Formel E in Berlin: Fans ziehen Vergleich zu Formel 1 – und fällen ...

24 Apr 2023

22.04.2023, Berlin: Motorsport: Formel-E: Berlin E-Prix am Tempelhofer Feld, Rennen: Das Feld auf der Strecke. Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

190 Überholmanöver und acht Führungswechsel – das Formel-E-Rennen am Samstag hatte Action pur zu bieten. Bild: dpa / Fabian Sommer

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Jannik Sauer

Berlin-Tempelhof ist für die Formel E so etwas wie Silverstone für die Formel 1. Eine absolute Traditionsstrecke, die fast immer zum Kalender gehört und bei Fans und Fahrern einen hohen Stellenwert genießt. Zum insgesamt neunten Mal hat die 2014 gestartete Rennserie jetzt in der deutschen Hauptstadt Station gemacht – keine andere Stadt war so oft vertreten.

Auf dem Rollfeld des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof hat die Formel E am Wochenende vor ausverkaufter Kulisse die Saisonrennen sieben und acht ausgetragen. Rund 28.000 Fans verfolgten die Rennen vor Ort, die der Jaguar-Pilot Mitch Evans (Samstag) und Nick Cassidy für Envision Racing (Sonntag) für sich entscheiden konnten.

Mitch Evans NZL Jaguar vor Maximilian Günter GER Maserati vor einer vollen Zuschauertribüne, Rennen 1, Formel E FIA Weltmeisterschaft, Berlin E- Prix, 22.04.2023, Tempelhof, Deutschland *** Mitch Evan ...

Der spätere Rennsieger Mitch Evans führt den E-Prix in Berlin am Samstag an.Bild: IMAGO images /Andreas Beil

Die einzige rein elektrische Rennserie der Welt wächst und wächst: Jahr für Jahr bricht sie Zuschauer:innenrekorde. 2022 schalteten 381 Millionen Menschen ein, im Vorjahr waren es 316 Millionen. Obwohl die Elektro-WM immer größer und wichtiger wird, gibt es viele Motorsport-Fans, die sie immer noch nicht ganz ernst nehmen.

Sie vermissen das Röhren der Motoren und den Benzingeruch in der Luft. Außerdem kommen die elektrischen Rennwagen "nur" auf Höchstgeschwindigkeiten von 322 km/h – F1-Autos können rund 40 km/h schneller fahren.

Wie begegnen Fans der Formel E solchen Argumenten? Wie sind sie selbst zu der elektrischen Rennserie gekommen und welche Rolle hat dabei Nachhaltigkeit gespielt? watson hat am Rande der Berlin-Rennen nachgehakt.

Formel E punktet neben Nachhaltigkeit vor allem mit Renn-Action

Lisa und Lucia aus Berlin waren in diesem Jahr zum ersten Mal bei einem Rennen der Formel E. Eigentlich sind sie Formel-1-Fans, hoffen aber, hier besseres Racing zu sehen, erzählt die 23-jährige Lucia. Während in der F1 zuletzt immer ein bis zwei Teams so haushoch überlegen waren, dass sie alle Rennsiege unter sich ausgemacht haben, können in der Formel E fast alle gewinnen. 2022 gab es neun verschiedene Rennsieger, 2023 sind es in bislang acht Rennen schon sechs.

"Für mich ist auch Nachhaltigkeit definitiv ein Thema", sagt Lisa. Der 21-Jährigen ist es wichtig, zu wissen, dass bei den Rennen keine Emissionen freigesetzt werden. Auch abseits der Strecke rühmt sich die Formel E damit, seit 2020 komplett klimaneutral zu sein. Unvermeidbare Emissionen, die zum Beispiel durch Shipping und Anreise entstehen, gleicht die Rennserie eigenen Angaben zufolge durch Klimaschutzprojekte aus.

Nachhaltigkeit und spannendes Racing, das schätzen Lisa (links) und Lucia aus Berlin an der Formel E.

Nachhaltigkeit und spannendes Racing, das schätzen Lisa (links) und Lucia aus Berlin an der Formel E.bild: watson / jannik sauer

Formel E: Fans feiern Stadtkurs-Prinzip und Ticketpreise

Und noch etwas anderes schätzen die beiden an der Formel E: Weil alle Rennen auf Stadtkursen ausgetragen werden, sind sie für die Zuschauer:innen immer gut zu erreichen. "Als Berlinerin ist das hier auf dem Tempelhofer Feld natürlich geil", sagt Lucia.

