Elon Musk und Sam Altman: Wie aus Freunden Konkurrenten wurden

Musk und Altman wollten es einst gemeinsam mit den grossen Tech-Konzernen aufnehmen. Nun hat der Tesla-Chef den Open-AI-Vorsitzenden verklagt. Es geht um die Zukunft der künstlichen Intelligenz, aber auch um gekränkte Egos.

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Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Carlos Barria / Reuters

Imago

Die Bromance zwischen Altman und Musk ist zu Ende.

«Ich vertraue ihm wirklich.»

«Er ist ein Arschloch, was auch immer man über ihn sagen mag.»

Zwischen diesen beiden Sätzen liegen acht Jahre. Sie stammen von Sam Altman, der sich in Interviews zu Elon Musk äussert. Aus den ehemaligen Verbündeten im Wettrennen um künstliche Intelligenz (KI) gegen die grossen Tech-Konzerne sind inzwischen erbitterte Gegner geworden.

Anfang des Monats erreichte diese Rivalität ihren vorläufigen Höhepunkt: Musk verklagte Altmans Firma Open AI und warf ihr vor, Vertragsbruch begangen zu haben. Die Firma habe ihre ursprüngliche Mission, eine KI im Sinne der Menschheit zu erschaffen, im Stich gelassen und richte sich nur noch auf Profit aus.

Echte Sorge oder Eifersucht?

Es ist unwahrscheinlich, dass die Klage Erfolg hat. Dass Musk sie dennoch eingereicht habe, zeige, wie sehr ihn die Sorge um die Zukunft der Menschheit umtreibe, sagen die einen. Die anderen sagen, es zeige, wie eifersüchtig er auf seinen ehemaligen Schützling sei.

Um zu verstehen, wie das Verhältnis zwischen Musk und Altman so ausarten konnte, muss man mehr als zehn Jahre zurückblicken – auf die Entstehungsgeschichte der generativen künstlichen Intelligenz. Es ist eine Geschichte von Tech-Enthusiasten und Milliardären, die das Unmögliche möglich machen wollen und sich gleichzeitig grosse Sorgen machen, dass ihr eigenes Produkt der Menschheit schaden könnte. Und die deswegen alles daransetzen, die Ersten zu sein und die Kontrolle über die KI zu erlangen.

Musk und Altman lernen sich 2012 über den Silicon-Valley-Investor Geoff Ralston kennen. Für KI interessieren sie sich zu diesem Zeitpunkt beide schon, ihr Fokus liegt aber auf anderen Projekten. Altman hat gerade sein erstes Startup verkauft, eine Social-Networking-App namens Loopt. Musk hat ein kommerzielles Raumschiff entwickelt, das in der Lage ist, Material von einer Weltraumstation zurück zur Erde zu bringen.

Elon Musk will zum Mars – doch was ist mit der KI?

Musk ist zu dieser Zeit besessen von der Idee, die Menschheit zum Mars umzusiedeln, um eine Überpopulation der Erde zu verhindern. Ein Gespräch mit Demis Hassabis, dem Mitgründer des KI-Startups Deep Mind, führt ihm jedoch eine weitere Gefahr vor Augen: Was, wenn künstliche Intelligenz so mächtig wird, dass sie den Menschen nicht nur auf der Erde, sondern auch auf dem Mars überlegen ist?

Kurz darauf investiert Musk in Deep Mind, obwohl er in dem Unternehmen selbst keine Rolle innehat – für ihn ein ungewöhnliches Vorgehen. Ob er es wirklich aus Sorge tut oder einfach, um nichts zu verpassen, weiss nur er selbst. Deep Mind macht rasch Fortschritte und entwickelt ein Computerprogramm, das dank KI zum ersten Mal simple Videospiele spielen kann. Daraufhin werden grosse Tech-Unternehmen auf das Startup aufmerksam, 2014 wird es für 650 Millionen Dollar an Google verkauft.

