Müllberge in Berlin: Bürger müssen trotz BSR-Streiks weiter ...

24 Mär 2023

Der Chef der Verdi-Konkurrenz verklagt die Berliner Stadtreinigung: „Verdi verschafft den BSR-Bossen mit jedem Streiktag höhere Profite auf Kosten der Bürger.“

Beim vorangegangenen Warnstreik am 11. März quollen bereits die Müllcontainer in Berlin über.

Beim vorangegangenen Warnstreik am 11. März quollen bereits die Müllcontainer in Berlin über.Sabine Gudath

Wieder streiken die Beschäftigten der Berliner Stadtreinigung. Bio-, Restmüll und Wertstofftonnen werden erst wieder nach dem Wochenende geleert. Doch der von Verdi initiierte Streik, der eigentlich die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes finanziell treffen soll, macht die BSR im Grunde nur reicher. Denn das Unternehmen, das eine hundertprozentige Tochter des Landes Berlin ist, darf von seinen Kunden weiter Gebühren kassieren und spart zum Beispiel Spritgeld und Gehalt. Das meinen zumindest Rechtsanwalt Marcel Templin und sein Mandant Marcel Luthe, der an diesem Donnerstag Klage beim Berliner Verwaltungsgericht erhob.

Vor Gericht will der ehemalige Berliner Abgeordnete und jetzige Chef der Good-Governance-Gewerkschaft die Satzungen der BSR anfechten. Laut BSR-Abfallgebührensatzung besteht nämlich bei streikbedingtem Ausfall von Abfuhren kein Anspruch auf Gebührenermäßigung. Kunden müssen also auch dann zahlen, wenn ihr Müll nicht entsorgt wird. Das verstoße gegen den allgemeinen Rechtssatz, dass Leistung und Gegenleistung voneinander abhängig seien, heißt es unter anderem in der Klageschrift, die sich auf den Paragrafen 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches bezieht. Ein Entgelt, werde nur dann geschuldet, wenn eine Leistung erbracht worden sei.

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Müllberge in Berlin: Wie der rot-rot-grüne Senat das Streikrecht unterläuft

Gegenüber der Berliner Zeitung bleibt ein BSR-Sprecher dabei: Ein Anspruch auf Gebührenermäßigung bestehe gemäß Paragraf 14, Absatz 1 der BSR-Abfallwirtschaftssatzung bei streikbedingtem Ausfall von Abfuhren nicht. „Die streikbedingt unterbliebene Leistung wird nachgeholt. Sämtlicher Abfall unserer Kundschaft, der während des Streiks liegengeblieben ist, wird von uns entsorgt – aber eben erst ein paar Tage später“, sagt er.

Im Übrigen sei es gefestigte Rechtsprechung, dass nicht jede hoheitliche Leistungsstörung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder Schadenersatz nach sich ziehe. „Vielmehr müsste diese Störung schwerwiegend sein, was bei einer oder zwei Nichtabholungen laut Rechtsprechung nicht der Fall ist“, so der Sprecher. Die Satzung war einen Tag vor Heiligabend, am 23. Dezember 2022, beschlossen worden. „Das ausgerechnet der rot-grün-rote Senat kurz vor Weihnachten diese Neuregelung klammheimlich durchgewunken hat, ist ein fundamentaler Angriff auf das Streikrecht, das damit komplett ins Leere läuft“, befindet Marcel Luthe.

Kläger: Die Abfallsatzung der landeseigenen BSR unterläuft das Streikrecht

Nach Ansicht seines Anwalts reicht es auch nicht, dass die Leistung „nachgeholt“ werde, jedenfalls soweit dieses erst nach Ablauf einer Kalenderwoche erfolge. So steht es in der Satzung: „Unterbliebene Leistungen werden so schnell wie möglich nachgeholt.“ Doch was bedeutet „so schnell wie möglich“? Ob dies noch in der laufenden Kalenderwoche der Fall sei oder erst zum nächsten planmäßigen Termin, lasse sich daraus nicht ableiten, so die Kläger.

Aus Sicht der Kläger unterlaufen die Regelungen auch das im Grundgesetz festgelegte Streikrecht. Denn der Streik als legitimes Mittel des Arbeitskampfes verfehle sein Ziel, wenn der Arbeitgeber keine Aufwendungen für die Zahlung von Arbeitsentgelt habe, jedoch weiter seine Ansprüche auf das Entgelt der Kunden. Kennzeichen des Streiks sei die Arbeitsniederlegung, um Druck auszuüben „durch Schäden, die dadurch entstehen, dass die Arbeitgeber die vorenthaltene Arbeitskraft wirtschaftlich nicht nutzen können“, so die Argumentation der Kläger.

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Doch genau das Gegenteil passiert nach deren Ansicht: Denn durch den Streik spare die BSR nicht nur Löhne und Gehälter, sondern auch Kosten für Treibstoff und Abnutzung der Fahrzeuge. „Zu Ende gedacht erhöht jeder Streiktag den Gewinn der Beklagten und damit auch die variablen Bezüge ihrer Vorstände und Führungskräfte“, heißt es in der Klage. „So verschafft Verdi den Bossen der BSR mit jedem Streiktag höhere Profite auf Kosten der Bürger und erreicht nicht das Geringste für die Beschäftigten“, sagt Gewerkschaftsboss und Verdi-Konkurrent Marcel Luthe.

Extra-Prämien für das spätere Wegräumen des Drecks

Verdi und der Beamtenbund verhandeln derzeit bundesweit über neue Tarife für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Sie fordern 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn. Dazu gehören auch die Beschäftigten der BSR. Ihnen winkt nicht nur eine Lohnsteigerung, sondern eine Zusatzprämie. Denn unabhängig davon, dass sie für die Streiktage den Lohn als Streikgeld von der Gewerkschaft ersetzt bekommen: Für das Einsammeln des liegen gebliebenen Mülls erhalten die Beschäftigten auch eine zusätzliche Prämie.

Der BSR-Sprecher begründet dies: „Wenn sich nach einem mehrtägigen Streik der Abfall einiger Tage angesammelt hat und die Entsorgung dann von uns nachgeholt wird, funktioniert dies logistisch nicht, ohne dass über etliche Tage entsprechende Mehrarbeitsstunden anfallen. Als Arbeitgeber sind wir zur Vergütung dieser Mehrarbeitsstunden auch verpflichtet. Die Beschäftigten müssen diese nicht etwa deshalb unbezahlt leisten, weil sie zuvor gestreikt haben und aus diesem Grund der Abfall liegen geblieben ist. Die Abgeltung für die Mehrarbeit wird von uns pauschaliert, und zwar in Höhe von 150 Euro brutto in Anlehnung an jeden Streiktag.“ Dies entspreche einem durchschnittlichen Tageslohn in Müllabfuhr und Reinigung.

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