Auch viele andere Fans loben die gute Anbindung der Formel-E-Rennen. Für Sandy, die genau wie Lisa und Lucia die Rennen im Fan Village verfolgt, sind zudem die günstigeren Ticketpreise etwas, das sich die Formel 1 abgucken sollte. Sie hat 15 Euro gezahlt, um das Rennen an der Strecke verfolgen zu können. "Wenn man nicht unbedingt auf die Tribüne will, ist es total erschwinglich", sagt die 45-Jährige, die bereits zum zweiten Mal bei einem Formel-E-Rennen in Berlin ist.

Sandy (r.) und Mark (17 Jahre ) sind auch vom spannenden Qualifying-Modus der Formel E begeistert.

Sandy (r.) und Mark (17 Jahre ) sind auch vom spannenden Qualifying-Modus der Formel E begeistert.Bild: watson / Jannik Sauer

Das Fan Village in Berlin-Tempelhof befindet sich hinter den Tribünen, unter dem Vordach des ehemaligen Flughafengebäudes. Hier stehen Foodtrucks, Infostände, Gaming Areas und eine Bühne, auf der am Wochenende Sänger Nathan Evans ("Wellerman") und die deutsche Künstlerin Ayliva ("Sie weiß") performt haben. Von hier aus können die Fans das Rennen über riesige Bildschirme live verfolgen – untermalt vom "Düsenjet-Sound" der vorbeirasenden Rennwagen.

Der Zutritt zum Fan Village kostet 10 Euro (ermäßigt 5), ein Tribünenplatz maximal 99 Euro (ermäßigt 49). Zum Vergleich: Beim letzten Deutschlandrennen der Formel 1, das 2019 auf dem Hockenheimring stattgefunden hat, kosteten die günstigsten Tribünen-Karten 189 Euro.

Formel E: Techniktransfer auf die Straße fasziniert Fans

Nicht nur deutsche Motorsport-Fans hat die Formel E an diesem Wochenende nach Berlin gelockt. Auch Giacomo aus Italien ist zum ersten Mal dabei, er drückt dem Schweizer Jaguar-Fahrer Sébastien Buemi die Daumen. An der Formel E fasziniert ihn vor allem die in den Rennwagen verbaute Technik. "Hier wird für die Zukunft getestet", sagt er.

Die moderne Technik der Formel-E-Autos begeistert Giacomo aus Italien.

Die moderne Technik der Formel-E-Autos begeistert Giacomo aus Italien.bild: watson / Jannik sauer

Tatsächlich versteht sich die Serie als Testlabor für aktuelle Herausforderungen der E-Mobilität. Als prominentes Beispiel führen die Veranstalter:innen gerne das Thema Reichweite an. Die technischen Lösungen, die die Formel-E-Teams für ihre Rennwagen gefunden haben, haben demzufolge dazu beigetragen, auch die maximale Distanz, die elektrische Straßenautos mit einer Batterieladung fahren können, zu verbessern.

Ex-Formel-E-Fahrer Daniel Abt hatte diesen Impact jedoch erst kürzlich gegenüber watson relativiert.

Für die Stadt Berlin ist die Innovationskraft der Rennserie dennoch einer der Gründe, warum die Elektro-WM für die Stadt so wertvoll ist. Die Formel E gehe durch die Entwicklung neuer Technologien "einen entscheidenden Schritt in Richtung Umweltschutz und Luftqualität", sagt Sprecher Thilo Cablitz auf Anfrage von watson. Das Sportevent diene damit nicht nur der Unterhaltung, sondern sensibilisiere "für das Thema Elektromobilität und möchte den Übergang zu dieser beschleunigen".

Alex (links) und Lukas drücken den deutschen Fahrern Pascal Wehrlein und René Rast die Daumen.

Alex (links) und Lukas drücken den deutschen Fahrern Pascal Wehrlein und René Rast die Daumen. bild: watson / jannik sauer

Das Gesamtpaket der Formel E hat auch eingefleischte Motorsport-Fans wie Alex und Lukas überzeugt. Die beiden schauen seit Jahren Formel 1 und DTM und sind seit 2019 auch bei der Formel E dabei. Neben dem spannenden Racing sind für sie auch die vielen deutschen Fahrer Gründe, um bei der Formel E einzuschalten.

Neben dem Gesamtführenden Pascal Wehrlein (Porsche) ist Deutschland im aktuellen Fahrerfeld auch mit René Rast (McLaren), André Lotterer (Andretti) und Maximilian Günther (Maserati) vertreten.

Die Formel 1 durch einige Formel-E-Regelungen spannender zu machen, so wie es viele Fans seit Jahren fordern, halten Alex und Lukas allerdings für keine gute Idee. Einheitliche Chassis oder den Attack-Mode, der zu den Markenzeichen der Elektro-WM gehört, würden sie ungern in der F1 sehen. "Die Serien können auch gut nebeneinander existieren", sagt der 18-jährige Lukas. Wenn alles gleich wäre, sei es ja auch wieder langweilig, findet er.

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