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Damit ist Musk raus – und, zumindest sagt er es so selbst, erst recht besorgt, was unter dem Einfluss eines so grossen Technologieunternehmens aus der künstlichen Intelligenz werden könnte. Der Google-Gründer Larry Page teilt Musks Pessimismus nicht. Laut der «New York Times» soll es 2015 auf einer Party zum Streit zwischen den beiden gekommen sein: Page soll Musk seine Vision einer utopischen Zukunft geschildert haben, in der Menschen und Maschinen verschmelzen und so die Welt besser machen. Wenn das passiere, soll Musk entgegnet haben, würde dies das Ende der Menschheit bedeuten. Page soll ihn deswegen als «Speziesisten» bezeichnet haben, als jemanden, der Menschen über alle anderen Spezies stellt.

Jahre später bezeichnet Musk den Vorfall als «den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat», was ihn davon überzeugte, dass er selbst aktiv werden müsse. Dazu wendet er sich an Sam Altman.

Ein «Manhattan Project» für künstliche Intelligenz

Altman ist in der Zwischenzeit zum CEO der Startup-Schmiede Y Combinator aufgestiegen, die unter anderem Airbnb und Dropbox zum Durchbruch verholfen hat. Auf seinem persönlichen Blog äussert er sich immer wieder zu KI, die er als «grösste technologische Entwicklung aller Zeiten» bezeichnet – aber auch als «vermutlich grösste Bedrohung in der Geschichte der Menschheit».

Musk und Altman tauschen sich regelmässig über ihre Ansichten aus. Im Frühjahr 2015 schreiben sie über die Idee eines «Manhattan Project» – eine Referenz auf das Geheimprogramm, mit dem die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg Atomwaffen entwickelten – unter dem Dach von Y Combinator. Es ist die Geburtsstunde ihres gemeinsamen Projekts: Open AI.

Das Ziel ist vor allem, zu Google aufzuschliessen. Altman holt Greg Brockman vom Online-Bezahldienst Stripe als CTO an Bord, Musk hilft dabei, den renommierten KI-Entwickler Ilya Sutskever von Google abzuwerben. Musk und Altman werden Co-Vorsitzende. Open AI hat prominente Unterstützer, unter ihnen Reid Hoffman, Mitbegründer von Linkedin, und Peter Thiel, Mitbegründer von Paypal. Insgesamt versprechen die Geldgeber eine Milliarde Dollar.

Angeblich soll es Musk gewesen sein, der darauf drängte, diese Summe zu kommunizieren, um in der Öffentlichkeit ernst genommen zu werden – was andere nicht spendeten, würde er beisteuern. Letztlich floss zu Beginn wohl deutlich weniger Geld in das junge Unternehmen. Musk selbst hat Open AI laut Klage mit 44 Millionen Dollar finanziert.

Mehr Investitionen nötig

Doch der grosse Durchbruch lässt auf sich warten. Musk wird ungeduldig, zumal Deep Mind weiter vorlegt: 2016 gewinnt die KI im Spiel Go gegen einen der besten Spieler der Welt. Wie dieser Fortschritt zustande kommen konnte, wird im folgenden Jahr klar. In einem Paper zeigt die Deep-Mind-Mutter Google auf, dass zur Entwicklung von KI-Systemen deutlich grössere Datenmengen vonnöten sind als bisher angenommen – und damit auch deutlich mehr Rechenpower.

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Das bedeutet, dass Open AI mehr Geld braucht. Doch dabei gibt es ein Problem: Das Unternehmen ist als Nonprofitorganisation gegründet worden, mit dem Ziel, KI zum Wohle der Menschheit zu entwickeln. Somit ist es kaum möglich, kommerzielle Investoren anzulocken. Was dann passiert, darüber gehen die Schilderungen von Musk und der verbliebenen AI-Führungsriege auseinander.

Musk sagt, er habe Open AIs geplanten Wandel zu einem profitorientierten Unternehmen nicht unterstützen wollen. Open AI solle Nonprofit bleiben, sonst ziehe er sein Geld ab. Er wolle kein Startup finanzieren.

Wollte Musk die volle Kontrolle?

