Milliarden-Projekt: Wolfspeed und ZF bauen mit Staatshilfe ...

1 Feb 2023
Künftig Chips statt Kohle: Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Bundeskanzler Olaf Scholz, Wolfspeed-CEO Gregg Lowe und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (von links) stehen vor dem stillgelegten Kohlekraftwerk im saarländischen Ensdorf. Hier soll für 2,75 Milliarden Euro eine neue Chipfabrik entstehen.

Künftig Chips statt Kohle: Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, Bundeskanzler Olaf Scholz, Wolfspeed-CEO Gregg Lowe und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (von links) stehen vor dem stillgelegten Kohlekraftwerk im saarländischen Ensdorf. Hier soll für 2,75 Milliarden Euro eine neue Chipfabrik entstehen.

Foto: THILO SCHMUELGEN / REUTERS

Deutschland zieht mit massiver staatlicher Förderung nach Intel in Magdeburg eine weitere Chipfabrik an Land. Der US-Konzern Wolfspeed will im Saarland ein Werk für umgerechnet 2,75 Milliarden Euro bauen. Ein Großteil der Investition müsse über Subventionen finanziert werden, sagte Wolfspeed-Chef Gregg Lowe am Mittwoch in Ensdorf bei Saarlouis. "Ohne diese Förderung könnte man das Projekt in Europa nicht realisieren."

Der eigens angereiste Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) bezeichnete die Fabrik als Beitrag zu einer größeren Versorgungssicherheit Europas mit Halbleitern. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (53, Grüne) sprach von einem wichtigen Signal, "dass der Standort Deutschland in einer schwierigen Lage weiter attraktiv ist, auch für Hochtechnologie." Die Bundesregierung hoffe auf weitere Ansiedlungen von Halbleiterherstellern, die bislang überwiegend in Asien produzieren.

Die Fabrik soll auf dem Gelände eines ehemaligen Kohlekraftwerks entstehen und 600 Arbeitsplätze schaffen. Bund und Land stünden bereit, erhebliche Zuschüsse über den EU-Förderrahmen IPCEI zu leisten und hätten in Brüssel bereits eine Genehmigung angefragt, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person. "Das grüne Licht der EU-Kommission steht noch aus." Die Freigabe sei aber sicher. Hergestellt werden sollen ab 2027 Siliziumkarbid-Halbleiter, mit denen die Reichweite von Elektroautos gesteigert werden könnte. Sie kommen auch in Energie- und Industrieanlagen zum Einsatz.

Autozulieferer ZF Friedrichshafen beteiligt sich mit 170 Millionen Euro

Beteiligt mit Know-how und einem finanziellen Beitrag von rund 170 Millionen Euro ist der Autozulieferer ZF Friedrichshafen. Es werde die weltweit modernste und größte Fertigung dieser Bauteile, erklärten die Unternehmen. Wolfspeed und ZF wollen zudem an einem anderen Standort ein Forschungszentrum errichten, um die Hochleistungschips weiterzuentwickeln. "Diese Initiativen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen industriellen Transformation", erklärte ZF-Chef Holger Klein. Der zweitgrößte deutsche Autozulieferer und traditionelle Getriebehersteller steckt wie die gesamte Branche mitten im Umbruch zur Elektromobilität. Mit dem weiten Einsatzfeld der Chips eröffneten sich auch ZF neue Geschäftschancen.

"Das Niveau an Qualität und Ausbildung von Technikern in Deutschland ist sehr, sehr hoch"

Wolfspeed-Chef Gregg Lowe

Wolfspeed habe sich nach Prüfen einiger möglicher Standorte in Europa für Deutschland entschieden wegen der qualifizierten Arbeitskräfte. Davon erhofft sich das Unternehmen Lowe zufolge eine besonders profitable Produktion. "Das Niveau an Qualität und Ausbildung von Technikern in Deutschland ist sehr, sehr hoch", sagte er. "Unsere Aufgabe ist nur, sie für Halbleiter-Maschinen auszubilden, und dafür haben wir vier Jahre Zeit." Wolfspeed rechne mit einer Förderung in Höhe von rund 20 Prozent der Gesamtinvestitionskosten, sagte Lowe dem "Handelsblatt".

Subventionen locken Chiphersteller

Die Europäische Union (EU) strebt an, die Abhängigkeit Europas von Asien bei Halbleitern zu verringern. Der Chipmangel während der Corona-Pandemie hat der Industrie die Anfälligkeit globaler Lieferketten vor Augen geführt. Die Autoindustrie kämpfte mit massiven Produktionsausfällen, der Pkw-Absatz sank in Europa trotz hoher Nachfrage auf den tiefsten Stand seit knapp 30 Jahren. Mit einem "European Chips Act" im Volumen von insgesamt 45 Milliarden öffentlicher und privater Investitionen soll der weltweite Produktionsanteil von Halbleitern in Europa binnen zehn Jahren auf 20 Prozent verdoppelt werden.

Die Chipfabrik im Saarland wird ein weiterer Baustein zur Sicherung von Lieferketten für die Auto- und Elektronikindustrie nach der in Magdeburg geplanten Halbleiter-Fertigung des US-Konzerns Intel. Auch die deutschen Schwergewichte Bosch und Infineon investieren mit staatlicher Unterstützung Milliarden in Chipfabriken in Dresden.

Die deutsche Industrie warnt immer lauter vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber den USA, seit US-Präsident Joe Biden (80) im vergangenen Jahr den "Inflation Reduction Act", ein 370 Milliarden Dollar schweres Förderprogramm klimafreundlicher Technologie, ankündigte. So befürchtet der Verband der Automobilindustrie (VDA) eine Spirale des Protektionismus. "Die transatlantische Partnerschaft muss vertieft statt mit Hürden versehen werden", erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten