haben, dass sich bestimmte Phänomene und Fragen der Sichtbarkeit entziehen.

"Maler sind ja zunächst einmal darauf festgelegt, etwas sichtbar zu machen". Deshalb sei es ein ziemlich spannendes Experiment von Friedrich gewesen, in diesen Grenzbereich von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit hineinzugehen, findet Grave. Er vermutet, dass es dabei auch um religiöse Fragen ging, von denen Friedrich den Eindruck hatte, dass er sie in seinem Gemälde nicht so deutlich vor Augen führen kann.

Jubiläumsausstellungen zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich Anlässlich des 250. Geburtstags von Caspar David Friedrich gibt es in diesem Jahr Jubiläumsausstellungen in Hamburg, Berlin, Dresden, Weimar und Greifswald.

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Werkstatt | 02. Januar 2024 | 22:00 Uhr

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