Folgen des BSR-Streiks: Abfallexperte sieht Ratten und Bakterien ...

28 Mär 2023

Ein Streik der Müllabfuhr ist nachhaltiger als der bei Bus und Bahn. Dabei hatte Berlin noch Glück. Wie extrem die Folgen sein können, zeigt Paris.

Müllberge bestimmen derzeit das Stadtbild der französischen Hauptstadt Paris.

Müllberge bestimmen derzeit das Stadtbild der französischen Hauptstadt Paris.Lewis Joly/AP

Viele Berliner haben Pariser Zustände befürchtet, vergangene Woche kündigte nämlich die Berliner Stadtreinigung (BSR) einen zweitägigen Streik an. In Paris ist die kommunale Müllabfuhr schon seit Wochen im Ausstand – aus Protest gegen die Rentenreform.

Die Folgen: Es bilden sich meterhohe Müllberge, ein bestialischer Gestank zieht durch die Millionenmetropole, während die Pariser Ratten ihr Paradies gefunden haben. Hat der Arbeitskampf der BSR in Berlin ebenfalls solche Konsequenzen?

Auch die Berliner spürten die Folgen des BSR-Streiks. Überfüllte Müllcontainer in Innenhöfen, Gestank in geschlossenen Müllräumen, Sperrmüll konnte auf Recyclinghöfen nicht abgegeben werden, und auch der Abholservice für Altgeräte fiel aus. Das Müllheizkraftwerk in Ruhleben war ebenfalls geschlossen, Anlieferungen sollten auf nächste Woche verschoben werden. Weltuntergangsszenen wie in der inoffiziellen Weltstadt der Liebe blieben den Berlinern allerdings erspart.

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Trotzdem hat der BSR-Streik eines gezeigt: Es ist ein nachhaltiger Streik, der am Folgetag bei den Berlinern immer noch zu spüren ist. Die Wirkung eines Lehrer- oder Bahnstreiks ist am Tag der Arbeitsniederlegung zwar stärker wahrzunehmen, am nächsten Tag ist der Streik aber schon fast vergessen. Wenn die Müllabfuhr streikt, dann mag die Wirkung am Tag des Ausstands wesentlich geringer sein als bei Lehrern oder Fluglotsen. Jedoch hat ein Müllstreik längerfristige Folgen.

Der Müllstreik trifft alle

„Die Müllabfuhr ist Teil der kommunalen Daseinsvorsorge“, sagt Henning Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Die Müllabfertigung organisiere sich nicht von selbst, während beim Bahnstreik die Menschen alternative Wege zur Arbeit oder Schule finden. Zudem treffe ein Müllstreik alle Bewohner der Stadt: Junge und Alte, Familien und Singles, Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Paris is now entirely covered in filth because garbage collection services are on a complete strike. pic.twitter.com/qDyhZko8ym

— Ian Miles Cheong (@stillgray) March 24, 2023

„Besonders die Geruchsbelästigung bekommen Anwohner mit“, sagt der Abfallexperte, „und das ist dann tendenziell auch noch ein bis zwei Tage nach dem Streik eine spürbare Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens.“ Der strenge Müllgeruch setze – im Falle von Paris – die Stadtverwaltung massiv unter Druck. Die Arbeitsniederlegung erfülle demnach ihren Zweck. „Da merkt man auch“, sagt Wilts, „dass das ein Bereich ist, der in kommunaler Verantwortung bleiben muss und nicht nicht allein dem Markt überlassen werden darf.“

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Dabei habe Berlin noch Glück gehabt mit dem BSR-Streik. Man stelle sich vor, dieser würde im Hochsommer bei Temperaturen über 30 Grad stattfinden. Denn schon an diesem Wochenende quollen Papier- und Hausmülltonnen über. „Besonders der Bioabfall fängt dann an zu stinken“, sagt Wilts. Die Folgen wären vermehrt Ratten und krankheitserregende Bakterien rund um die Müllplätze. Also Pariser Verhältnisse.

Wie ein Hausmeister den Streik erlebt

Auch ein Hausmeister aus Charlottenburg hat mit den BSR-Streiks zu kämpfen, bringt jedoch Verständnis für die Arbeitsniederlegung auf. Für ihn bedeute der Streik lediglich eine intensivere Kommunikation mit Anwohnern und Vermietern. „Vielleicht können ja Bewohner, während die Müllabfuhr streikt, versuchen, eben weniger Müll zu erzeugen“, sagt er.

Der Hausmeister will jedoch auch keine Vorschriften machen und handelt lieber lösungsorientiert. „Ich organisierte weitere Müllcontainer von unseren Liegenschaftsbetreuern, damit bei uns eben nicht so ein Chaos wie in Paris entsteht.“ Zustände wie in der französischen Hauptstadt habe er jedoch auch nicht erwartet, schließlich handele es sich beim BSR-Streik um nur zwei Tage und nicht um mehrere Wochen.

Die Müllcontainer in Berlin quellen über.

Die Müllcontainer in Berlin quellen über.Sabine Gudath

Abfallexperte Wilts empfiehlt – besonders in Anbetracht eines weiteren Streiks –, den Müll zu sortieren. „Um die 50 Prozent des Restmülls sind Wertstoffe oder Bioabfall“, sagt er. „Besonders wenn man schon eine überfüllte Mülltonne sieht, macht es Sinn zu überlegen, wo kann ich Abfall von vornherein vermeiden oder sortieren.“

In Zukunft sollten BSR-Streiks also nicht unterschätzt werden. Schließlich wird die Berliner Stadtreinigung ab April auch noch für die Beseitigung von illegalem und gefährlichem Müll – also vor allem Bauschutt oder gefährliche Abfallstoffe – im gesamten Stadtgebiet zuständig sein. Das beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus erst am vergangenen Donnerstag.

Bisher wurden stets private Entsorgungsfirmen beauftragt, den illegalen Müll auf der Straße zu beseitigen. Dies war oft mit hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Nun soll die BSR illegale Müllhaufen und Altgeräte von den Straßen entfernen, was das Land Berlin ungefähr vier Millionen Euro kosten wird.

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