Open AI liefert eine andere Version der Ereignisse: Musk habe erkannt, dass eine profitorientierte Einheit nötig sei. Aber er wollte die Mehrheit an dem Unternehmen sowie die Kontrolle über den Verwaltungsrat und den Posten des CEO. In einer E-Mail, die Open AI am 5. März veröffentlicht hat, schlägt Musk vor, die Firma solle Teil von Tesla werden, um ein ernstzunehmendes Gegengewicht zu Google darstellen zu können. Inmitten der Diskussionen über die Ausrichtung des Unternehmens habe er seine Zahlungen eingestellt, weshalb der Linkedin-Gründer Hoffman einspringen musste.

Es ist ein Paradox, das in der Branche immer wieder auftaucht: Diejenigen, die die grössten Bedenken hinsichtlich der neuen Technologie äussern, wollen am meisten Macht über die KI haben – weil sie der Meinung sind, dass nur sie allein die Menschheit vor dem Untergang bewahren können.

«Je mehr die Menschen sich in eine gemeinsame Richtung bewegen, desto heftiger sind ihre Meinungsverschiedenheiten», sagte Sam Altman im Dezember der «New York Times». «Man sieht das in Sekten und religiösen Orden: Am erbittertsten sind die Kämpfe zwischen den Menschen, die sich am nächsten stehen.»

Open AI wird profitorientiert

Bei Open AI verliert Elon Musk diesen Kampf. Im Februar 2018 tritt er als Co-Vorsitzender zurück, Sam Altman wird alleiniger CEO. Wie sehr das Musks Ego trifft, zeigt sich an einer Mail, die er später an die verbliebenen Führungsmitglieder schickt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Open AI erfolgreich sein werde, so schreibt er, liege bei 0 Prozent.

Es kommt anders. Mit Microsoft steigt ein mächtiger Investor ein, das Unternehmen erhält auf einen Schlag eine Milliarde Dollar. Im November 2022 veröffentlicht Open AI den Chatbot Chat-GPT, nach wenigen Tagen hat er eine Million Nutzer. Bald könnte Open AI 100 Milliarden Dollar wert sein.

Damit das möglich sein konnte, wurde ein profitorientierter Arm aufgebaut, der allerdings von einem Nonprofit-Verwaltungsrat kontrolliert wird. Dass die internen Turbulenzen damit nicht vorbei sind, zeigt sich Ende 2023, als der Verwaltungsrat Sam Altman kurzfristig als CEO absetzt.

Non-Profit-Organisation kontrolliert Startup: Die Struktur von Open AI ist ungewöhnlich
Musk sammelt selbst Gelder ein

Doch Altman kann sich wieder durchsetzen. Der Verwaltungsrat wird neu besetzt, und der Einfluss von Microsoft und die Macht von Altman dürften durch die Aktion noch gewachsen sein. Im November 2023 sagt Elon Musk, er hege gemischte Gefühle gegenüber Altman: «Der Ring der Macht kann jemanden korrumpieren, und er hat diesen Ring.» Die Veröffentlichung von Chat-GPT bezeichnet er als verfrüht und grossen Fehler. In der Klage von Anfang März schreibt er, Altman habe dazu beigetragen, dass Open AI sich «radikal von seiner ursprünglichen Mission, die Technologie der gesamten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, entfernte».

Vergangenen März gründete Elon Musk seine eigene KI-Firma, xAI. Im November veröffentlichte er den Chatbot Grok. Dessen Technologie war bisher auch nicht öffentlich zugänglich – was sich aber, wie Musk vor wenigen Tagen ankündigte, bald ändern soll. In der Anmeldung des Unternehmens bei der Börsenaufsicht SEC gab Musk an, mehr als 130 Millionen Dollar an Investorengeldern eingesammelt zu haben. Laut Medienberichten bereitet xAI derzeit die nächste Finanzierungsrunde vor.

Nach der Veröffentlichung von Musks Klage schickte Sam Altman eine Mitteilung an die Open-AI-Mitarbeiter. «Ich vermisse den alten Elon», schrieb er darin.

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