"The Day Before": Tot nach fünf Tagen

12 Dez 2023
The Day Before

Es gibt viele Gründe, weshalb Videospiele ihrem Hype nicht gerecht werden. Manche befinden sich mehr als ein Jahrzehnt in der Mache, nur um dann trotzdem zu enttäuschen (Duke Nukem Forever). Andere kämpfen zum Release mit schweren technischen Problemen (Cyberpunk 2077). Andere versprechen Features, die es dann doch nicht ins finale Spiel schaffen (The War Z). Und wieder andere versprechen ein Spiel, dass es so womöglich gar nicht gibt.

So wie im Fall von The Day Before.

Am vergangenen Donnerstag erschien das Spiel – oder zumindest ein Spiel – als Vorabversion, als Early-Access-Titel, auf der Spieleplattform Steam zum Preis von 40 Euro. Am heutigen Dienstag zogen die Entwickler von Fntastic Games den Stecker. Das Spiel ist nicht mehr erhältlich, der YouTube-Kanal des Unternehmens und die Social-Media-Konten der Gründer sind gelöscht. Auf der Website von Fntastic Games steht, dass das Studio aufgelöst worden sei. Auf Steam hat The Day Before aktuell mehr als 20.000 "äußerst negative" Bewertungen.

Nun könnte man sagen, dass sich die Entwickler an ihren Ambitionen verhoben haben. Kann ja mal passieren, man denke unlängst an den Fall des Gollum-Spiels des deutschen Studios Daedelic. Doch im Fall von The Day Before gab es von Anfang an zahlreiche Warnhinweise, neudeutsch red flags, die darauf hindeuteten, dass es sich bei dem Spiel womöglich nicht um das handelte, was den Spielerinnen und Spielern versprochen worden war.

Skepsis seit dem ersten Tag

Im Januar 2021 veröffentlichten die Verantwortlichen von Fntastic Games einen Trailer für ein neues Zombie-Survial-Spiel. Es zeigte zwei Spieler, die in einer heruntergekommenen Stadt Autos und Geschäfte plünderten, in ein Feuergefecht gerieten und dann vor einer Horde Zombies flohen. Der Trailer sorgte schon damals für eine gewisse Skepsis unter Spielern, zumal das im russischen Jakutsk ansässige Studio zum damaligen Zeitpunkt erst zwei mäßig bewertete und deutlich simplere Spiele veröffentlicht hatte, von denen eines mit 60.000 US-Dollar per Crowdfunding finanziert wurde. Der Trailer zu The Day Before dagegen ließ auf einen Titel mit den Ambitionen eines AAA-Spiels schließen, dessen Entwicklung zudem schon vermeintlich recht weit fortgeschritten schien.

Einen knappen Monat später kam ein zweiter Trailer, in dem die beiden Gründer von Fntastic Games von einem "echten Durchbruch für das MMO-Survival-Genre" sprechen und weitere vermeintliche Szenen aus dem Spiel zeigen. The Day Before sollte Survival-Horror mit einer riesigen, offenen Spielwelt kombinieren, dynamischen Wetterverhältnissen und einem ambitionierten Kampfsystem. Ende 2021 verriet ein dritter Trailer das Release-Datum: Juni 2022. Das kleine Studio, von dem niemand wusste, wie viele Angestellte es eigentlich hat, hatte zwischendurch sogar noch Zeit, mit Propnight ein weiteres Spiel zu veröffentlichen.

In den Monaten vor dem angepeilten Datum stieg der Hype um The Day Before, das zwischenzeitlich auf mehr Wunschlisten stand als jedes andere Game auf Steam. Doch im Mai 2022 wurde die Veröffentlichung um ein halbes Jahr verschoben, da man die Grafik-Engine updaten müsse. Generell sind Verschiebungen in der Games-Branche nicht ungewöhnlich. Dass eine solche Entscheidung vier Wochen vor Release getroffen wird, allerdings schon.

Schon bei den ersten Trailern von "The Day Before" waren Nutzer skeptisch, ob das Spiel halten könne, was es versprach. © The Day Before/​Fntastic

Dazu kamen Berichte über die Arbeitsbedingungen bei Fntastic. Demnach sollen für das Studio Hunderte "Freiwillige" gearbeitet haben, von denen einige wie Angestellte bezahlt worden seien, andere allerdings ohne finanzielle Entlohnung arbeiteten – dabei handele es sich um "Unterstützer", wie die Verantwortlichen von Fntastic sagten. Diese bekämen zwar kein Geld, aber dafür "coole Prämien, Teilnahmezertifikate und kostenlose Codes". Erneut schienen die Umstände nicht zu den Ambitionen von The Day Before zu passen.

In den folgenden Monaten wurde es still um das Spiel, das doch eigentlich im Januar dieses Jahres erscheinen sollte. Doch stattdessen verschwand die Steam-Seite von The Day Before komplett. Der Grund sei ein Markenrechtsstreit, hieß es, weshalb das Release sich um weitere acht Monate verzögere. Offenbar hatte The Day Before Probleme mit dem Anbieter einer gleichnamigen Kalender-App. Auch hier darf man fragen, weshalb die Verantwortlichen von Fntastic sich nicht schon viel früher um Aspekte wie das Markenrecht gekümmert hatten. Vielleicht hatte Fntastic nicht nur keine Marketing-Abteilung, sondern auch keine Rechtsabteilung.

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