Rezession in Deutschland - die Gründe für die Wirtschaftsflaute

26 Mai 2023

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Rezession, die weiteren Aussichten für das Jahr sind gedämpft. Warum schwächelt die Wirtschaft und wie will die Bundesregierung gegensteuern?

26.05.2023

Ein Radfahrer fährt an einem leerstehenden Schnellimbiss vorbei.

Wirtschaftlicher Abschwung: Wenn die Verbraucher nicht genügend Geld haben, müssen auch kleine Unternehmen wie Imbissbuden schließen. (picture alliance / dpa / Jens Büttner)

Die deutsche Wirtschaft ist überraschend das zweite Quartal in Folge geschrumpft und damit in eine Rezession gerutscht. Die nach wie vor hohe Inflation drückt auf die Konsumlaune der Deutschen, und auch andere Indikatoren deuten momentan darauf hin, dass die Wirtschaft erheblich schwächelt. Eine rasche Besserung scheint nicht in Sicht.

Was ist eine Rezession? Wodurch wurde die aktuelle Rezession ausgelöst? Was kann man gegen die aktuelle Rezession tun? Wie sind die weiteren Aussichten für die deutsche Wirtschaft?
Was ist eine Rezession?

Basierend auf dem lateinischen Substantiv „recessio“ (das Zurückweichen) beschreibt der Begriff Rezession das Schrumpfen der Wirtschaft. Wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgeht, ist von einer sogenannten technischen Rezession die Rede.

Ein solcher Abschwung ist in einer wachstumsorientierten Wirtschaft in der Regel mit vielen Problemen verbunden: Die Unternehmen investieren weniger und stellen weniger Arbeitskräfte ein oder entlassen sie, Insolvenzen nehmen zu, der Konsum der Verbraucher geht zurück. Es droht eine Abwärtsspirale. Eine Antwort darauf können staatliche Konjunkturprogramme und Investitionsanreize für Unternehmen sein.

Die Grafik zeigt die Veränderungen des deutschen Bruttoinlandprodukts zum jeweiligen Vorquartal. Im letzten Quartal 2022 und ersten Quartal 2023 ist die Wirtschaft geschrumpft.

Wodurch wurde die aktuelle Rezession ausgelöst?

Gebremst von gesunkenen Konsumausgaben der Verbraucher ist das Bruttoinlandsprodukt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent geschrumpft. Zum Ende des Jahres 2022 war die Wirtschaftsleistung preis-, saison- und kalenderbereinigt bereits um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken.

"Die massiv gestiegenen Energiepreise haben im Winterhalbjahr ihren Tribut gefordert", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Der Ökonomen Aloys Prinz von der Universität Münster sieht in den hohen Energiepreisen ebenfalls eine der Hauptursachen der aktuellen Rezession in Deutschland. Hinzu komme die Leitzinspolitik der Europäischen Zentralbank: "So notwendig sie ist, um die Inflation zu bekämpfen, hat sie eben starke Nebenwirkungen." Durch die höheren Zinsen könne die Konjunktur gedämpft oder sogar zum Absturz gebracht werden.

Was kann man gegen die aktuelle Rezession tun?

Bundeskanzler Olaf Scholz wirbt trotz der Konjunkturflaute für Zuversicht. Die Bundesregierung sei gerade dabei - etwa mit dem massiven Ausbau des Ökostroms - "die Kräfte der Wirtschaft zu entfesseln". Die Investitionen in Batterie- oder Chipfabriken nehmen erheblich zu, viele Milliarden Euro würden in den Ausbau des Stromnetzes und der Stromproduktion investiert. Zudem gebe es Vollbeschäftigung, die Regierung wolle den Arbeitskräftebedarf mit einem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz decken.

Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht wegen der schwachen Wirtschaftsdynamik hingegen Handlungsbedarf. "Das ist ein Auftrag an die Politik", sagte der FDP-Vorsitzende. Es brauche jetzt eine wirtschaftspolitische Zeitenwende. Lindner kündigte an, die Regierung werde Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Außerdem werde es noch dieses Jahr weitere Maßnahmen geben, um Investitionsbedingungen zu verbessern. Konkret nannte Lindner eine stärkere Förderung der Forschung.

Aus Sicht des Ökonomen Aloys Prinz sind "die Möglichkeiten sehr beschränkt", gegen die Rezession vorzugehen. Dringend erforderlich wäre allerdings, dass Unsicherheiten beseitigt würden, betont er: beispielsweise in der Debatte um die Investitionen im Heizungsbereich. Hier seien nicht nur die Privathaushalte, sondern auch die Kommunen betroffen. Außerdem müsse es Lösungen für energieintensive Unternehmen geben. Wenn dort die Strompreise zu hoch seien, "dann geraten wir allein schon deshalb in weitere Schwierigkeiten", so Prinz.

Wie sind die weiteren Aussichten für die deutsche Wirtschaft?

Manche Volkswirte schließen inzwischen nicht mehr aus, dass die Wirtschaftsleistung im ganzen Jahr 2023 negativ ausfällt, dass es nach der "Winter-Rezession" noch zu einer "Sommer-Rezession" kommt. Die hohe Inflationsrate zehrt an der Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger, und die Bundesbank rechnet damit, dass die Teuerungsrate nur sehr allmählich nachgeben wird. Trotz einer Abschwächung lag sie im April 2023 mit 7,2 Prozent weiter auf vergleichsweise hohem Niveau. Der Privatkonsum dürfte Ökonomen zufolge das Sorgenkind bleiben. Nach Daten des Konsumforschungsunternehmens GfK erholt sich die Verbraucherstimmung nur schleppend.

Die Aussichten sind also gedämpft. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft trübte sich im Mai dem Ifo-Institut zufolge erstmals seit einem halben Jahr wieder ein. "Die deutsche Wirtschaft blickt skeptisch auf den Sommer", sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest. Angesichts der Rahmenbedingungen werden die kommenden Monate nicht einfach.

Positive Impulse im ersten Quartal 2023 kamen vom Außenhandel, und auch die Bauinvestitionen stiegen wegen der vergleichsweise milden Temperaturen um 3,9 Prozent. Gerade die Bauwirtschaft leidet allerdings unter den hohen Zinsen, viele Projekte gelten deswegen als nicht mehr rentabel. Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia legte Ende Januar alle für 2023 geplanten Neubauprojekte auf Eis.

Düstere Aussichten für das zweite Halbjahr

"Das Wachstum wird auch im zweiten Quartal ein Ritt auf der Rasierklinge zwischen leichtem Wachstum und fortschreitender Rezession bleiben", erwartet Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Düster sehe es vor allem für das zweite Halbjahr aus. Dann seien die Nachholeffekte in der Industrie aufgezehrt. Einen Ausgleich für den wohl weiter schwachen Privatkonsum und die angeschlagene Bauwirtschaft gebe es somit nicht mehr.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erwartet dagegen, dass sich der private Konsum und damit auch die Wirtschaftsleistung insgesamt im Jahresverlauf deutlich erholen dürften. Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum in Europas größter Volkswirtschaft im Gesamtjahr um die Nulllinie herum bewegt.

Der IWF ist damit pessimistischer als die Bundesregierung, die in ihrer Ende April vorgestellten Frühjahrsprojektion noch ein Plus von 0,4 Prozent vorhergesagt hatte. Die EU-Kommission rechnete in ihrer jüngsten Prognose mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent für Deutschland.

ahe, dpa, rtr

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