Eintracht-Gegner im DFB-Pokal: Lok Leipzig ist für immer erster ...

Lok Leipzig ist gleich mehrfacher Rekordhalter. Der jüngste Rekord stammt aus der Corona-Zeit, als der Verein, hart getroffen von der damals vorübergehenden Einstellung des Spielbetriebs der Regionalliga Nordost, einfach Tickets für ein imaginäres Spiel gegen einen unsichtbaren Gegner anbot. Schon nach wenigen Tagen war die 100.000er Marke genommen, am Ende stoppte der Zähler bei 182.371 Karten, die für mindestens einen Euro verkauft wurden. Der virtuelle Zuschauerweltrekord ist offiziell beglaubigt und Lok hat mal wieder bewiesen, wohin Fußballleidenschaft und wahre Fanliebe führen können.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Letztere trug den Verein bereits durch die DDR-Oberliga (dem Pendant zur Bundesliga), in der Lok zwar nie Meister wurde, aber sich mit Pokalspielen in ganz Europa einen Namen machte. Vor allem in England ist Lok nicht nur Fußballenthusiasten heute noch ein Begriff. Dort galten die Leipziger in den siebziger Jahren als Pokalschreck, und 1974 schlugen sie im UEFA-Cup Fortuna Düsseldorf. Es war das erste Mal, dass ein DDR-Fußballklub eine Mannschaft aus der Bundesrepublik besiegte.

Der größte Tag in der jüngeren Vereinsgeschichte allerdings war der 22. April 1987, als Lok im Halbfinale Girondins Bordeaux aus dem Europapokal warf: 6:5 nach dem Elfmeterschießen, Leipzig bebte. Geschätzt 100.000 Zuschauer verfolgten das Spiel im damaligen Zentralstadion der Messestadt, in das hinein sich heute RB seine Bundesligaspielstätte gesetzt hat.

Turbulente Geschichte

Loks Heimstatt liegt südöstlich des Zentrums im Stadtteil Probstheida. Das Bruno-Plache-Stadion, kurz „Bruno“, ist gut hundert Jahre alt und wurde damals für den als VfB Leipzig firmierenden Klub errichtet, Deutschlands ersten Fußballmeister. 1903 war es, als die Mannschaft im Finale mit 7:2 den Deutschen Fußballclub Prag besiegte und die Meistertrophäe „Viktoria“ mit nach Hause nahm. Noch zwei Mal bis zum Ersten Weltkrieg gewann der VfB die Meisterschaft.

Die weitere Geschichte des Fußballklubs verlief so turbulent wie das 20. Jahrhundert. In der sowjetischen Besatzungszone wurden bürgerliche Vereine aufgelöst, aber in Probstheida spielten sie mit überwiegend denselben Leuten weiter Fußball. Ab Mitte der sechziger Jahre liefen die Spieler dann unter der Bezeichnung Lok auf, als der Trägerbetrieb des Klubs die Deutsche Reichsbahn wurde, wie das Transportunternehmen in der DDR weiterhin hieß. Nach der Wiedervereinigung kamen die Rückbenennung in VfB, ein Jahr Bundesliga, wo der Verein erstmals auch auf die Eintracht traf (auswärts 1:2 verlor und das Heimspiel 1:0 gewann), hochfliegende Pläne und der jähe Absturz bis in die Bedeutungslosigkeit.

Es waren dann wiederum ein paar Enthusiasten, die für einen Neustart sorgten. Nach der Jahrtausendwende spielte der Verein wieder als Lok Leipzig und arbeitete sich aus Liga elf nach oben. „Liebe kennt keine Liga“, schrieben die Fans auf Banner – und Lok holte mit 12.500 Zuschauern bei einem Spiel den Rekord in der Kreisliga. Seit 2016 spielt Lok in der vierten Liga, verpasste mehrfach nur knapp den Wiederaufstieg in den Profifußball.

Der Gewinn des Sachsenpokals führte nun zur Teilnahme im DFB-Pokal. Gespielt wird selbstredend im „Bruno“ vor ausverkaufter Kulisse. 11.100 Zuschauer sind das Maximum für die alte Spielstätte. Deren Besucher können die Partie in ganz besonderem Ambiente verfolgen: auf der originalen, noch in der Weimarer Republik errichteten Holztribüne.

Ziemlich viele Leipziger werden Lok an diesem Sonntag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal und bei Sky) die Daumen drücken. Denn obwohl der Bundesligaklub RB Leipzig heute viel mehr Aufmerksamkeit bekommt, liegt Lok in puncto Tradition unangefochten vorn. Einen hierfür wichtigen Sieg holte der Verein erst in der vergangenen Saison: Nach einem langen Verfahren erkannte der DFB die Lok-Tradition zurück bis zum VfB Leipzig an. Seitdem darf die Mannschaft offiziell den Meisterstern von 1903 auf dem Trikot tragen.

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