Mehr Geld, mehr Waffenexporte: Friedrich Merz skizziert ...

Wenn Friedrich Merz Kanzler wäre: mehr Geld für die Bundeswehr, Rüstungsexporte auch in Krisengebiete

Friedrich Merz - Figure 1
Foto Neue Zürcher Zeitung - NZZ

Der Parteivorsitzende der Christlichdemokraten skizziert in einer Grundsatzrede in Berlin erste Überlegungen zur Verteidigungspolitik einer von ihm geführten Regierung. Doch die Last der Ära Merkel wiegt noch immer schwer.

Der Vorsitzende der Christlichdemokraten in Deutschland, Friedrich Merz.

Imago

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Vorsitzende der Christlichdemokraten, Friedrich Merz, am Montagabend eine verteidigungspolitische Grundsatzrede gehalten. Seine Äusserungen vor Fachleuten aus Sicherheitspolitik, Militär und Rüstung in Berlin haben es durchaus in sich. Merz kündigte auf dem Parlamentarischen Abend der «Gesellschaft für Sicherheitspolitik» an, im Fall einer Regierungsübernahme bei der Bundestagswahl 2025 den Wehretat bereits ab 2026 zusätzlich zum 100-Milliarden-Sondervermögen auf mindestens 80 Milliarden Euro anheben zu wollen. Zudem will er künftig Rüstungsexporte auch in Krisengebiete ermöglichen.

Merz’ Rede verdeutlichte, dass er auch beim Thema Verteidigung mit der Politik der früheren Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel gebrochen hat. Für Merkel hatte die Bundeswehr selbst dann kaum politische Relevanz, als Russlands Präsident Wladimir Putin mit der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 seiner imperialen Rhetorik auch Taten folgen liess. Merz verpackte seine Kritik an dieser Haltung Merkels in dem Satz: «Zu lange haben wir weggeschaut, uns die Lage schöngeredet und gehofft, es wird für uns schon alles gutgehen.»

Unter einer von ihm geführten Regierung würde das demnach anders aussehen. Der «ernüchternde Rückblick» zeige, dass Deutschland nicht wirklich strategiefähig sei. Das Land sei nicht ausreichend in der Lage, «die Puzzlestücke, die vor uns liegen, zusammenzusetzen», das Lagebild zu erkennen und dann die richtigen Ableitungen und Konsequenzen zu ziehen. Daher müsse mit Nachdruck eine strategische Kultur in Deutschland ausgebaut werden.

Scholz habe die Zeitenwende schon beendet

Was das konkret heisst und wie er das anstellen will, liess Merz wie so vieles in seiner Rede offen. Ihm ging es offenkundig darum, zunächst grundsätzliche Überlegungen zur Verteidigungs- und Rüstungspolitik darzulegen. Um zu sagen, was er ändern wolle, bezog sich Merz mehrfach auf die Versäumnisse des gegenwärtig regierenden Kanzlers Olaf Scholz. Die Zeitenwende sei vom Wort nicht zur Tat geworden, sagte er etwa. Statt endgültig den Schalter umzulegen und «unsere Sicherheit und Freiheit an erste Stelle zu setzen, haben wir uns in Deutschland wieder sehr schnell anderen, vermeintlich wichtigeren Themen gewidmet».

Scholz verspreche, dass alles so bleiben könne, wie es sei, und das bedeute «eigentlich schon das Ende der Zeitenwende». Doch Deutschland werde «den Preis für Sicherheit und Verteidigung zahlen müssen, wenn wir auch zukünftig in Frieden und Freiheit leben wollen». Worin er diesen Preis sieht, da wurde Merz durchaus konkreter. Scholz wolle das Zwei-Prozent-Ziel der Nato vom kommenden Jahr an erfüllen, indem er die Ausgaben aus dem Sondervermögen dem regulären Wehretat hinzurechne. Dies werde, sagte Merz, unter einer von ihm geführten Regierung anders laufen. «Wir stehen für eine Anhebung des Verteidigungshaushalts auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts bis 2026, und zwar zusätzlich zum Sondervermögen.»

Das würde bedeuten, dass nach der Wahl 2025 die Ausgaben für das Militär von gut 52 Milliarden Euro sprunghaft auf mindestens 80 Milliarden anstiegen. Merz sagte, bei einem Bundeshaushalt von (derzeit) 476 Milliarden Euro müsse dies möglich sein. Es gehe um eine klare Prioritätensetzung. Sicherheit und Verteidigung stünden für ihn an oberster Stelle. Parallel dazu würden grosse Beschaffungsvorhaben auch weiter aus dem Sondervermögen finanziert. Nach derzeitiger Planung der Bundesregierung soll es mindestens bis 2027 reichen.

