Polizei verhaftet in Bayern zwei mutmassliche russische Spione

10 Tage vor

Mutmasslich russische Spione in Deutschland verhaftet: Die Männer wollten offenbar die umfangreiche deutsche Militärhilfe für die Ukraine sabotieren

Russische Spione - Figure 1
Foto NZZ.at

Die Beschuldigten sollen im Auftrag Moskaus Stützpunkte in Deutschland ausgespäht und Sabotage geplant haben. Aussenministerin Baerbock bestellt den russischen Botschafter ein.

US-Soldaten auf einem Übungsplatz im bayrischen Grafenwöhr (Archivbild).

Andreas Gebert / Reuters

Das deutsche Bundeskriminalamt hat in Bayreuth zwei mutmassliche Agenten mit Verbindungen zu Russland verhaften lassen. Die beiden deutsch-russischen Staatsangehörigen seien dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Der Zugriff im Bundesland Bayern erfolgte am Mittwoch, die Öffentlichkeit wurde erst am Donnerstag informiert. Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock hat als Reaktion auf die Verhaftungen den russischen Botschafter einbestellt.

Bei den Beschuldigten handelt es sich um die deutsch-russischen Staatsangehörigen Dieter S. und Alexander J. Das Landeskriminalamt Bayern hat ihre Wohnungen und Arbeitsplätze durchsucht. Dieter S. stand laut Bundesanwaltschaft seit Oktober in Kontakt zu einem Mittelsmann, der «an den russischen Geheimdienst angebunden ist». Mit ihm soll er über Sabotageaktionen in Deutschland gesprochen haben. So sollte offenbar die umfangreiche deutsche Militärhilfe für die von Russland attackierte Ukraine gestört werden.

Dieter S. habe sich bereit erklärt, Sprengstoff- und Brandanschläge zu begehen, «vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte», heisst es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft. Um sie vorzubereiten, soll S. unter anderem Militärtransporte gefilmt und fotografiert haben. Seine Informationen habe er an den Mittelsmann des russischen Geheimdienstes weitergereicht. S. soll sich auch für einen Stützpunkt der US-Streitkräfte in Bayern interessiert haben.

Starke Sympathie für Russland

Laut dem «Spiegel» handelte es sich dabei um eine Basis der US-Armee im bayrischen Ort Grafenwöhr. Dort haben die USA ukrainische Kräfte ausgebildet, zum Beispiel an leistungsstarken Kampfpanzern des Typs Abrams. Der zweite Beschuldigte, Alexander J., soll Dieter S. mindestens seit März beim Ausspähen der Ziele unterstützt haben.

Dieter S. scheint starke Sympathie für das Narrativ der russischen Regierung zu haben, dass die Ukraine eigentlich zu Russland gehöre. Er soll laut Bundesanwaltschaft ab Dezember 2014 fast zwei Jahre in der Ostukraine für die selbsternannte «Volksrepublik Donezk» gekämpft haben, die international nicht anerkannt ist. Ihr Ziel ist der Anschluss an Russland. S. soll dabei Teil einer bewaffneten Einheit gewesen sein.

Er wurde am Mittwoch dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihm den Haftbefehl eröffnete und Untersuchungshaft anordnete. Die Bundesanwaltschaft wirft S. nicht nur geheimdienstliche Agententätigkeit vor, sondern auch die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Damit ist die Einheit der «Volksrepublik Donezk» gemeint, in der S. gekämpft haben soll. Sein mutmasslicher Komplize Alexander J. muss ebenfalls in Untersuchungshaft. Beide Männer sind laut Medienberichten Ende dreissig.

Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser sprach von einem besonders schweren Fall «mutmasslicher Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime». Die deutsche Regierung werde die Ukraine weiter stark unterstützen und sich nicht einschüchtern lassen. Justizminister Marco Buschmann sagte: «Die Vorwürfe der mutmasslichen Herbeiführung von Sprengstoffexplosionen und Brandstiftung sind eine neue Qualität». Deutschland werde alles tun, «damit Putins Terrorstrategie bei uns keine Chance hat».

Die russische Botschaft in Berlin derweil weist alle Vorwürfe zurück. «Es wurden keine Beweise vorgelegt, die von den Plänen der Festgenommenen und ihren möglichen Beziehungen zu russischen Strukturen zeugen», teilte die Botschaft in einer Stellungnahme mit. Die Einbestellung des Botschafters sei eine «offene Provokation», heisst es in der Erklärung. Nach Darstellung der Botschaft ist der neueste Spionagefall nur ein Ablenkungsmanöver, mit dem die Bundesregierung von dem Skandal um ein abgehörtes Telefonat hochrangiger Bundeswehroffiziere ablenken wolle.

Die Angelegenheit ist nicht der erste Fall dieser Art. Schon Ende des Jahres 2022 flog ein mutmasslicher Doppelagent beim deutschen Auslandsgeheimdienst BND auf. Carsten L. war dort Referatsleiter und soll brisante Informationen an den russischen Geheimdienst FSB übermittelt haben. Dafür müssen sich er und sein möglicher Komplize Arthur E. seit gut vier Monaten vor dem Kammergericht Berlin verantworten.

Sehr hohes Strafmass bei Landesverrat

L. sagte am Mittwoch umfangreich aus und bestreitet alle Anschuldigungen. Besonders schwer wiegt der Vorwurf gegen ihn, den Russen berichtet zu haben, dass westliche Geheimdienste die Chats der Söldnertruppe Wagner mitlesen können. Beiden Angeklagten droht im Fall einer Verurteilung wegen Landesverrats eine schwere Strafe. Nach deutschem Recht könnten sie zu lebenslanger Haft verurteilt werden.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wird von manchen Deutschen nicht als völkerrechtswidriger Überfall auf ein Nachbarland gesehen. Stärker verbreitet ist diese Haltung bei einigen Ostdeutschen und in Teilen der deutsch-russischen Community. Nach wie vor gibt es in Deutschland Sympathien für Russlands Machthaber Wladimir Putin. Besonders der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder geriet deswegen in die Kritik. Die Russland-Apologeten sind eine Minderheit, aber in fast allen Milieus und Parteien vertreten. Für russische Geheimdienste herrscht also eine günstige Ausgangslage, um Spitzel anzuwerben.

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