CDU will wieder «Partei der Bundeswehr» sein

Mit solchen Aussagen kommt Merz denjenigen in der deutschen Sicherheitspolitik und im Militär entgegen, die das Sondervermögen ohnehin lediglich als «Anschubfinanzierung» für die Bundeswehr betrachten. Ihrer Ansicht nach werde dieses Geld nicht reichen, um die gesamte Bundeswehr wieder voll einsatzfähig zu machen. Allerdings war die Bundeswehr schon in den vergangenen Jahren mehrfach nicht in der Lage, das für Rüstungsbeschaffung vorgesehene Geld vollständig auszugeben. Das lag etwa daran, dass sich die Abnahme von Waffen und anderer Ausrüstung in das nächste Haushaltsjahr verschoben hatte.

Nachdem das deutsche Militär vor allem unter christlichdemokratischen Bundeskanzlern drei Jahrzehnte lang bis zur Dysfunktionalität zusammengespart wurde, sind Merz’ Finanzpläne für die Streitkräfte nun durchaus so zu verstehen, dass Christlichdemokraten und Christlichsoziale wieder die «Parteien der Bundeswehr» sein wollten. Als solche bezeichneten sie sich gern unter Verweis darauf, dass keine Partei mehr für die Streitkräfte tue als sie. In der Ära Merkel war dies allerdings höchst unglaubwürdig geworden.

Rüstungsindustrie sei eine strategische Industrie

Auch das Verhältnis zur Rüstungsbranche will Merz offenkundig wieder verbessern. Als «strategische Industrie» seien die Unternehmen keine Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere, sagte er. Sie müssten auch dann finanziert werden, wenn «wir sie politisch nicht akut brauchen». Wie notwendig dies sei, zeige das Beispiel der Artilleriemunition für die Ukraine. Deutschland und die EU hatten versprochen, innerhalb eines Jahres eine Million Granaten zu liefern. Das wird aber nichts, wie vor kurzem der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius einräumte. Dies zeige, sagte Merz, «dass wir Kapazitäten vorhalten müssen, um in Krise und Krieg reaktionsfähig zu sein».

Merz liess erkennen, dass bei der Rüstungsbeschaffung nationale Sicherheitsinteressen künftig wieder stärker berücksichtigt werden sollten. Er verklausulierte das in dem Satz «Das Argument der nationalen Sicherheit muss bei Beschaffungen in Erwägung gezogen werden». Er erwähnte in diesem Kontext explizit den Kauf des amerikanischen Kampfflugzeugs F 35, verwies zugleich aber auf die Unwägbarkeiten der US-Politik nach den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr. Es sei nicht auszuschliessen, dass «uns die USA mit unseren Kriegen und Konflikten auf unserem Kontinent und an unserer Peripherie auf uns allein gestellt zurücklassen».

Rüstungsexporte in den indopazifischen Raum

Auch auf dem Feld des Exports will es ein möglicher Bundeskanzler Merz der deutschen Rüstungsindustrie künftig leichter machen. Bisher können Militärgüter nur an Nato- und EU-Staaten geliefert werden. Für alle anderen Länder brauchen die Unternehmen eine Exportgenehmigung des Bundessicherheitsrats. Künftig soll das einfacher gehen. Partner, die nicht der Nato oder EU angehörten, könnten durch Rüstungsexporte an Deutschland gebunden werden, sagte Merz.

Er schaue da beispielsweise in den indopazifischen Raum. «Unterstützen wir diese Partner nicht auch rüstungspolitisch, füllen die Lücke diejenigen, deren Einfluss wir besser eindämmen sollten.» Mit den «Partnern» dürften vor allem Indien, Indonesien, Singapur und Südkorea gemeint sein, denen aufgrund der chinesischen Machtprojektion in der Region gerade verstärkt das Interesse der deutschen Sicherheitspolitik gilt. Diesen Ländern hat Deutschland bisher nur sehr restriktiv Waffen geliefert. Im Fall von Südkorea etwa mit der Begründung, dass dieses Land mit Nordkorea im Konflikt liege und Deutschland keine Waffen in Konfliktgebiete liefere.

Mit seiner Rede hat Merz einen ersten Testballon für die weitere Ausrichtung seiner Verteidigungspolitik gestartet. Das Publikum war vom Fach, er hatte kaum Widerspruch zu befürchten. Seine Botschaft lautete: Bundeswehr, Rüstungsbeschaffung, die gesamte Verteidigung habe für die Union wieder oberste Priorität. Die Frage lautet, ob ihm das Soldaten, Unternehmen und Bürger nach der Ära Merkel abnehmen.

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